Vor der Bankensession: Verzögern und Verlauern

Nr. 14 –

Nach der ersten Empörung mahnen die Bürgerlichen in Sachen CS-Aufarbeitung schon wieder zur Vorsicht. Die Grünen fordern derweil, dass Balthasar Glättli das Präsidium einer PUK übernimmt.

Nach Ostern ist es so weit: Das Parlament tritt in Bern zu einer ausserordentlichen Session zusammen, um während dreier Tage über die CS-Rettung zu beraten. Bis in die Nacht hinein könnten die Sitzungen gemäss Programm dauern. Doch ist vor allem ein Schaulaufen zu erwarten, bei dem am Ende fast alle der Vorlage mit dem unscheinbaren Titel «Nachtrag 1a» zustimmen oder sich enthalten werden. Notgedrungen: Die Übernahme der CS durch die UBS wurde vom Bundesrat an den demokratischen Instanzen vorbei per Notrecht beschlossen. Das bedeutet zuerst einmal, dass die Legislative, abgesehen von der Zustimmung der Finanzdelegationen beider Räte, ausgehebelt wurde.

Die Verpflichtungen, die den Bund direkt betreffen, betragen 109 Milliarden Franken. Sie umfassen eine Verlustabsicherung für Liquiditätshilfen der Nationalbank über 100 Milliarden und – weit risikoreicher – eine Ausfallgarantie an die UBS für toxische CS-Papiere über 9 Milliarden. Das Parlament könnte die Kredite zwar hypothetisch ablehnen, an der Gültigkeit der staatlichen Unterstützung der CS-Übernahme würde das rechtlich aber nichts ändern.

Personaldiskussion beginnt

«Am Ende bleibt dem Parlament nichts anderes übrig, als von der bundesrätlichen Entscheidung Kenntnis zu nehmen. Insbesondere für uns als Nichtregierungspartei ist das inakzeptabel», kritisiert die Grüne Lisa Mazzone, die als Mitglied des Ständeratsbüros die Session vorbereitet hat. «Mit der Art der CS-Rettung sind wir nicht einverstanden. Einmal mehr tragen die Steuerzahler:innen die Risiken, und die Grossbank wurde zu keiner Auflage verpflichtet, etwa beim Klimaschutz.» Mazzone wird sich voraussichtlich der Stimme enthalten.

Die Ohnmacht der Legislative hat aber nicht nur mit dem Notrecht zu tun, sondern auch mit den bürgerlichen Parteien. Allem Anschein nach sind diese nach ersten empörten Wortmeldungen drauf und dran, die Aufklärung des Debakels und eine griffigere Regulierung der künftigen Megabank aufzuschieben, von einem Um- und Abbau des Finanzplatzes in Richtung eines Service public ganz zu schweigen. Beispielhaft dafür steht die Diskussion um die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Nachdem das Büro des Nationalrats eine solche einstimmig unterstützte, will das Büro des Ständerats zuerst die chronisch überlasteten Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) anhören, ob sie selbst die Untersuchung übernehmen wollen. Immerhin: Die nationalrätliche GPK hat die Einsetzung einer PUK letzte Woche unterstützt.

Für die Grünen ist klar: Die Forderung nach einer PUK wird sich allen Verzögerungsmanövern zum Trotz durchsetzen. Sie eröffnen deshalb die Diskussion über die personelle Zusammensetzung. Eine PUK besteht aus Mitgliedern beider Räte, ihr Präsidium soll möglichst unabhängig agieren können. «Die Rettung wurde von den Bundesratsparteien beschlossen, in den jeweiligen Finanzdelegationen der Räte sassen ebenfalls nur Mitglieder der Bundesratsparteien», sagt der Präsident der Grünen, Balthasar Glättli. «Eine möglichst unabhängige und glaubwürdige Aufklärung kann aus diesen Gründen nur die grösste Nichtregierungspartei garantieren, also wir Grünen.» Glättli selbst kann sich das Präsidium vorstellen: «Ich wäre bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.»

Kein Thema an der ausserordentlichen Session ist auch die Bankenregulierung. Die vorberatenden Kommissionen wollen bloss eine Menge Berichte dazu in Auftrag geben. Obwohl es durchaus konkrete Vorstösse der linken Parteien gibt, die längst eingereicht sind, haben die Ratsbüros diese nicht traktandiert. SP-Fraktionschef Roger Nordmann will nun an der CS-Session einen Ordnungsantrag stellen, damit die Vorstösse dennoch beraten werden. «Der Antrag wird zum Lackmustest für die Bürgerlichen, ob sie es mit strengeren Regeln ernst meinen.»

Bloss kein Zugeständnis

Tatsächlich haben es die Vorstösse in sich. Sie zeigen, dass auf der linken Ratsseite die Probleme der Credit Suisse längst erkannt waren. So stellte etwa SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo nach dem Bekanntwerden der CS-Milliardenverluste mit dem Lieferkettenfonds Greensill und dem Hedgefonds Archegos den Antrag, dass Grossbanken über fünfzehn Prozent an nicht risikogewichtetem Eigenkapital verfügen sollten. «Der Fall CS zeigt einmal mehr, wie schnell eine Grossbank zu einem Risiko werden kann», heisst es in der Motion, die bereits vor fast zwei Jahren eingereicht wurde. Vielsagend die Antwort des Bundesrats mit dem damaligen SVP-Finanzminister Ueli Maurer: Es sei kein Anlass für eine höhere Eigenkapitalquote gegeben.

Ein weiterer Antrag, der vor der CS-Rettung von der SP eingereicht wurde, forderte wirksame Sanktionen der Finanzmarktaufsicht Finma gegen fehlbare Finanzinstitute, insbesondere Bussen (Antwort des Bundesrats: Kein Grund dafür gegeben). Ebenso wollte die Partei eine Einstellung von Bonuszahlungen bei systemrelevanten Banken erwirken (Antwort des Bundesrats: Ein einschneidender Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit). Unterstützt vom Bundesrat wurde immerhin ein Postulat des Grünen Gerhard Andrey. Er fordert bessere Werkzeuge, damit die Bankkader mehr Verantwortung übernehmen. Geliefert hat der Bundesrat ein Jahr später: nichts.

Lobbyismus im Dialog

Wohl auch angesichts dieser Vorstösse läuft die Lobbyarbeit der Banken und der Wirtschaftsverbände vor der Session auf Hochtouren. Im «SonntagsBlick» hiess es, ranghohe UBS-Vertreter hätten die Präsidenten der bürgerlichen Parteien kontaktiert, um sie «zur Räson» zu bringen. Auf Nachfrage der WOZ stellen diese die Kontakte als Selbstverständlichkeit dar – bei den eigenen Vorschlägen zur Regulierung wirken sie aber plötzlich zögerlich. Gerhard Pfister von der Mitte-Partei antwortet, dass er als Parteipräsident in einem «guten Dialog» mit den Vertreter:innen der Wirtschaft stehe, auch mit solchen der UBS. Pfister forderte nach der CS-Rettung eine Eigenkapitalquote von zwanzig Prozent. Hat er diese im Dialog mit den Banken bereits angesprochen und plant er, einen entsprechenden Vorstoss einzureichen? Pfisters ausweichende Antwort: «Das weitere Vorgehen wird zuerst in der Fraktion diskutiert.»

FDP-Präsident Thierry Burkart verlangte derweil die Abspaltung des Inlandsgeschäfts der CS von der künftigen UBS. Er habe von sich aus Lukas Gähwiler, den Verwaltungsratsvize der UBS, getroffen, um über den Vorschlag zu sprechen, teilt Burkart mit. «Der UBS missfällt unsere Forderung nach einer Verselbstständigung der CS Schweiz. Wir wurden uns nicht einig.» Wird er also im Parlament Druck machen? Auch Burkart antwortet ausweichend: Die Frage der Verselbstständigung stelle sich erst «in einer zweiten Phase».

Auch für GLP-Präsident Jürg Grossen gehört es zum politischen System der Schweiz, dass sich Parteivertreter:innen mit Wirtschaftsakteur:innen austauschen. So habe er auch mit der UBS Kontakt gehabt. «Es blieben zahlreiche unbeantwortete Fragen, wie es so weit kommen konnte.» Man habe daher in den vorberatenden Kommissionen Anträge eingebracht. Keine Antwort kommt von SVP-Präsident Marco Chiesa.

Mit der Fraktion diskutieren, die zweite Phase abwarten, gar nicht antworten: Nur zweieinhalb Wochen nach der grössten Wirtschaftsrettung in der Schweizer Geschichte tönt es im Bundeshaus schon verdächtig wie gehabt. Verdächtig harmlos, verdächtig dienstfertig.