Auf allen Kanälen: De Wecks Weckruf

Nr. 17 –

Die «Republik» hat riskant budgetiert. Nun muss sie mindestens eine Million Franken sparen. In seiner Existenz gefährdet ist das Magazin aber offenbar nicht.

Fotomontage: Logo der «Republik», welche verfliesst

Die «Republik» steuerte zuletzt einem Ikarus-Moment entgegen. Mit hochfliegenden Plänen ist sie der Sonne gefährlich nahe gekommen. Und muss nun den angestrebten Höhenflug scharf korrigieren. Was ist passiert?

Nach zwei Jahren in den schwarzen Zahlen erhöhte das Onlinemagazin für das aktuelle Geschäftsjahr das Budget von 6,3 auf 8,6 Millionen Franken. Die Refinanzierung dieser gewaltigen Budgeterhöhung von 35 Prozent basierte auf der Annahme, dass die Zahl der Abonnements von 28 000 auf 33 000 steigen würde. Erreicht werden sollte dieses Ziel unter anderem mit dem neuen Format «Klimalabor». Diese Hochrisikostrategie ging daneben. Jetzt sind mindestens eine Million Franken einzusparen. Die Konsequenz: Acht Angestellte erhalten die Kündigung, davon drei aus der Redaktion. In einem wortreichen Newsletter räumte die «Republik» Fehler und Versäumnisse ein.

Keine Konsolidierung

Aus der Distanz drängt sich die Frage auf: Weshalb haben die Verantwortlichen nicht konservativer budgetiert und stattdessen hoch gepokert? Auch auf der Basis von 27 000 Abos hätte man seriös arbeiten können und wäre wohl auf der sicheren Seite gewesen. Als sich Mitgründer Christof Moser Ende 2021 vom Chefredaktorenposten zurückzog, war schliesslich noch von Konsolidierung die Rede.

Das Gegenteil ist passiert. Moser, der nach wie vor bei der «Republik» angestellt ist, schrieb bereits vor Monaten auf der Plattform Linkedin von einem «tödlichen Mix aus Inkompetenz, Mobbing und schlechten Entscheidungen». Und ergänzte in einem aktuellen Post: Jeder, der in den vergangenen Monaten den falschen Kurs des Verwaltungsrats kritisiert habe, sei diffamiert worden. Im vergangenen Jahr verliess die langjährige Geschäftsführerin den Betrieb, im März kündigte auch noch der gesamte Verwaltungsrat den Rücktritt an. Zuerst warf Roger de Weck nach bloss vier Monaten im Amt das Handtuch. Offiziell begründete der erfahrene Medienmanager seinen Austritt mit den «unterschiedlichen Auffassungen im Verwaltungsrat über die Strategie, den Stellenwert der Publizistik, die Bewältigung der anspruchsvollen Lage und die Rolle des Verwaltungsrates». Was das bedeutet, sagte de Weck am Montag in der NZZ: Einer «Strategie des Wachstums fast um jeden Preis» habe er misstraut.

Im Gespräch mit der WOZ sagen Mitgründer Constantin Seibt und der stellvertretende Chefredaktor Daniel Binswanger übereinstimmend, de Wecks Abgang sei «ein starker Weckruf» gewesen. Ansonsten wirken sie gelassen. Das Unternehmen sei, anders als 2019, nicht in seiner Existenz gefährdet. Tatsächlich hat die «Republik» einen soliden Abostamm und entsprechende Einnahmen. Auch das publizistische Konzept halten Seibt und Binswanger im Grundsatz für tragfähig, weil es eine Leerstelle in der Medienlandschaft abdecke. Selbstverständlich müsse es weiterentwickelt werden. Zu verbessern seien ausserdem die Entscheidungsprozesse, dazu gehöre eine klarere Trennung von Verwaltungsrat und operativer Führung – auch um strategische Fehler früher zu erkennen.

Nicht am Ende

Bei allen Wachstumsschmerzen der «Republik» sollte man die Kirche im Dorf lassen. In der Schweizer Medienlandschaft gibt es einen ganzen Friedhof gescheiterter Projekte finanzkräftiger Medienhäuser. 2001 musste Tamedia nach zwei Jahren den Sender TV3 mit hohen Verlusten begraben, die NZZ stoppte 2017 ihren kurzen Vorstoss nach Österreich, in den späten Achtzigern stellte ein Verbund von Regionalverlagen nach einem halben Jahr ein Sonntagszeitungsprojekt ein.

Die «Republik» ist trotz des einen oder anderen Misserfolgs und trotz Steueraffäre – für die Nachzahlung von etwa 900 000 Franken musste eine Reserve gebildet werden – nicht am Ende. Ihre Lancierung war mit der Ansage, man würde die Demokratie retten, ein genialer Marketingerfolg, der über die Landesgrenzen hinaus Furore machte und, einem Erweckungsruf gleich, Menschen in Scharen für den Abschluss eines Abos zum ehemaligen Hotel Rothaus an der Zürcher Langstrasse lockte. 

Damit definierte das Magazin allerdings die beträchtliche Fallhöhe gleich selbst – und triggerte mit der griffigen Ansage die Branche. Besonders in der konservativen Ecke arbeitet man sich daran bei jeder Gelegenheit obsessiv ab. Markus Somms «Nebelspalter» sagt jetzt schon mal das absehbare Ende der «Republik» voraus. Auch das war absehbar.