Sachbuch: Baranoff und der Leuchtturm

Nr. 43 –

Buchcover von «Die Kaserne wird zivil. Militär und Volk in Frauenfeld»
Stefan Keller, Johannes Stieger (Hrsg.): «Die Kaserne wird zivil. Militär und Volk in Frauenfeld». Rotpunktverlag. Zürich 2023. 207 Seiten. 42 Franken.

Der Einstieg ist interessant, aber zuweilen etwas streng: «Die beiden mit den Risaliten des Hauptbaus fluchtenden Flügel sind niedrige breitgelagerte Fachwerkbauten», heisst es im eröffnenden Beitrag zur Architektur der Stadtkaserne Frauenfeld. Doch diese ist damit nicht abschliessend beschrieben – das beweist der elegant gestaltete Sammelband «Die Kaserne wird zivil».

1863 wird sie gebaut, danach verbringen unzählige Schweizer Männer viel Zeit in der Kaserne. Jetzt ist Schluss, die Armee zieht aus; die Liegenschaften sollen, wie Stadträtin Andrea Hofmann Kolb im Nachwort zitiert wird, zum zivilen «Leuchtturm im Thurgau» werden. Das Projekt «Markt Thurgau», im Juni mit zwanzig Millionen Franken von den Stimmberechtigten alimentiert, möchte die Militäreinrichtung für die Bevölkerung öffnen.

Zeit für einen Blick zurück, finden die Herausgeber Johannes Stieger und Stefan Keller – und präsentieren ein unterhaltsames Potpourri. Es geht um Konserven und Wäschesäcke, um Beizen («an der Flasche exerzieren») und Pazifismus. Insgesamt versammelt der Band vierzehn Beiträge, dazwischen Fotografien und Anekdoten aus 160 Jahren. Zu Wort kommen zwei Oberste, von Soldaten stammen die Postkarten – aus dem Archiv von WOZ-Autor Keller – der zweiten Bildstrecke.

Im Übrigen geht es aber kaum um den eigentlichen Betrieb in der Truppenunterkunft. So wird das Buch nicht zum militärischen Erinnerungsstück, sondern begreift die Kaserne mitten in der Stadt als Ausgangspunkt für vielfältige und weitgefasste Exkursionen. Die Historikerin Elisabeth Joris etwa erkundet das «weibliche Hinterland» der Wehrmänner; ohne die Arbeit der Frauen hätte die Schweizer Armee nicht funktioniert. Faszinierend der Bericht über einen analogen Schiesssimulator – der «legendäre» Baranoff, der über 120 Quadratmeter Platz benötigte und in Frauenfeld bis 1978 fünfzig Jahre lang im Einsatz war. Und «mit beträchtlichem Aufwand, was die nötige Restaurierung betrifft», auch wieder genutzt werden könnte.

Ob mit oder ohne Baranoff, die Kaserne wird in den nächsten Jahren zum «offenen Ort für alle», hofft Hofmann Kolb. Sehr gut! Aber was genau sind Risaliten?  

Anlässlich von «Zürich liest» sprechen Stefan Keller und Hannes Lindenmeyer über die Kasernen in Frauenfeld und Zürich. Do, 26. Oktober 2023, 19.30 Uhr, Hochparterre Bücher, Schöneggstrasse 27. Reservation unter info@rotpunktverlag.ch.