Haftbefehl gegen Putin: Historisch bedeutender Entscheid

Nr. 12 –

Es war bloss eine nüchterne Mitteilung, allerdings eine mit hoher Symbolkraft: Letzten Freitag erliess der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Haftbefehle gegen Russlands Machthaber Wladimir Putin und dessen Kinderrechtsbeauftragte, Maria Lwowa-Belowa. Die Behörde wirft den beiden die Verschleppung ukrainischer Kinder aus den besetzten Gebieten nach Russland vor – ein Kriegsverbrechen. Wie viele Kinder von den Deportationen betroffen sind, führte der ICC nicht aus. Menschenrechtler:innen aber gehen von mehreren Tausend Fällen aus, die ukrainischen Behörden gar von mindestens 16 000. Moskau streitet die Umsiedlung Minderjähriger nach Russland nicht ab. Lwowa-Belowa selbst hat mit ihren Bemühungen geprahlt, «diesen Kindern ein Leben in Frieden» zu ermöglichen.

Konkrete Folgen wird der Haftbefehl für Putin vorerst nicht haben, er schränkt aber dessen Bewegungsfreiheit ein – theoretisch zumindest. 123 Länder unterstehen der Rechtsprechung des ICC – sollte der russische Präsident in eines davon reisen, müsste er dort verhaftet und nach Den Haag überstellt werden. Allerdings wird der als eine Art Weltjustiz konzipierte ICC vielerorts als eurozentristisch kritisiert, es könnte also auch gut sein, dass ein Land der Weisung nicht Folge leistet. Nervosität hat die Meldung aus Den Haag im Kreml aber durchaus ausgelöst, wie das russische Newsportal «Meduza» unter Verweis auf regierungsnahe Kreise berichtet. Dort befürchtet man offenbar, inskünftig auf die für die Propaganda so wichtigen Auslandsreisen verzichten zu müssen.

Russland, die USA, China oder Indien haben das Römer Statut nicht unterzeichnet und unterstehen deshalb auch nicht der Rechtsprechung des ICC. Der Haftbefehl gegen Putin setzt indes auch Washington unter Druck. Laut einem Bericht der «New York Times» blockiert das Verteidigungsministerium derzeit die Weitergabe geheimdienstlicher Erkenntnisse über russische Verbrechen in der Ukraine an den ICC. Im Pentagon geht die Angst vor einem Präzedenzfall um, auf dessen Basis künftig auch US-Bürger:innen belangt werden könnten. Forderungen, Expräsident George W. Bush mitsamt seinen Gefolgsleuten wegen ihrer Verantwortung für den Irakkrieg in Den Haag anzuklagen, gibt es schon lange.