Leser:innenbriefe

Bundesgerichtsentscheid
«Invalidenversicherung: ‹So kann ich nicht raus›», WOZ Nr. 15/23
Besten Dank für den interessanten und spannend zu lesenden Artikel von Susan Boos über die (teils fehlende) Assistenzentschädigung für Eltern in der IV. Die Hintergrundinfos von Susan Boos sind immer gut recherchiert und in einer guten Sprache wiedergegeben. Schade nur, dass keine konkrete Fundstelle für den wegweisenden Bundesgerichtsentscheid angegeben ist, auch nicht in einer Fussnote.
Lisbeth Mattle, per E-Mail
Anmerkung der Redaktion: Der Bundesgerichtsentscheid ist unter dem Kennzeichen 9C_538/2021 und unter bger.ch zu finden.
Vielen Dank
«Leser:innenbriefe», WOZ Nr. 15/23
Im Gegensatz zu drei Motz-Leser:innenbriefen bietet mir die WOZ immer wieder Journalismus auf höchstem Niveau. Gerade zu Corona fundierte Hintergründe und zum völkerrechtsverachtenden Krieg gegen die Ukraine historisch einordnende Berichte und Zeugnisse aus erster Hand. Sachlich und engagiert.
Beim jüngsten CS-Skandal hat die WOZ wie kein anderes Medium bestens dokumentiert über die politische und wirtschaftliche Tragweite berichtet und mit dem intelligenten Interview mit der Stanford-Ökonomin Anat Admati einen exklusiven Service geliefert. Vielen Dank!
Rolf Zimmermann, Bern
Nicht banal
«Sascha Ruefer: Der Schweizermacher», WOZ Nr. 14/23, und «Medien und Rassismus: Ein Satz als Chiffre», WOZ Nr. 15/23
Rassismus ist ein Thema mit immensem Affektpotenzial. Entsprechend diffizil ist es, über Rassismus zu reden. Noch schwieriger, Rassismus zu kritisieren, erst recht, wenn es sich um eine Aussage einer Einzelperson handelt. Denn hierbei besteht stets die Gefahr, ein strukturelles Phänomen zu individualisieren. Die Gefahr, nicht das in der fraglichen Aussage steckende gesellschaftliche Wissen und kollektive Denken zu kritisieren, sondern die Einzelperson anzugreifen. Statt über Rassismus wird dann oft darüber diskutiert, ob und inwiefern die besagte Person ein:e Rassist:in ist oder nicht. Das ist verständlich, denn wer will schon Rassist:in sein, und die wenigsten Menschen sind das auch.
Auch Sascha Ruefer ist kein Rassist. Doch in seinen Kommentaren als Sportreporter und in seiner Sicht auf die Fussballnationalmannschaft (der Männer) äussern sich rassismusrelevante Kategorien und Vorstellungen, das heisst ethnonationale Imaginationen und Grenzziehungen. Dies zeigt sich beispielhaft in dem aktuell im medialen Fokus stehenden Satz «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer».
Es ist berechtigt, dass die WOZ diesen Satz aus einer rassismuskritischen Perspektive problematisiert, auch ohne den genaueren Kontext der Äusserung zu kennen beziehungsweise kennen zu dürfen. Der situative Kontext einer Aussage spielt natürlich immer eine Rolle, aber auch dieser gehört, gerade bei einem gesellschaftlichen Problem wie Rassismus, kritisch interpretiert und in den grösseren Zusammenhang eingeordnet. Und wenn der Kontext wie in diesem Fall beweist, dass die Aussage nicht rassistisch, ja sogar positiv gemeint war, dann beweist das nicht, dass sich in der Aussage kein Rassismus ausdrückt. Die binäre Einteilung und Charakterisierung von Menschen entlang körperlicher, ethnischer, nationaler, kultureller oder religiöser Merkmale bildet ein konstitutives Merkmal rassistischer Praktiken. Die individuelle Intention entscheidet allein darüber, ob hinter einer rassistischen Aussage auch eine bewusste rassistische Einstellung liegt oder nicht. Die wenigsten Menschen in der Schweiz meinen etwas rassistisch, trotzdem gibt es – ja, auch in der Schweiz – (strukturellen und institutionellen) Rassismus.
Der Satz «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer» mag letztlich etwas banal klingen, doch so manifestiert sich Rassismus nun einmal oft, als unscheinbares, von vielen unbemerktes Alltagsphänomen. Insofern ist der Satz vielleicht nicht «klar rassistisch», wie die WOZ zunächst schrieb. Wäre er das, würden wir nicht darüber diskutieren. Klar jedoch ist, dass dieser Satz nur in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft fallen kann. In einer Gesellschaft, die Menschen in «Einheimische» und «Ausländer», in «richtige» und «eingebürgerte Schweizer» unterteilt. Gäbe es diese Kategorien nicht, würden wir uns auch nicht so obsessiv mit der «Herkunft» der Fussballnationalspieler beschäftigen.
Garabet Gül, Zürich
Fremde
«Medien und Rassismus: Ein Satz als Chiffre», WOZ Nr. 15/23
Ich mag Fussball nicht. Ich weiss nur, dass die Klubs nach den kapitalistischen Regeln funktionieren. Nicht nur die Klubs, sondern auch die Nationalteams. In allen Klubs und Nationalteams gibt es Spieler aus verschiedenen Ländern. Wie die Klubs «kaufen» auch die Nationalteams beste Spieler der Welt. Wenn es um das Geld geht, haben die Klubs sowie die Nationalteams kein Problem mit den ausländischen Spielern. In der Schweiz läuft es auch so. Aber die Fremde bleibt fremd, egal ob sie in der Schweiz geboren, in der Schweiz sozialisiert, in der Schweiz in die Schule gegangen ist, sogar die schweizerische Bürgerschaft hat. Deswegen ist Xhaka kein Schweizer, sondern ein Fremder.
Nicht nur im Bereich Sport, sondern es ist überall so. Ein ganz aktuelles Beispiel ist im Kulturbereich. Schauen Sie sich bitte die Website der Solothurner Literaturtage 2023 an: Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und «&». Mit «&» meint man anscheinend «andere» oder «Fremde». Vorletztes Jahr hat Pro Helvetia auch etwas Ähnliches gefunden: «Fünfte Sprache»! Gemeint ist auch das Fremde.
A. M. G. (Name der Redaktion bekannt), Per E-Mail
Befreiung unserer Mitlebewesen
«Durch den Monat mit Onno Poppinga (Teil 3): Warum verteidigen Sie das Rindvieh?», WOZ Nr. 16/23
Auf den Hauptgrund der Klimaschädlichkeit der Milch- und noch mehr der Fleischproduktion ist der Interviewte gar nicht eingegangen: das Tierfutter, für das sehr viel Ackerboden verbraucht wird und schlimmstenfalls Regenwälder gerodet werden. Deshalb sollten wir dringend weg von allen Tierprodukten. Dies hätte neben den ökologischen einen wichtigen und edlen weiteren Effekt: endlich die Befreiung jener empfindsamen Mitlebewesen, die zweifellos am allerstärksten diskriminiert werden, der «Nutz»-Tiere.
Renato Werndli, Eichberg