Kost und Logis: Ein Buch schreiben

Nr. 17 –

Karin Hoffsten stellt ein Projekt vor, das es schon lange verdient hätte

Auch wenn diese Kolumne unter dem Motto «Kost und Logis» steht, geht es selten nur um Essen, Trinken und Wohnen. Denn neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse ist das Leben vielfältig wie die Menschen selbst.

Das muss sich auch Martin Heller gedacht haben. Der umtriebige Kulturunternehmer, der 2021 viel zu früh verstarb und vielen Menschen als Direktor der Expo.02, Leiter diverser Museen und Hochschullehrer in Erinnerung sein dürfte, gründete 2003 die Firma Heller Enterprises, die zahllose Kulturprojekte ins Leben rief. 2015 entstand dort die Edition Unik, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Vielfalt des Lebens in Büchern einzufangen – geschrieben von denen, die es erleben. «Die Edition Unik ist kein Verlag und kein Schreibkurs, sondern ein einzigartiges Schweizer Kulturprojekt», heisst es auf edition-unik.ch. Zweimal im Jahr unterstützt ein aufmerksames Team während siebzehn Wochen Menschen, die ein Buch schreiben wollen, und sorgt dabei für die notwendige Struktur, damit die Schreibenden möglichst nicht in Stress geraten oder in ihren Materialfluten ertrinken.

Wer mitmachen will, braucht einen Computer und einen Internetzugang, die Edition Unik stellt eine selbstentwickelte Software zur Verfügung. Der Schreibprozess läuft in drei Phasen ab. In der ersten wird stichwortartig Material gesammelt, wofür nicht mehr als eine Stunde täglich aufgewendet werden sollte. In Phase zwei wird das Material zu Texten geformt. Die letzte Phase dient dazu, alles zu ordnen und – wenn gewünscht – Bilder einzufügen. Am Ende erstellen die Teilnehmenden ein druckfertiges PDF und wählen die äussere Gestaltung für das fertige Buch.

Diese «Schreibrunden» werden für 550 Franken angeboten. In diesem Preis sind zwei gedruckte Bücher inbegriffen, weitere Exemplare können auf eigene Kosten gedruckt werden. Die Bücher gelangen nicht in den Buchhandel.

Das Angebot ist ein grosser Erfolg, weil es mit klugem Zeitmanagement und nützlichen Tipps konkrete Unterstützung dabei bietet, den vagen Traum vieler – ein eigenes Buch zu schreiben – endlich in die Tat umzusetzen. Was man schreibt, ob selbst erlebt oder ausgedacht, ist völlig offen, und wer teilgenommen hat, berichtet von einer intensiven Erfahrung.

Ein aktuelles Beispiel für eine solche Erfahrung ist das Buch «plötzlich einer von denen», mit dem der Berner Raphael Petit die Folgen eines schweren Unfalls verarbeitet hat. Seine Geschichte passt zum Thema der gerade über die Bühne gegangenen ersten Behindertensession, die deutlich machte, welch steilen Weg die Schweiz bis zur inklusiven Gesellschaft noch vor sich hat.

Wer Petit und andere Autor:innen kennenlernen möchte, aber auch wer sich selbst für die Möglichkeit, ein Buch zu schreiben, interessiert, kann sich direkt an die Edition Unik wenden oder am 20. Juni im Berner Generationenhaus eine öffentliche Lesung besuchen.

Auch Karin Hoffsten hat vor einigen Jahren bei der Edition Unik ein Buch geschrieben. Mit einem Einblick in die gemeinsame Familiengeschichte machte sie ihrer weit verstreuten Verwandtschaft und sich selbst eine Freude. Für diese Kolumne erhält sie keine Vergünstigungen materieller oder ideeller Art.