Wichtig zu wissen: Alternative für Design

Nr. 32 –

Ruedi Widmer über die Freundlichkeit des Rechtspopulismus

Twitter heisst jetzt Twixer, schrieb ich im Juli auf meine Facebook-Wall. Der Wechsel vom vergleichsweise augenzwinkernden zwitschernden Vögelein zu diesem schwarzweissen, an Putins Z gemahnenden X-Zeichen versinnbildlicht das Eindringen von Brutalität und Faschismus in die Popkultur. So wie Brutalität und Faschismus schon vor Jahren in das Design der Autos auf unseren Strassen eingedrungen sind.

Umgekehrt muss man sagen, dass gerade die rechtspopulistischen, antisemitischen und faschistischen Parteien von heute ausgesprochen harmlose moderne Werbedesigns auf die Plakatwände unserer Hitzeinseln und die Bannerwerbeplätze unserer Internette zaubern. Die letztjährige Wahlkampfwerbung von Giorgia Meloni hatte den sportlichen Touch eines Panini-Fussball-WM-Albums. Und auf ihrem eigenen Plakat gab sie sich grafisch ganz Hakle-feucht-anschmiegsam. Die fröhliche Comicsonne der SVP kann man sich derweil weiss Gott nicht auf wehenden Fahnen auf von Lichtdomen umrankten Küssnachter Sonderparteitagsgeländen vorstellen.

Die von einem Nazi aus Thüringen geprägte und fürs journalistische Stopfen des Sommerlochs ideale Angstpartei AfD wiederum führt einen grafischen Auftritt, der virtuos mit dem Schwung des Nike-Logos spielt, farblich die Schweizer KKiosk-Kette frisch interpretiert und mit der Bauhaus-Schrift Futura (Swissair, Red Bull, Gillette) bis vor kurzem noch unsagbare Dinge («Islamfreie Schulen!» oder «Für ein Europa der Vaterländer») zu Marketing-Excellence-Award-preisverdächtigen Headlines typografisierte. Auch der – im Vergleich zu E. Murks noch viel reaktion- und libertärere – Paypal-Gründer Peter Thiel (nicht verwandt mit A. Thiel, CH-Schweiz) nutzt im Logo seines Onlinebezahldiensts die heutige AfD-Schrift, die 1927 von Paul Renner entworfen wurde. Der antifaschistisch eingestellte Renner wurde 1933 von der NSDAP als Leiter der «Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker» abgesetzt und verhaftet.

Diese normale, gar flauschig-weiche Wohlfühlwelt macht die rechten und rechtsextremen Parteien für die ganze Familie wählbar, und man kann sich sogar eine rechtspopulistische Partei in den Farben des Barbiefilms vorstellen, so catchy und lovely kommt einem der Nazismus mittlerweile entgegen. Alle können dabei mitmachen, es gibt schliesslich eine Bundesvereinigung Juden in der AfD e. V., und die lesbische Kanzlerkandidatin Alice Weidel sagte schon 2017, die AfD sei «die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland». Ganz volksparteimässig reicht man 22-Prozent-haltend allen die Hand, so wird auch die Homophobie oder der politisch und gesellschaftlich lange unterdrückte Rassismus in der AfD nicht mehr als Sünde verstanden, man gibt sich tolerant und modern. Incel-inside.

Es ist Wahljahr in der Schweiz, und der Klimawandel mit seinen intoleranten Linken und 200 Grad heissen Innenstädten (und ebenso heissen Waldbränden) ist im politischen Kontext längst kein Thema mehr («voll 2019»); die Latte legen die das Staatswesen zerlegenden Regierungen in Ankara, Jerusalem, Budapest, Moskau und Sonneberg (S.-Anhalt), denen man endlich zujubelt und die in der Politmode 2023 auch hier lustvoll imitiert, neu interpretiert, neu arrangiert, ja kühn dekonstruiert und wieder anders zusammengefügt werden, nachdem sie jahrelang von den dunklen Kräften («Harry Potter») schlechtgeredet wurden. Endlich werden wichtige Stimmen gehört und in unseren SonntagsZeitungen (Logo: Futura) im Feuilleton behandelt, wie der lange in den Untergrund gedrängte gesundheitspolitische Twittsteller und Freiheitskämpfer Nicolas A. Rimoldi («Twittler heisst jetzt Twixler») aus Braunau (Hinterschweiz). Alle anderen Schweizer Politiker:innen sind noch in den Ferien.

Ruedi Widmer ist Grafiker und hat schon mit der Futura gearbeitet, als die AfD noch in die Hundekrawatten schiss.