Sanktionspolitik: Goldene Schlupflöcher

Nr. 16 –

Schweizer Firmen dürfen seit letztem August kein Gold mehr aus Russland kaufen, einführen oder transportieren. Das verbietet eine Sanktion, die die Schweiz damals von der EU übernommen hat. Diesen Montag berichtete nun aber das renommierte Wirtschaftsblatt «Financial Times», dass eine Tochterfirma des Zuger Rohstoffhändlers Open Mineral AG – gegründet von ehemaligen Glencore-Managern – exakt solche Geschäfte getätigt hat: Zwischen August 2022 und Januar 2023 importierte die in Abu Dhabi registrierte Open Mineral Ltd. russisches Gold im Wert von 44 Millionen US-Dollar in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Auf diesen Fall angesprochen, antwortete das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), dass die Sanktionen für «rechtlich unabhängige» ausländische Tochterunternehmen in der Regel nicht gelten würden. Welche Kriterien für einen solchen Status erfüllt sein müssen, lieferte das Seco auf Nachfrage der «Financial Times» nicht.

Dieses Geschäft steht exemplarisch für den Eiertanz, den der Bund im Fall der Russlandsanktionen zurzeit vollzieht. Er lässt bewusst Schlupflöcher offen, wie jenes der «rechtlichen Unabhängigkeit». Dass es auch anders geht, beweist die EU. Sie untersagt auch ausländischen Tochterunternehmen, mit sanktionierten russischen Gütern zu handeln. Grundlage dafür ist eine Nichtumgehungsklausel, die sicherstellen soll, dass EU-Unternehmen sowohl den genauen Wortlaut des Gesetzes wie eben auch die dahinterliegende Absicht einhalten.

Hätte das Seco seine Prüfpflicht der Sanktionsmassnahmen ebenso streng gefasst, müsste es stutzig geworden sein, dass das Tochterunternehmen in Abu Dhabi Anfang April 2022 registriert wurde – einen Monat nach Übernahme des ersten EU-Sanktionspakets durch den Bund. Ebenso hätte auffallen müssen, dass der Zuger Rohstoffhändler Open Mineral AG mindestens bis 2021 ein Tochterunternehmen in Russland betrieb. Und schliesslich auch, dass im Verwaltungsrat der Abu-Dhabi-Tochter zum Teil dieselben Personen sitzen wie im Schweizer Mutterkonzern.