Leser:innenbriefe

Nr. 8 –

Nicht mokieren

«Zoo: Sahra und Alice vor deiner Haustür. Von Mona Molotov», WOZ Nr. 7/23

Mit Satire ist das so eine Sache: Nicht alle Möwen haben dazu ein begnadetes Schnäbelchen. Der Text über die Friedensinitiative von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ist plumpe Diffamierung, nichts anderes. Auch wir haben über den Videoauftritt der beiden den Kopf geschüttelt. Aber der Inhalt des Manifests ist zu wichtig, als dass man es einfach mit einem launischen Text abschmettern darf.

Von einer Zeitung wie der WOZ erwarte ich vielmehr, dass sie die dringend notwendige Debatte über unsere Haltung zu Krieg, Friedensinitiativen und Waffenlieferungen auf ­einer breiten Basis ermöglicht. Stattdessen reiht auch sie sich in Bezug auf den Ukrainekrieg in den Mainstream-Einheitsmarsch der deutschsprachigen Medien ein. Dafür brauchen wir die WOZ nicht mehr zu abonnieren! Von einer kritischen, «linken» Zeitung erwarte ich eine kritische Auseinandersetzung mit der Kriegspropaganda beider Seiten – und einen echten Diskurs über Pazifismus und Frieden, gerade in Zeiten wie diesen.

Gabriela Neuhaus, Zürich

Nicht kriegsentscheidend?

«Waffen für die Ukraine: ‹Die Rüstungsdebatte ist ein Ablenkungsmanöver›», WOZ Nr. 6/23

Marionna Schlatter und Priska Seiler Graf legen nachvollziehbar politische Prinzipien und wirtschaftliche Interessen dar.

Trotzdem bleibt ein Unbehagen. Politiker:innen, die jetzt Vorbehalte gegenüber Waffenlieferungen an die Ukraine anmelden, hätten – konsequenterweise – am 24. Februar 2022 die ukrainische Regierung zur sofortigen Kapitulation auffordern müssen, um dann auf Uno-Resolutionen und Uno-Mandate zu setzen. Es müsste für sie klar gewesen sein, dass die Ukraine ohne waffentechnische Hilfe auf dem Schlachtfeld keinen Sieg erringen kann.

Fast zynisch die Bemerkung, dass 12­ 000 Schuss Schweizer Munition «diesen Krieg sowieso nicht entscheiden werden». Gemäss «Politico» ist der Gepard sehr erfolgreich im Abschuss von Drohnen. Die 12 000 Schuss könnten immerhin gegen mehrere Hundert iranische Drohnen eingesetzt werden. Nicht kriegsentscheidend, aber für die Menschen zählt wohl jedes Wohnhaus oder Infrastrukturwerk, das unversehrt bleibt, bis die passende Munition aus der EU zur Verfügung steht.

Peter Krattenmacher, Goldau

Ausgewogener geht nicht

«Frauenrenten: Helvetia ruft nicht alle», WOZ Nr. 7/23

Im Artikel werden Alliance F ihre Erfolge in der Gleichstellungspolitik und ihre Fähigkeit, politische Kompromisse zu erreichen, als fragwürdige Rolle vorgeworfen. Und der Verband wird als bürgerlich bezeichnet. Als langjähriges Mitglied, zwölf Jahre davon im Vorstand (bis 2021), wirkt das auf mich als neidische Polemik und wenig fundierte Recherche. Im Alliance-F-Vorstand sind drei (!) der Frauen SP-Mitglieder, zwei Grüne, zwei Mitte, zwei GLP, zwei FDP und eine Parteilose. Ausgewogener geht nicht! Mit unseren Kopräsidentinnen Ständerätin Maya Graf (Grüne) und Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP) schmiedet Alliance F Allianzen, um das politisch Bestmögliche für die Mehrheit der Frauen in der Schweiz zu erreichen. Wers besser kann, nur zu!

Helen Issler, Journalistin, Zürich

So long

«Michael Stötzel (1948–2023): ‹Jaja, ist schon recht, du Nase!›», WOZ Nr. 7/23

Als wir beide mit schwer suchtkranken Frauen lebten, genügte ein Wort Michaels, um uns darüber zu verständigen, dass Flucht keine Option war. Nicht für mensch. «Es ist schon recht», sagte er. Das Leben hatte uns dorthin gestellt.

Über Tote schreibt man für die Lebenden und hofft, selber noch dazuzugehören. Darum ist dies kein Nachruf, sondern ein Wunsch: Mögen alle, die noch ein wenig leben, einen Stötzel neben sich haben.

In der Ferne, am alten Hafen, rauche ich unsere letzte Zigarette. Dass der ewige Skandal Tod auch Michael nimmt, hätte ich nicht erwartet. Ich höre seinen Kommentar: «Tja, was soll man dazu sagen?» Er war ein Gebender. Unermüdlich, die Torts der anderen waren ihm nie Ausrede.

In der WOZ hat er für meine Texte gekämpft, und als ich, viele Jahre später, obdachlos durch Europa irrte, hat er mich zum «Work» gelotst. Dort begann ich 2008 einen Text über die Krise mit einer Wettermetapher. Das war faul und routiniert, also dumm. Stötzel liess es nicht durch: «Seit wann verwechselst du Kapitalismus mit Meteorologie?» Das wird mir nie mehr geschehen.

Ich hoffe, er wusste, dass ich wusste, wie viel ich ihm schulde.

So long, treuer Freund.

Oliver Fahrni, per E-Mail

Wettbewerb im Schulalltag

«Durch den Monat mit Nadine Bühlmann: Ist das Unterrichten schwieriger geworden?», WOZ Nr. 6/23

Danke für das sehr interessante Interview mit Frau Bühlmann. Ich stimme in weiten Teilen mit ihr überein. «Wettbewerb zwischen den Schulen» halte ich allerdings nicht für erstrebenswert, denn Wettbewerb bedeutet meist (und speziell im Service public) Verschwenden von Finanzen für Werbung und Imagepolitur.

Hingegen finde auch ich die integrative Schule oder den Lehrplan 21 nicht grundsätzlich falsch. Bei der Aufzählung der hilfreichen Ressourcen bei Frau Bühlmann dachte ich gleich: Wo arbeitet sie wohl? Schön, dass es Schulgemeinden gibt, wo das funktioniert.

Wir müssen also dafür sorgen, dass mit der Integration aller Kinder in die Regelklassen auch die «hilfreichen Ressourcen» wirklich vorhanden sind. Andernfalls riskieren wir, die Lehrpersonen zu demotivieren.

Beat Stehrenberger, Thalwil