Durch den Monat mit Onno Poppinga (Teil 3): Warum verteidigen Sie das Rindvieh?

Nr. 16 –

Onno Poppinga ist begeisterter Pferdehalter – Tiere sind für ihn ein wichtiger Teil der Landwirtschaft. Dass diese die Umweltprobleme anderer Branchen kompensieren soll, ärgert ihn.

Onno Poppinga mit 2 Pferden
Onno Poppinga: «Bei uns sagt man, wenn jemand Pferde mag, er habe Haare im Magen. Mein Vater hat Arbeitspferde gezüchtet, und ich glaube, ich habe auch einige Haare abgekriegt.»

WOZ: Onno Poppinga, Sie stammen aus Ostfriesland.

Onno Poppinga: Ja, da bin ich aufgewachsen, im Norden die Nordsee, im Westen die Niederlande. Meine Eltern hatten einen Pachtbetrieb. Fürs Studium ging ich 1966 in den Süden, nach Stuttgart-Hohenheim.

Hatten Sie Heimweh?

Furchtbar! Bei uns zu Hause ist alles bretteben, der höchste Berg ist zwanzig Meter hoch. In Stuttgart sieht man die Berge, und die Leute sprechen Schwäbisch … Das ist auch ihr gutes Recht, aber für mich als Ostfriesen war das am Anfang alles sehr schwierig. Als ich 2009 in Rente ging, überlegten meine Frau und ich, ob wir in den Norden zurückkehren sollen. Aber wie es heisst: Heimat ist da, wo die Freunde wohnen. Und Verwandte habe ich leider immer weniger. Wir fühlen uns hier bei Kassel ganz wohl.

Sie bewirtschaften immer noch einen kleinen Hof mit Pferdehaltung. Warum mögen Sie Pferde?

Bei uns sagt man, wenn jemand Pferde mag, er habe Haare im Magen. Mein Vater hat Arbeitspferde gezüchtet, und ich glaube, ich habe auch einige Haare abgekriegt. Genauso mag ich Kühe und Ackerbau, sie sind mir seit der Kindheit vertraut.

Haben Sie früher mit Pferden gearbeitet?

Natürlich. Wir hatten einige Felder weit weg vom Hof, und als Jugendlicher war es meine Aufgabe, von dort Heu oder Getreidegarben nach Hause zu bringen. Die Wege waren voller Schlaglöcher, und es galt als Schande, wenn einem ein Stück der Ladung runterrutschte. Ich habe die Landwirtschaft vor dem Traktor noch gekannt. Wir hatten einen Elektromotor, der aber sehr sparsam benutzt wurde.

Das klingt anspruchsvoll – Arbeit mit Lebewesen, die unberechenbar sein können …

Ich habe die Pferde bekommen, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering war, dass sie durchgehen. Aber eine gewisse Gefahr gibt es immer, wenn Sie mit Tieren umgehen. Auch beim Reiten – ich hatte vor einigen Jahren einen Unfall bei der Ausbildung eines jungen Pferdes. Nichts Schlimmes, nur eine Gehirnerschütterung. Aber ich kam zum Schluss, dass es nicht klug ist, wenn ich mich mit über siebzig Jahren noch auf ein junges Pferd setze.

Sie verteidigen das Rindvieh gegen den Vorwurf, klimaschädlich zu sein. Aber Kühe stossen doch Methan aus.

Das taten bereits ihre wilden Verwandten, die Wisente in Europa oder die Bisons in Nordamerika. Kühe wären nur Mitverursacher des Klimawandels, wenn sich ihre Zahl in den letzten Jahrzehnten stark erhöht hätte. Das ist aber nicht der Fall. In Deutschland haben wir drei Millionen Kühe weniger als 1950. Es stimmt, in Neuseeland etwa gab es früher gar keine Wiederkäuer. In einem solchen Land fände ich eine Methanabgabe verständlich.

Sie würden das je nach Weltregion anders angehen?

Ja. Ich argumentiere vor allem für Deutschland. Gerade gab es eine grosse Diskussion in der Regierung: Jedes Ministerium sollte in seinem Bereich die CO₂-Reduktionsziele einhalten. Aber der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing hat durchgesetzt, dass das für den Verkehr nicht gelten soll. Jetzt soll wieder einmal die Landwirtschaft das Problem für die anderen lösen. Wenn eine neue Autobahn geplant wird, was gibt es dann? Ausgleichsmassnahmen. Man pflanzt Bäume oder vernässt Wiesen – wie wenn man die Zerstörungen, die mit der Versiegelung der Flächen angerichtet werden, ausgleichen könnte. So soll die Landwirtschaft mal wieder etwas ausgleichen, das man nicht angehen will.

Trotzdem: Methan ist ein Treibhausgas.

Ja, aber wie wichtig ist diese Stellschraube? Klar kann man darüber nachdenken, die Zahl der Kühe zu vermindern. Aber anderes scheint mir wichtiger. Die Kühe sollen wieder älter werden. Dann muss man nicht so viel Jungvieh nachziehen, das auch Methan ausstösst, schon bevor es Milch gibt. Ich verteidige auf keinen Fall die intensive Form der Milchviehhaltung. In Deutschland betont die Tierärztekammer, die Hochleistungszucht widerspreche dem Tierschutzgesetz. Und das stimmt. Es ist völliger Unsinn, auf so hohe Leistungen zu setzen, dass die Kühe krank werden und schon jung ins Schlachthaus kommen.

Pflanzliche Nahrung ist auch deshalb ökologischer, weil sie mehr Menschen pro Hektar ernähren kann.

Ob Ackerbau ökologischer ist, hängt von der Praxis ab. Bei sorgfältigem ökologischem Ackerbau ist die Klimawirkung positiv, man baut Humus auf. Aber man kann mit Ackerbau auch erheblichen Schaden anrichten, etwa mit Lachgasemissionen, die viel klimaschädlicher sind als Methan. Und immer, wenn Grünland umgepflügt wird, geht zuerst Humus verloren und werden Treibhausgase frei. Grünland ist wertvoll. Ein Biobauer wie jener in Graubünden, der kürzlich in der WOZ porträtiert war, macht alles richtig: Er lässt seine Kühe auf die Weide und braucht nur eigenes Futter, wirtschaftet also im Kreislauf.

Onno Poppinga (79) war Professor für Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel und engagiert sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Ein längerer Text über seine Position zum Rindvieh findet sich hier: www.klimareporter.de