Solarexpress in Andalusien: Mehr Strom, mehr Verwüstung
Europa will erneuerbare Energien – und zwar schnell. In Spanien werden die Solar- und Windanlagen deshalb gegen den Willen der ansässigen Bevölkerung gebaut, notfalls mittels Enteignungen. Ein Besuch im Süden des Landes.
Die Frau mit der blauen Sonnenbrille kämpft sich den kargen Hügel hoch, die beiden Enden des Kopftuchs fest an die Wangen gedrückt. Als sie neben Francisco «Paco» Varela auf der Anhöhe steht, werden die tiefen Furchen in ihrem Gesicht sichtbar: das Resultat jahrzehntelanger Arbeit bei Wind und Sonne.
Varela begrüsst die Bäuerin mit einem festen Händedruck und erklärt, warum er hier ist. «Sie können schon einen Nistkasten hinstellen», antwortet die Frau gleichgültig und deutet auf die Baumgruppe neben einer alten Ruine. «Aber meine Schwester, der das Land gehörte, hat es inzwischen verkauft. Schon bald werden auch hier die ‹placas› stehen.»
Mit «placas» meint die Bäuerin Solarpanels, die im südspanischen Tabernastal zu Hunderttausenden montiert werden und das Landschaftsbild mittlerweile massgeblich prägen. Allein von da, wo Varela und sie stehen, erstreckt sich ein blau glänzendes Feld, das erst am Horizont endet. Die Promotoren hätten die Fotovoltaikanlage gerne noch ein paar Hundert Meter weiter ins Tal gezogen, doch das hätte den Abriss eines kleinen Bauernhofs bedingt, wogegen sich die ansässige Familie wehrte.
Der Hof könnte im Lauf der nächsten Jahre dennoch von den «placas» eingekesselt werden, je nachdem, ob die Nachbar:innen das Land an die Solarindustrie abtreten oder nicht. «Seit Jahrzehnten versprechen uns die Behörden Wasser für unsere Felder, aber es kommt einfach nicht», sagt die Frau mit der blauen Sonnenbrille resigniert. Jetzt verkaufe man eben.
Per Notrecht durchgewinkt
Varela steigt ins Auto. Während der Fahrt erzählt er, was sich in den Dörfern Turrillas, Lucainena de las Torres und Tabernas seit Jahren abspielt: der plötzliche Bau riesiger Solaranlagen, die kurzen Einsprachefristen, das Schweigen der Behörden, die Verflechtungen zwischen lokaler Politik und Solarindustrie, die unvollständigen Umweltschutzprüfungen sowie der Bau auf archäologisch oder ökologisch schützenswerten Flächen oder auf Böden, die zu erodieren drohen.
All das, sagt Varela, habe ihn 2019 dazu gebracht, seine Recherchen zu Parasiten und Vögeln für das nationale Wissenschaftsinstitut CSIC in Tabernas auf Eis zu legen und sich stattdessen für die Verteidigung des Lebensraums einzusetzen – insbesondere für jenen des Sandflughuhns und der Mandelkrähe, die vom Aussterben bedroht sind. «Bis dahin hatte ich nichts mit Aktivismus zu tun», sagt der Leiter des Instituts in Tabernas und biegt in eine Nebenstrasse ein. «Aber als Wissenschaftler kann ich nicht tatenlos zusehen, wenn die EU Gelder für die Konservierung der Natur spricht und gleichzeitig via Notrecht dafür sorgt, dass Ökosysteme dem Bau von Anlagen zur Generierung erneuerbarer Energie zum Opfer fallen.»
Tatsächlich hat die Europäische Union Ende 2022 beschlossen, die Genehmigungsverfahren für den Bau von Solar- und Windanlagen zu beschleunigen und den Umweltverträglichkeitsprüfungen eine untergeordnete Rolle zuzuordnen. Der Entscheid, den die Energieminister:innen ohne Beteiligung des Parlaments fällten, ist für sämtliche EU-Staaten bindend und bedarf keiner zusätzlichen Verfahren auf Länderebene. Eigentlich sollte die Notfallregelung nur bis Mitte dieses Jahres gelten; die EU-Energieminister:innen haben die Frist Ende 2023 aber kurzerhand um zwölf Monate verlängert. Sie schlugen damit auch die warnenden Worte von rund 500 Wissenschaftler:innen in den Wind, die in einem offenen Brief die Risiken für die Biodiversität beanstandet hatten.
Gemäss Zahlen des Netzbetreibers Red Eléctrica de España wird in Spanien inzwischen rund 55 Gigawatt (GW) Leistung aus Wind- (30 GW) oder Solarenergie (25 GW) gewonnen. Bis in sechs Jahren soll Wind 50 GW generieren, die Sonne 60 GW – so will es die nationale Energieagenda. Das entspricht einem Vielfachen des Eigenverbrauchs der rund 48 Millionen Einwohner:innen und lässt kaum Zweifel daran, dass diese Energie früher oder später im Ausland landet: über Hochspannungsleitungen, als Wasserstoff oder andere Industrieprodukte, die künftig auf der Iberischen Halbinsel produziert werden sollen.
Die Auswirkungen dieser Entwicklung zeigen sich erschreckend gut in Andalusien, einem über Jahrzehnte gewachsenen Eldorado für Rohstoffausbeutung. An kaum einem anderen Ort in Spanien ist die Wind- und Solarindustrie derart aktiv, und sie schreckt auch nicht davor zurück, die lokale Bevölkerung enteignen zu lassen. Sie weiss, dass sie im Streitfall «öffentliches Interesse» geltend machen kann, und hat zusammen mit internationalen Investmentbanken, Pensionskassen und Staatsfirmen Milliarden von Euros in den Ausbau erneuerbarer Energien gesteckt. Die Goldgräberstimmung hat die Regionalverwaltungen längst an ihre Grenzen gebracht, das sagt auch Paco Varela. Er und seine Mitstreiter:innen erhalten oft nicht einmal eine Antwort auf ihre Einsprachen.
Kopfüber hängender Nistkasten
Nach einer kurzen Fahrt durch die trockene Landschaft parkiert der Biologe, lässt seinen Golden Retriever aus dem Wagen und zeigt auf eine sogenannte Kompensationsleistung der Industrie: einen kopfüber an einem Olivenbaum hängenden Nistkasten. Varela lacht, obwohl ihm zum Weinen zumute ist. «Wie, bitte, soll sich hier ein Sandflughuhn einnisten?» Bereits zuvor, als er an einer Reihe ausgetrockneter Setzlinge am Rand der «placas» vorbeigegangen war, wurde seine Frustration spürbar, jetzt platzt sie aus ihm heraus. «Sie versprechen, Bäume zu pflanzen, und setzen Arten, die das trockene Klima nicht überleben. Sie versprechen Nistkästen für die Vögel, bauen diese aber nicht nur zu klein und lassen Nägel hervorstehen, sie stellen sie auch an Orte, wo die Tiere nicht hinkommen. Vogelschutz bedeutet Zeit und harte Arbeit. Da kann ich nicht einfach einen Holzkasten ohne Sand oder Erde hinhängen und ihn jahrelang Wind und Wetter überlassen!»
Satellitenbilder zeigen, wo der Solarexpress auf der Iberischen Halbinsel bereits durchgerast ist. Grüne oder gelbe Flächen sind dort mit blauen Streifen durchsetzt. Neben der Notregelung bilden weitere Entscheide aus Brüssel und Madrid die Grundlage des aktuellen Solarbooms: Da wäre einmal die seit 2012 geltende Verpflichtung Spaniens gegenüber der Europäischen Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, im Zuge der Kreditvergaben während der Finanzkrise ihre Hochspannungsleitungen auszubauen und ans internationale Netz anzuschliessen. Dann die Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris 2015 und die 2020 präsentierte Energieagenda, die eine rasche Dekarbonisierung der Wirtschaft vorsieht. Und schliesslich die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans der EU-Kommission von 2021, für die im Nachgang der Pandemie 164 Milliarden Euro nach Spanien flossen – auch in den Ausbau erneuerbarer Energien.
In Caniles, rund hundert Kilometer nördlich des Tabernastals, ist man noch nicht so weit. Zwar sind das Elektrizitätskraftwerk in der Nachbargemeinde sowie die ersten Masten einer Hochspannungsleitung zu sehen, die eines Tages die Energie in Strom umwandeln und abtransportieren sollen, aber auf dem riesigen Hochplateau Hoya de Baza dominieren nach wie vor Oliven-, Mandel- und Kirschbäume, Haferpflanzen sowie die eine oder andere Kuhherde.
Wir treffen María Pilar Vázquez im Rathaus. Die Gemeindepräsidentin von Caniles kommt strammen Schrittes auf uns zu und setzt sich an den schweren Holztisch mit Glasplatte, vor sich ein Bulletin aus der Hauptstadt. Die Nachricht, dass Green Capital Power hier ein Hundert-Millionen-Projekt lancieren wird, sei 2021 aus heiterem Himmel gekommen, sagt Vázquez und faltet die drei A4-Blätter auseinander. Es geht um die Installation einer 700 Hektaren – knapp tausend Fussballfelder – grossen Fotovoltaikanlage mit über 500 000 «placas», die 250 Megawatt Strom erzeugen soll.
Die Gemeindepräsidentin der 4000-Einwohner:innen-Gemeinde denkt zuerst: «Madre mía, das wären grosse Einnahmen!» Doch als sie die staatliche Mitteilung genauer liest, haut es sie so richtig aus den Socken: Damit das Projekt realisiert werden kann, müssten Dutzende Familien ihre Arbeit oder ihr Zuhause aufgeben. Auf der Liste steht neben dem Namen ihres Onkels Pepe auch derjenige ihres Vaters, der seit über zehn Jahren tot ist.
In der Regel laufen die Enteignungen stets nach demselben Muster ab: Ein Firmenvertreter ruft bei der Landbesitzerin an, erklärt ihr die rechtliche Situation und dass sie nun die Wahl habe, ihr Land für so und so viel Geld zu verpachten oder zu verkaufen, ansonsten werde sie enteignet. Der angebotene Betrag ist zwar oft beschämend klein, doch liegt er fast immer weit über dem, was ein Bauer aus der Region für eine Pacht zahlt. Die Besitzer:innen akzeptieren meist schnell und widerstandslos, vor allem die älteren Generationen. Sie bewirtschaften ihr Land oft nicht mehr selbst, beziehen stattdessen eine kleine Rente und sind deshalb dankbar für den Zustupf.
Als María Pilar Vázquez 2021 die Bäuer:innen besucht, stellt sie fest: Green Capital Power war vor ihr da. Einzelne Familien hat das Unternehmen sogar schon von der Verpachtung oder dem Verkauf ihres Landes überzeugt; in diesen Tagen soll das erste Geld fliessen. «Und das, obwohl wir noch gar keine Baubewilligung erteilt haben.» Die Gemeindepräsidentin stellt klar, dass sie eine Befürworterin erneuerbarer Energien sei, «aber bitte im Einklang mit dem Naturpark und dem Landwirtschaftstourismus». Man könne doch nicht einfach alles mit Solaranlagen zupflastern.
Als das Bulletin aus der Hauptstadt in Caniles ankommt, ist das Dorf nicht das einzige betroffene in Spanien. Während weltweit mittels Notrecht regiert wurde und in vielen Ländern Bürger:innen zu Hause eingesperrt waren, genehmigten die Regionalregierungen Hunderte von Solar- und Windanlagen. Als die Gemeinden Andalusiens schliesslich zu reagieren beginnen, ist es vielerorts bereits zu spät. Der Widerstand bildet sich dennoch, zuerst digital, dann auf der Strasse, etwa bei Demonstrationen in Granada und Málaga, aber auch in Valencia und Madrid. Wie María Pilar Vázquez sehen siebzig weitere Gemeindepräsident:innen Andalusiens das kulturelle Erbe der Region gefährdet, und sie fordern 2022 ein Baumoratorium für Fotovoltaikanlagen, die über fünf Megawatt produzieren. Doch das Regionalparlament lehnt das ab. Weiterhin hängig sind in Caniles hingegen die über 1200 Einsprachen.
Olivenbäume und leere Versprechen
José Blanque und Pepe Rubia sind Bauern, Nachbarn und beide von einer möglichen Enteignung betroffen. Blanque ist empört, dass den Menschen mit einer einzigen Unterschrift ihre gesamte Existenz genommen werden kann, «staatlich legitimiert!». Der Bauer steht auf der Olivenbaumplantage seines Nachbarn und ärgert sich über die leeren Versprechungen der Rohstoffindustrie, etwa was neue Arbeitsplätze betrifft. «Wir wissen aus Tabernas, dass das nicht stimmt. Erstens bringen sie ihre eigenen Spezialisten mit, und wenn die Anlagen einmal in Betrieb sind, brauchen sie nur noch ein paar Leute für den Unterhalt – und das wars.»
Der Sohn von José Blanque, der als Biobauer in die Fussstapfen seines Vaters getreten ist, hat als Reaktion auf die drohende Enteignung ein riesiges Banner mit seinem Gesicht an der Hauptstrasse angebracht. Neben seinem Antlitz steht, dass er die fünfzig Hektaren Land seiner Familie nicht hergeben werde. «Müde von den politischen Lügen und Betrügereien der Firma», heisst es weiter unten.
Müde sind auch José Blanque und Pepe Rubia; beide stehen kurz vor der Pensionierung. In der gleissenden Mittagssonne gehen sie über die Felder, die sie bewirtschaften, schütteln immer wieder den Kopf. Pepe Rubia blickt oft zu Boden, auf eine trockene Mischung aus Sand und Erde, und erzählt, wie die drohende Enteignung an den Grundfesten seiner Wertvorstellungen gerüttelt habe. Er ist während der Franco-Diktatur aufgewachsen und konnte sich irgendwann ein Stück Land leisten und Olivenbäume pflanzen – trotz des knappen Wassers, trotz der schwierigen klimatischen Bedingungen. Der Verkauf des Öls lief gut, und der Familienvater konnte alle paar Jahre ein paar zusätzliche Hektaren Land hinzukaufen und weiterpflanzen. Heute sind es 3000 Olivenbäume.
Für ihn sei der Staat die oberste Instanz, sagt Rubia, er mache die Gesetze, und an diese habe man sich zu halten. Jetzt, nach jahrzehntelanger harter Arbeit, droht ihm nicht nur die Enteignung; er wisse inzwischen auch nicht mehr, woran er noch glauben solle. «Wenn ich zusehen muss, wie meine Olivenbäume gefällt werden, ist das, als ob sie mich umbringen würden.»
Enteignungsgesetz von 1954
Zurück in Tabernas, treffen wir Mariela Acosta. Die Anwältin hat sich auf Enteignungen spezialisiert und begleitet derzeit eine Handvoll Familien, die sich gegen die Wind-, Solar- und Stromindustrie wehren. Es sei wie David gegen Goliath, sagt Acosta. Viele ihrer Klient:innen würden deshalb gar nicht erst verhandeln: weil sie sich fürchten, sich unterlegen fühlen oder ein Gerichtsverfahren nicht finanzieren können. Bei einer einstweiligen Verfügung beispielsweise, die einen sofortigen Baustopp nach sich zieht, muss die Klägerin eine Bürgschaft beim Gericht hinterlegen. «Da es bei Produktionsanlagen von erneuerbarer Energie um sehr viel Geld geht, sind das oft hohe Beträge», sagt die Anwältin. Wenn die Aussichten auf einen Erfolg gering seien, würden die Menschen vorher die Entschädigungszahlungen akzeptieren.
Möglich machen die Enteignungen in Spanien zwei Gesetze: eines von 2013, das andere von 1954. Ersteres gibt den Firmen die Möglichkeit, ihre Stromproduktions-, Übertragungs- und Verteilungsanlagen an Orten zu installieren, die sie als richtig erachten. Das Gesetz aus der Zeit der Franco-Diktatur (1936–1975) erlaubt es den Behörden dann, die betroffenen Menschen mittels Zwangsenteignung von ihrem Land zu vertreiben – gegebenenfalls unter Einsatz der Polizeieinheit Guardia Civil.
Viele der kommunalen Behörden Spaniens hatten bei der Raumplanung weder Wind- noch Solaranlagen auf der Rechnung. Sie wiesen lediglich jene Flächen aus, die nicht urbanisiert werden sollten. Es seien jene Felder und Hügel, die nun die Industrie quadratkilometerweise aufkaufe, sagt Mariela Acosta. «Die Gemeinden sehen nur die hohen Steuereinnahmen, realisieren aber nicht, dass sie dadurch die Zukunft ihres Dorfes aufs Spiel setzen.»
Ihre Worte hallen nach, als wir am Ende unserer Reise tiefer in den Talboden von Tabernas fahren. Eine Schotterpiste bringt uns zu den industriell gepflanzten Olivenbäumen, die in Reih und Glied stehen und – trotz Widerstand aus der Bevölkerung – mit dem knapper werdenden Wasser am Leben erhalten werden. Von weitem ist das Kreischen einer Säge zu hören, dahinter das dumpfe Stampfen eines Motorhammers. Als wir uns nähern, beginnen wir zu verstehen, warum einzelne unserer Gesprächspartner Tränen in den Augen hatten und diverse Aktivist:innen in der Region Medikamente schlucken, um ruhig zu werden und schlafen zu können.
Ein Dutzend Männer, ausgerüstet mit Motorsägen, Baggern und Macheten, pflügen sich durch die Olivenbäume und machen sie dem Erdboden gleich. Es sind Zehntausende Bäume, die hier in den nächsten Tagen den Solarpanels «made in China» weichen müssen. Ein Transportunternehmer aus der Stadt liess die Monokulturen vor zwölf Jahren pflanzen. «Mittlerweile sind die Bäume schon alt und geben kaum noch was her», sagt der Vorarbeiter und deutet auf das gelbe Feld weiter hinten: die nächste Kapitalanlage.
Als wir näher heranfahren, werden die Metallelemente sichtbar, die eine Baumaschine auf der anderen Seite des Hügels in den Boden hämmert und die nun tausendfach in den Himmel ragen. Am Rand der neu geschaffenen Wüste stapeln sich die «placas».
Der gelbe Ginster, das Halfagras und die Dornensträucher, die Wasser binden und so den Boden vor Erosionen schützen, mussten bereits vor Jahren den Olivenbäumen weichen, genauso wie die Vögel und Nagetiere, die das Land einst belebten. Doch die Flächen der «placas» werden um ein Vielfaches grösser als die Olivenbaumfelder. Um sie vom Wüstensand zu befreien, wird jenes Wasser aus dem lokalen Aquifer gepumpt, das den Anwohner:innen seit Jahrzehnten fehlt. Etwa der Bäuerin mit der blauen Sonnenbrille und dem Kopftuch.
Schweizer Solarexpress : «Der Zeitplan bleibt eine Herausforderung»
Der Ausbau erneuerbarer Energien wird derzeit auch in der Schweiz politisch forciert, insbesondere im Bereich der Solarenergie. Doch dieser Ausbau ist ganz anders verfasst als der teils rücksichtslose Solarenergieausbau auf EU-Ebene (vgl. Haupttext oben).
Der wichtigste Unterschied ist: Der europäische Energie- und Strommarkt ist liberalisiert und somit weitgehend dem Markt überlassen. Der massiv subventionierte EU-«Solarexpress», inklusive beschleunigter Verfahren und geringerer Umweltauflagen, lockt gerade in Spanien private Anbieter aus ganz Europa an. Auch Schweizer Stromkonzerne wie Axpo oder Alpiq investieren in Fotovoltaikanlagen in Spanien. Die inländische Strom- und Energieproduktion hingegen ist fast gänzlich in Schweizer Hand – zumindest vorläufig. Sollte die Schweiz dereinst ein Stromabkommen mit der EU abschliessen, wie das der Bundesrat vorsieht, müsste der hiesige Strommarkt geöffnet werden.
Freilich hat auch die Schweiz ihren eigenen «Solarexpress». So heisst umgangssprachlich eine im Herbst 2022 vom Parlament beschlossene dringliche Massnahme, um den Bau grosser alpiner Solarkraftwerke zur Produktion von Winterstrom beschleunigt voranzutreiben – mit straffen Verfahren und hohen Subventionsbeiträgen an inländische Interessent:innen. Die Massnahme ist bis Ende 2025 befristet.
Eine Anfrage beim Bundesamt für Energie (BFE) zeigt allerdings, dass wenig Tempo im «Solarexpress» steckt: «Bisher wurden neun Projekte öffentlich aufgelegt und eines erstinstanzlich bewilligt», schreibt das Bundesamt. Es beobachte die weitere Entwicklung, «der Zeitplan bleibt aber eine Herausforderung», so das BFE. Ob das vom Parlament festgelegte Ziel erreicht werden könne, werde sich in den nächsten Monaten weisen.
Um den Ausbau erneuerbarer Energien geht es auch beim «Stromgesetz», das am 9. Juni zur Abstimmung kommt. Gemäss der Vorlage soll die Schweiz bis 2035 pro Jahr 35 Terawattstunden Strom aus Sonne, Wind, Biomasse oder Geothermie produzieren: ein wichtiger Schritt, um den Ausstieg aus den fossilen Energien zu schaffen.
Das Parlament hat die Vorlage im vergangenen Herbst mit grosser Mehrheit angenommen. Doch ein Referendum von Windkraftgegnern und Landschaftsschützerinnen kam zustande, und mittlerweile wirbt auch die SVP für ein Nein, während alle anderen grossen Parteien das Stromgesetz ebenso unterstützen wie fast alle Umweltverbände. Sie gewichten den Ausbau der Erneuerbaren höher als eine gewisse Schwächung des Umweltrechts, das aber immer noch Einspruchsmöglichkeiten gewährleistet. Mit den aktuellen Zuständen in Südspanien ist die Situation in der Schweiz nicht zu vergleichen (siehe WOZ Nr. 17/24).
Kommentare
Kommentar von Fox
Do., 30.05.2024 - 21:01
Viele dieser Olivenanlagen und weitere Monokulturen etc. sind eh faktisch tot. Zudem fehlt es an Wasser. Die Panels bringen auch Schatten und damit sogar eine neue Chance für die Natur. Kann man faktisch totes Land verpachten entfällt auch der Anreiz das letzte Wasser zu verschwenden. Die Vorgehensweise ist sicher nicht optimal. Mich würde interessieren wie sich das Land unter den Anlagen von Monokulturen erholt.
Kommentar von Chribu
Fr., 31.05.2024 - 12:26
Ich war schon einige Male in Tabernas. Zum grossen Teil besteht die Landschafts aus Wüste und es wächst nichts. Für mich unverständlich dass hier nicht Solarpanel stehen dürfen.
Kommentar von nschmid
So., 02.06.2024 - 08:15
Als ich diese Gegend bereiste sind mir vor allem riesige Monokulturen von Olivenbäumen aufgefallen neben und unter denen nichts anderes wächst. Die Region hat grosse Probleme mit dem Wasser. Durch die fehlende Vegetation in den Monokulturen kommt es bei den seltenen Regenfällen zu Sturzbächen und Erosion. Ich kann die Bemühungen um Biodiversität nachvollziehen. Die Bauern sind aber nicht die, die diese gefördert haben.