Sachbuch: Widerstand gegen das iranische Regime

Nr. 39 –

Buchcover von «‹Unser Schwert ist Liebe›. Die feministische Revolte im Iran»
Gilda Sahebi: «‹Unser Schwert ist Liebe›. Die feministische Revolte im Iran». S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2023. 256 Seiten. 30 Franken.

Da ist etwa die Grundschülerin Tiam, die in einer kurdischen Stadt im Westen des Iran lebt. Als ihr Vater verhaftet wird, setzt sie sich vor das Gerichtsgebäude der Stadt und schreibt auf ein Blatt: «Tiam ist seit einem Tag nicht zur Schule gegangen.» Die Aktion will sie durchziehen, bis ihr Vater wieder in Freiheit ist. Zwei Wochen dauert es, bis das kleine Mädchen von den iranischen Revolutionsgarden gewaltsam vertrieben wird.

Aufgeschrieben hat ihre Geschichte die iranisch-deutsche Journalistin und Autorin Gilda Sahebi im Buch «‹Unser Schwert ist Liebe›». Die verschiedenen, meist von Sahebi selbst verfassten Beiträge beleuchten primär die Zeit seit Beginn der aktuellen Revolte im Iran im September 2022 bis zum Januar dieses Jahres. Sahebi schildert nahe an den Betroffenen und ihren Familien die unfassbare Brutalität der Festnahmen, der Haftbedingungen, der Hinrichtungen. Und sie streicht wichtige Eckpunkte dieser Zeit heraus: den «blutigen Freitag» in der Provinz Sistan und Belutschistan, einer der ärmsten Regionen des Iran; den Brand im Evin-Gefängnis Mitte Oktober; den militärischen Angriff auf die kurdischen Gebiete Mitte November; den Generalstreik vom 5. bis 7. Dezember; und den ersten Vollzug der Todesstrafe am 8. Dezember an einem Protestteilnehmer, dem 23-jährigen Mohsen Schekari.

Sahebi zeigt die Repression, aber auch den unglaublichen Kampfgeist der Frauen und der Jugend und die Kraft der Solidarität. Sie verschafft damit der in der Islamischen Republik bislang beispiellosen Protestbewegung Sichtbarkeit und macht die vielen Iraner:innen ausserhalb des Landes bekannt, die sich vielfältiger Widerstandsformen bedienen, um ihre Ablehnung des Regimes und seiner rigiden gesellschaftlichen Regeln kundzutun. Die Namen, die Sahebi in ihrem Buch nennt, regen oft dazu an, die Spuren dieser Menschen weiterzuverfolgen. Schade nur, dass die Texte teilweise etwas dramatisierend wirken, etwa wenn sie beschriebene Grausamkeiten doppelt und dreifach verurteilt, obwohl diese eigentlich schon für sich sprechen.