Auf allen Kanälen: Cash für Klicks?
Der Bundesrat will das Urheberrecht so anpassen, dass Google und Facebook künftig für jeden Klick auf eine Artikelvorschau hiesiger Medien zahlen müssen. Klingt gut, ist aber eine schlechte Idee.
Um die Schweizer Medienlandschaft steht es nicht besonders gut. Die Medienkonzentration nimmt beständig zu, Konzerne sparen beim Personal, erfahrene Journalist:innen wechseln in die Kommunikationsbranche. Und dann lehnte die Stimmbevölkerung auch noch die umstrittene Medienförderung des Bundes ab. Eines bleibt klar: Es besteht dringender Handlungsbedarf.
Mit einer Anpassung des Urheberrechts soll nun wenigstens Werbegeld, das zu den Big-Tech-Konzernen abgewandert ist, an die Medien zurückgeschleust werden. Netzdienste ab rund 900 000 User:innen sollen eine Steuer bezahlen, wenn Nutzende auf sogenannte Snippets klicken – Vorschauen, die zu journalistischen Inhalten führen. Betroffen wären vorerst Google, Linkedin, Tiktok, Twitter, Xing und Youtube. Ende Mai hat der Bundesrat das Leistungsschutzrecht in die Vernehmlassung geschickt.
Für diese Linksteuer lobbyiert hat vor allem der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM). Laut einer Studie im Auftrag des VSM geht es um viel Geld, allein Google soll 154 Millionen Franken jährlich bezahlen müssen. Laut dem Verband, aber auch gemäss Bundesrat würden nicht nur die grossen Medienhäuser profitieren, sondern auch kleine Verlage und die Journalist:innen selbst.
Dominiert wird der Verlegerverband von den grossen Verlagshäusern. Diese haben es über Jahre versäumt, nachhaltig in den Journalismus und in digitale Kanäle zu investieren. Stattdessen wurden Inhalte für Google und Social Media optimiert. Die NZZ etwa zählt fast eine halbe Million Follower:innen auf Twitter. Die Artikelvorschauen auf dem Profil führen meist vor die Paywall, die menschliche Surfer:innen ohne Abo nicht durchlässt. Die Paywall ist aber so programmiert, dass sie der Suchmaschine von Google Einlass gewährt, damit diese Snippets von Bezahlinhalten erzeugen kann.
Falsche Anreize
Geht es nach dem Verlegerverband, soll sich daran auch nichts ändern. Medien profitieren schliesslich von der Verbreitung der Snippets im Internet. Nur soll es eben künftig Cash für Klicks geben. Der Verband Medien mit Zukunft (VMZ), der sich seit 2017 für kleine, unabhängige Publikationen und die Medienvielfalt einsetzt, spricht sich klar gegen die Linksteuer aus. Diese setze falsche Anreize und verhindere echte Reformdebatten, argumentiert der Verband, dem auch die WOZ angehört.
Die Bedenken sind berechtigt, wie ein Blick über die Grenze zeigt. 2013 wurde in Deutschland ein Leistungsschutzrecht eingeführt. Google drohte daraufhin, Medien aus seinen Newstreffern zu werfen. Verlage knickten ein und vergaben dem Techkonzern Gratislizenzen. Nach einem zweiten Anlauf für eine Linksteuer im Jahr 2021 schlossen grosse Medienhäuser dann individuelle Deals mit Google und gaben sich bei den Abgaben mit bescheidenen Beträgen zufrieden, wie das Medium «Netzpolitik» berichtet. Das Nachsehen haben kleine Verlage mit geringer Verhandlungsmacht.
Abhängig von Big Tech
Nach der Einführung des Leistungsschutzrechts würde das grosse Verhandeln um die Geldtöpfe erst beginnen. Wie gross diese sind, ist ungeklärt. In Deutschland sind die tatsächlichen Einnahmen gegenüber den einstigen Prognosen auf ein Trinkgeld geschrumpft. Auch die 154 Millionen Franken, die der Schweizer Verlegerverband von Google erwartet, dürften sich als Illusion erweisen, wie Analysen des Onlinemagazins «dnip» zeigen.
In Australien und Frankreich konnten indes grössere Beträge erstritten werden. Doch auch das ist problematisch. Denn damit werden die Verlage noch abhängiger von Google und Konsorten, weil sie nicht nur mit Reichweite von den grossen Plattformen profitieren, sondern auch finanziell – was die Verlage auch nicht wirklich dazu ermuntern dürfte, in den Journalismus zu investieren.
Im besten Fall bliebe also alles beim Alten. Im schlechtesten Fall schadet man damit der Medienlandschaft erst recht, weil eine Linksteuer dem Clickbaiting weiter Vorschub leisten würde. Das ist weder dem Journalismus noch einem Angebot von hochwertigen Informationen förderlich. Im kleinen, vielsprachigen Schweizer Medienmarkt führt kein Weg an einer echten Regulierung der Plattformen und einer Medienförderung vorbei.