Auf allen Kanälen: Wer darf was sagen?
Wegen eines Podcasts über den Nahostkonflikt hat der Kanton Bern dem Onlineportal «Baba News» Gelder gekürzt. Doch für eine kontroverse Debatte über den Krieg sollte es Platz haben.
Nicht weniger als «ein neues Bild der Schweiz» schafft «Baba News». So titelte jedenfalls der «Tages-Anzeiger» in einer respektvollen Würdigung anlässlich des Fünf-Jahr-Jubiläums vor einem halben Jahr. Vor ein paar Tagen nun vermeldete dieselbe Zeitung: «Ein Integrationsprojekt gerät in Schieflage». Der Kanton Bern zog seine Finanzierung für ein Projekt zurück, und in verschiedenen Kantonen sind Vorstösse hängig, um «Baba News» die Unterstützung zu entziehen. Was dazwischen liegt: ein paar Posts auf Instagram und ein Podcast zum neu ausgebrochenen Krieg in Nahost.
«Baba News» ist ein Medium für die Schweiz der Einwander:innen: migrantische Perspektiven, Stimmen und Lebenswelten, die in den meisten Medien nur verzerrt vorkommen. «Wir möchten die Realität vielfältiger abbilden, als dies normalerweise getan wird», sagte Chefredaktorin Albina Muhtari dem «Tages-Anzeiger». Mittlerweile sagt Muhtari gar nichts mehr, jedenfalls nicht der WOZ. Mehrere Anfragen laufen ins Leere. Auf X ist Muhtari noch aktiv und teilt laufend Beiträge, um Verbrechen der israelischen Seite zu belegen. Wer sich ins Getümmel stürzt, wird manchmal von diesem verschluckt.
Bei Geldgebern denunziert
Der Podcast, der «Baba News» nun einen veritablen Shitstorm besorgt hat, will genau das tun, was Muhtari fordert: einen Blickwinkel einnehmen, der aus der Sicht des Portals keinen Platz erhält, seit dem 7. Oktober und dem Massenmord der Hamas an Bewohner:innen Israels. Dass es nämlich legitim sei, die «israelische Besatzungs-, Kolonial- und Apartheidpolitik» zur Kontextualisierung des Massakers der Hamas («Töten von Zivilisten») heranzuziehen. Ein entsprechender Post auf Instagram hatte die ganze Kontroverse ausgelöst. Social-Media-Trolle schrien sofort «Antisemitismus!», und sie denunzierten «Baba News» bei jenen Institutionen, die die Arbeit der Redaktion oder einzelne Gefässe mit ein paar Tausend Franken unterstützen. Die Seite, auf denen die Partner:innen aufgelistet sind, hat «Baba News» unterdessen vom Netz genommen, damit der Druck auf diese nicht noch weiter steigt.
Im Podcast, der am 17. Oktober publiziert wurde, geht es um die Einseitigkeit der aktuellen Berichterstattung, um das Missachten palästinensischer Interessen und Opfer, um rassistische und kolonialistische Denkmuster. Aber nicht nur das: «Man stürzt sich auf uns, weil es grundsätzlich darum geht, wer den Diskurs führen darf», halten Albina Muhtari und die stellvertretende Chefredaktorin Merita Shabani im Podcast fest. Muslimischen Menschen würde stets vorgehalten, sie seien voreingenommen. Auch wenn sich diese in ihrer Argumentation aufs Völkerrecht, auf Berichte von Amnesty oder auf Uno-Resolutionen berufen würden. «Der Mainstream darf bestimmen, was rechtmässig ist und was nicht.»
Kein Shitstorm für Müller
Bald darauf erhielten Muhtari und Shabani Recht in ihrer Kritik. «20 Minuten» schreckte die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) auf, die zwar zum Schluss kam, der einstündige Podcast sei «einseitig und voreingenommen». Bemerkenswert ist aber schon die Tatsache, dass die EKR, die bislang nicht als Beobachterin der Schweizer Medien aufgefallen war, sich des Falls annahm. Auffallend auch, dass von der EKR nichts zu hören war, als am letzten Samstag Patrik Müller, Superchefredaktor beim reichweitenstärksten Schweizer Medienverbund CH Media, ein deutliches Beispiel für Voreingenommenheit und Einseitigkeit lieferte. Müller hatte gefordert, es müssten nun überall Israelfahnen hängen. Genauso wie nach dem Überfall der Ukraine viele ukrainische Fahnen zu sehen waren. «Es geht wieder um dasselbe: darum, auf der Seite der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte zu stehen.» Dass Israel nicht nur im Gazastreifen tausendfach Menschenrechte verletzt – keine Rede davon.
Ein Shitstorm über seinen hochproblematischen Text blieb aus. Das ist in Ordnung. Mit einer Verengung der Debatte zu Kontext und Rezeption des Nahostkriegs ist niemandem gedient. Ausser all jenen, die Eindeutigkeit behaupten, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Auch der Podcast von «Baba News» hat locker Platz in dieser Debatte. Er hat keine antisemitische Schlagseite.