Sachbuch: Gegen den «grünen» Kapitalismus

Nr. 15 –

Buchcover von «Grüner Kapitalismus. Kritik und Alternativen – ein ABC»
Corporate Watch: «Grüner Kapitalismus. Kritik und Alternativen – ein ABC». Verlag Graswurzelrevolution. Heidelberg 2023. 82 Seiten. 17 Franken.

Man stelle sich vor: Eine Regierung rechtfertigt die Unterdrückung einer Gruppe von Menschen damit, dass sie dafür an anderer Stelle eine andere Gruppe von Menschen schütze. Unterdrückung und Schutz hielten sich demnach also die Waage. Unvorstellbar, dass eine derart zynische Rechnung nicht Empörung provozieren würde. Doch in der herrschenden Umweltpolitik ist genau das gang und gäbe: Konzerne rechtfertigen den Ausstoss klimaschädlichen Kohlendioxids damit, dass sie an anderer Stelle zum Beispiel Bäume pflanzen lassen, die der Atmosphäre das CO₂ wieder entziehen.

Diese Perspektivenverschiebung mittels Analogie findet sich unter dem Stichwort «Offsetting» in dem von Corporate Watch herausgegebenen ABC zur Kritik des «grünen» Kapitalismus. Corporate Watch ist eine britische Non-Profit-Organisation, die kritische Informationen über die sozialen und ökologischen Folgen von Konzernaktivitäten sammelt und publiziert. Das englischsprachige Original des ABC erschien bereits 2016 – und es ist erstaunlich, dass die Einträge trotzdem keinen Staub angesetzt haben. «Grüner» Kapitalismus wird definiert als die modernste Form desselben – ein Kapitalismus, der sich ökologisch gibt, aber in Wirklichkeit versucht, sich mit neuen Praktiken immer weitere Bereiche der Natur einzuverleiben. Zum Beispiel mit Preisschildern für Emissionen, die in Form von Zertifikaten gehandelt werden können. Wenn aber etwas einen Preis hat, dann findet sich auch jemand, der diesen Preis bezahlt und so die Naturzerstörung weiter befeuert. «Der Grüne Kapitalismus», so heisst es bei Corporate Watch, «will die Herrschaft des Kapitalismus aufrechterhalten, indem er neue Wege findet, Profite zu erzielen, und den Kapitalismus vor ökologisch motivierter Kritik schützt.»

Genau diese ökologisch motivierte Kritik zu schärfen, ist die Absicht des ABC. Lesenswert ist der Band zudem, weil er unter Stichwörtern wie Ökoanarchismus, Ökosozialismus, Primitivismus, Gaia-Hypothese oder Wachstumskritik auch Alternativen zur herrschenden Politik thematisiert.