Asylpolitik: Kein Zurück mehr

Nr. 32 –

Wer in den Iran zurückkehrt, muss mit drastischen Strafen rechnen. Geht es nach den Behörden, sollen dennoch Hunderte Iraner:innen die Schweiz verlassen. Nun wehren sich die Betroffenen.

Kundgebung gegen den Tod von Mahsa «Jina» Amini im Oktober 2022 vor der iranischen Botschaft in Bern.
«Von der Schweiz aus einen Beitrag leisten»: Kundgebung gegen den Tod von Mahsa «Jina» Amini im Oktober 2022 vor der iranischen Botschaft in Bern. Foto: Peter Schneider, Keystone


Ein persönliches Gespräch, mehr nicht: Das forderten kürzlich Dutzende abgewiesene Asylsuchende aus dem Iran in einem Brief ans Staatssekretariat für Migration (SEM). Ein solches Gespräch wollten sie nutzen, um ihre Perspektive auf eine potenzielle Rückkehr in das Land zu erklären. Denn was die Behörden verlangen, kommt für keine:n von ihnen infrage.

Rahele Taheri ist eine der Briefeschreiber:innen, Woche für Woche hat sie letztes Jahr vor der iranischen Botschaft in Bern protestiert. «Ich will auch von der Schweiz aus meinen Beitrag leisten», sagt sie. Damit ist Taheri nicht allein: Der Ausbruch der Proteste im September 2022 hat Regimegegner:innen auf der ganzen Welt mobilisiert. Wie wichtig der Beitrag von Leuten wie Taheri ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Nervosität des Regimes: Letzten Oktober erklärte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gegenüber SRF etwa, er habe seit Revolutionsbeginn eine «Intensivierung der nachrichtendienstlichen Aktivitäten» des Regimes in der Schweiz feststellen können.

Doch nicht nur müssen iranische Staatsbürger:innen im Ausland mit Bespitzelung rechnen – vielen droht auch bei der Rückreise in den Iran Repression. So auch Rahele Taheri. «Es ist gut möglich, dass sie mich am Flughafen sofort verhaften und dann sogar hinrichten würden», sagt sie. Dass ihr Aktivismus den Behörden bekannt ist, daran besteht für sie kein Zweifel.

Das ändert allerdings nichts daran, dass Taheri die Schweiz eigentlich verlassen müsste. Das Asylgesuch, das sie 2016 gestellt hat, wurde nach rund sechs Jahren definitiv abgelehnt, seither lebt sie von der Nothilfe. So wie ihr geht es schweizweit fast 300 Iraner:innen: Sie leben in ständiger Angst vor der Ausweisung – auch wenn die Schweiz dieses Jahr bislang erst eine Ausschaffung in den Iran tatsächlich vollzogen hat.

Kein Profil nötig

Im Iran selbst geht die Repression derweil ungemindert weiter – weshalb Sara Hosseini Alarm schlägt. Hosseini steht einer sogenannten Fact-Finding Mission vor, einer Art Untersuchungskommission des Uno-Menschenrechtsrats. Erst kürzlich warnte sie in einem Bericht vor einer weiteren Verschlechterung der Menschenrechtslage. So befürchtet sie etwa noch drastischere Strafmassnahmen gegen Regimegegner:innen und eine Zunahme der Massenüberwachung im öffentlichen Raum.

Auf Anfrage schreibt Sara Hosseini, dass sie die Staaten zu einer «wohlwollenden» Prüfung von Asylanträgen ermutige. «Wir erinnern an das Non-Refoulement-Prinzip gemäss internationalem Menschenrecht.» Dieses verbietet die Ausweisung in ein Land, wenn dort schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Ein Risiko, das bei Personen, die in den Iran zurückkehren, nie ausgeschlossen werden kann, wie Natalie Wenger von Amnesty International Schweiz sagt. Ihre Untersuchungen hätten ergeben, dass die Repression des Regimes keiner nachvollziehbaren Logik folge. «Es kann jeden treffen», so Wenger. Im Februar schrieb die NGO sogar, sie verfüge über Informationen, wonach «Personen, die im Ausland um Asyl ersucht haben, als Regierungsgegner:innen erachtet werden könnten und bei einer Rückkehr gefährdet sind» – auch wenn sie «kein besonderes Profil aufweisen». Zu den Hintergründen dieser Informationen könne sie «aus rechtlichen Gründen» allerdings keine Auskunft geben, sagt Wenger.

Auf Granit beissen

Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben angesichts der bedrohlichen Lage im Iran entschieden, derzeit auf Rückführungen dorthin zu verzichten. Rahele Taheri wünscht sich von den Schweizer Behörden ein ähnliches Bekenntnis. «Ein Abschiebestopp drängt sich auf», schreibt ihr Kollektiv in seinem Brief ans SEM.

Keine Chance: In seiner Antwort bekräftigt das SEM zwar, dass es die «Ansicht von der desolaten Menschenrechtslage im Iran teilt». Dass es von der Überwachung von Exiliraner:innen durch den Nachrichtendienst wisse – und vom «brutalen Vorgehen» gegen Kritiker:innen. Eine Praxisänderung würde aber dem Grundsatz der Einzelfallprüfung im Schweizer Asylrecht widersprechen. Sogar die Forderung nach einem persönlichen Gespräch lehnt das Staatssekretariat ab.

Auf Anfrage schreibt die Medienstelle, es stehe abgewiesenen Asylsuchenden offen, ein neues Gesuch einzureichen, «sollten sie aufgrund ihrer exilpolitischen Betätigung eine Verfolgung im Heimatland befürchten». Sei die Sorge begründet, werde der betreffenden Person die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ausserhalb dieser Verfahren verfüge das SEM aber nicht über die Kompetenz, den Aufenthalt von abgewiesenen Asylsuchenden zu regeln. «Aus diesem Grund ist ein persönliches Treffen auch nicht angezeigt.»

Natürlich habe sie diese Antwort erwartet, sagt Rahele Taheri, sie habe die Asylbehörde ja schon gekannt. Weshalb sie es trotzdem versucht habe? «Weil sie wissen sollen, dass wir existieren.» Taheri hat den Mut noch lange nicht verloren: Der Brief sei erst der Anfang gewesen. Dass sie sich trauen, sich allen Widrigkeiten zum Trotz politisches Gehör zu verschaffen, haben Taheri und ihre Mitstreiter:innen schon hinreichend bewiesen. «Wir werden ihnen noch zeigen, dass sie uns nicht einfach ignorieren können», sagt sie.