Wichtig zu wissen: Die Sonne scheint in Strassburg
Ruedi Widmer über die Gegner:innen des Klimaschutzgesetzes und Probleme des Energieumbaus
Während schon ganz viele Schweizerinnen und Schweizer zu 100 Prozent nachhaltigen Strom produzieren und konsumieren oder Genossenschaften ganze Siedlungen auf Solarenergie umgestellt haben, stecken die Rechtsadligen knietief in Trotz und Stillstand, bemühen die «Armut» des Volkes, die sie ansonsten in keinster Weise bekämpfen, und spielen Anwalt der kleinen Stromkundin, die sie via Mieten und ihren Einsitz in den Schweizer Elektrizitätsfirmen und Krankenkassen sowieso schon leergemolken haben.
Der Rechtsadel übt sich im Kampf gegen Windmühlen in vorgetäuschtem Vogel- und Lärmschutz, er friedelt sich total ein in sein toggenburgerischstes Ich, in die Güllenhölle einer Schweiz, die es, bis auf die 1970er Jahre, gar nie gab. Ihm scheint die Schädigung ihrer Gletscher und Berge schnuppe, alles wird als Kollateralschaden des Tankstellengeschäfts abgebucht.
Die SVP-Granden sitzen auf den noch unverbrannten Erdölfässern ihrer Glaubensbrüder aus dem Nahen Osten und aus Russland. Dafür verbrennen sie Millionen von Propagandafranken, nur um diese Fässer auch noch zu verbrennen.
Die SVP hat schlichtweg nicht mitbekommen, dass Industrie, Gewerbe und viele Bäuer:innen längst die Seite gewechselt haben, weil der Energieumbau die Wirtschaft beflügelt. Das ist kein Wunder, wenn sie nur noch Jasager um sich hat und auf alte, alt gebliebene und atombetriebene Leute aus den 1970er Jahren setzt. Das ist zwar alles schwiizerisch und gemütlich, aber irgendwann sind diese Leute und ihre Stimmen weg.
Deshalb sind für sie jene rechten Bewegungen so gefährlich, die Rechtsradikalismus und Umweltschutz kombinieren. In den USA haben sie das entdeckt, was die SVP hier nie begriffen hat: Alternative Energien ermöglichen Autarkie gegenüber Staat und Wirtschaft, ganz reichsbürgerlich. Musks E-Autos und Solarenergie als Kampf gegen Washington, gegen den Sozialismus.
Der Hüüslibesitzer würde das auch wollen, weniger Axpo, mehr Freiheit, weniger Bern, mehr Solarpanels, aber die SVP verhindert den Abbau der alten Erdölheizungen, sie schwächt das Energiegewerbe der Schweiz zugunsten ihrer Glaubensbrüder in Saudi-Arabien und Moskau (von wo aus «Putins Weltwoch» derzeit seine debilen Twittereien sendet).
Abordnungen der SVP-Ortssektionen patrouillieren durch die Quartiere und messen den CO₂-Ausstoss der Kamine. Bleibt irgendwo das CO₂ plötzlich weg, läutet der Parteimufti mit der Fitze an der Tür und schaut, ob im Keller noch alles in Ordnung ist oder ob eine Wärmepumpe hinter dem Haus versteckt wurde. Drohnen aus iranischer Produktion überfliegen die Dorfdächer. Werden Spuren von Fotovoltaik geortet, kommt Ständerätin Friedli vorbei, stärkt das Schweizerische und Bäuerliche und lässt die Anlage burkaesk überziegeln.
Vielleicht ist es für das Zusammenleben in dieser kleinmütigen Schweiz am Ende doch besser, wenn es nicht zu viele Fotovoltaikanlagen gibt. Wenn nämlich der Nachbar am Sonnenbühlweg in Kürzliken mit seinen Riesensolarpanels und seinem überhohen E-SUV meine Solaranlage verschattet, die zuerst da gewesen ist, dann geh ich bis nach Strassburg. Oder wenn Bäume gerodet werden müssen, damit mehr Sonne aufs Solardach fällt, und es kommen Grüne und ketten sich an die Bäume, die dann noch mehr Schatten werfen. Oder eine Solarfassade wird versprayt und hat dann nur noch 23 Prozent der Ursprungsleistung. Oder der Übermieter hängt seine frisch gereinigten Perserteppiche an die Sonne und verdunkelt mein Solarpanel an der Balkonbrüstung.
Der solar nutzbare Raum wird irgendwann knapp, und es wird einen Kampf um die letzten beschienenen Quadratmeter geben. Auch die städtische Verdichtung mit Hochhäusern nimmt ganzen Nachbarschaften die Sonnenaktivität weg, die auch alle bis nach Strassburg gehen werden.
Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.