Transparenz: Besitz bestimmt die Verhältnisse
Die Wahlen im Oktober finden erstmals unter neuen Transparenzvorgaben statt: Parteien und Kandidierende müssen Wahlkampfbudgets und -spenden ab einem gewissen Betrag offenlegen. Nach Jahrzehnten des bürgerlichen Widerstands hat sich im Parlament offenbar die Einsicht durchgesetzt, dass Transparenz im Politbetrieb demokratiepolitisch relevant ist.
Auf eine genauso dringliche Einsicht warten wir noch immer: Relevant ist Transparenz auch mit Blick auf die Eigentumsstrukturen im Land. Schliesslich bietet die Schweiz, globaler Finanzplatz und wichtigste Drehscheibe des Rohstoffhandels, ein Rechtsumfeld, das Geld aus unsauberen Quellen anzieht. Steuerflucht, Geldwäscherei, Korruption, die Umgehung internationaler Sanktionen: Wer seine Geschäfte und Besitztümer lieber im Verdeckten verwaltet, weil sie ethisch verwerflich oder illegalen Ursprungs sind, tut das noch immer gern in der Schweiz – wo sich hinter verschachtelten Firmenkonstrukten viele Spuren verwischen lassen.
Während längst der internationale Druck steigt, um dem entgegenzuwirken, betreibt die Schweiz ihr bekanntes Spiel: Sie unternimmt schrittweise das Nötigste, um nicht gänzlich im Abseits zu landen. Etwa beim Geldwäschereigesetz. Dessen letzte Revision liegt erst zwei Jahre zurück; sie war das Ergebnis eines Minimalkonsenses, den die Parlamentsrechte einzugehen bereit war. Besonders einschneidend war die Streichung einer Berater:innenklausel, die der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Sie hätte vorgesehen, dass auch Anwälte, Notarinnen und Treuhänder bei ihrer Arbeit für Briefkastenfirmen und Trusts einer Meldepflicht unterstehen. Das Parlament verschonte sie davor. «Wir werden Ihnen bald die nächste Revision unterbreiten», kündigte daraufhin der damalige Finanzminister Ueli Maurer an – wohl im Wissen um die Unzulänglichkeit der Anpassungen.
Nach mehrmaligem Verschieben soll es Ende August so weit sein, der Bundesrat will einen Entwurf in die Vernehmlassung schicken: eine weitere Anpassung an die Empfehlungen der Financial Action Task Force, des wichtigsten internationalen Gremiums zur Eindämmung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Endlich soll in der Schweiz eingeführt werden, was im europäischen Umfeld bereits Standard ist: ein zentrales behördliches Register zur Eigentümerschaft von Firmenkonstrukten.
Wie aber soll ein solches Register aussehen? Transparency International hat diese Woche mehrere Forderungen gestellt: Im Register müsse vollständig und nachvollziehbar vermerkt sein, wem die in allen möglichen Konstruktionen verwalteten Vermögenswerte letztlich gehören. Die Korrektheit der Einträge müsse mehrschichtig überprüft werden. Und, ganz zentral: Der Zugriff dürfe nicht nur Behörden und Finanzintermediären, etwa Banken, Kreditkartenfirmen oder Hedgefonds, vorbehalten bleiben.
Und hier wirds demokratiepolitisch essenziell. Auch die Öffentlichkeit muss ein Recht darauf haben, sich über die Eigentumsverhältnisse im Land zu informieren. Die Unmengen an Kapital liegen in der Schweiz schliesslich nicht ungenutzt herum, sie formen jeden Tag die Machtverhältnisse, die Lebensräume, die Städte, das Sozialgefüge, mediale Diskurse, die Politik. Und dies weit über die Landesgrenzen hinaus. Eine Gesellschaft, die sich aufgeklärt und demokratisch nennt, muss ihre Entscheide im Wissen um die sie prägenden Eigentumsverhältnisse treffen können.
Ob es ein komplett öffentliches Register sein soll, in dem jede:r frei stöbern kann, ist aus Datenschutzgründen umstritten; Frankreich beispielsweise hat ein solches vor einigen Jahren eingeführt, der Europäische Gerichtshof dies mittlerweile aber beanstandet. Der öffentliche Zugang lässt sich jedoch auch auf anderem, indirektem Weg gewährleisten: indem das Register etwa NGOs, Journalistinnen oder auch Wissenschaftlern offensteht. In über hundert Ländern ist eine vergleichbare Regelung bereits Tatsache oder zumindest auf dem Weg – für die Schweiz wäre sie geradezu revolutionär.