Sachbuch: Was Klasse meint
In der deutschsprachigen Öffentlichkeit war es – ausserhalb der Linken – lange geradezu verpönt, von «sozialen Klassen» zu sprechen. Das hat sich geändert, nicht zuletzt durch die angelsächsische Debatte; vor allem «Klassismus» ist heute in aller Munde. Doch dabei bleibt häufig unklar, was mit «Klasse» eigentlich gemeint ist. Das nun auf Deutsch veröffentlichte Einführungsbändchen des 2019 verstorbenen US-Soziologen Erik Olin Wright bietet einen hervorragenden Überblick über die wichtigsten Ansätze der Klassenanalyse.
Wright unterscheidet in seinem Text, der ursprünglich 2009 in der «New Left Review» erschien, drei Hauptströmungen: Klasse könne über «individuelle Attribute», den Mechanismus der «Chancenhortung» oder über Ausbeutungsverhältnisse definiert werden. Stehen wie etwa bei Pierre Bourdieu individuelle Attribute im Mittelpunkt, wird der Blick darauf gerichtet, welche Verhaltensweisen soziale Hierarchien aufrechterhalten. Wer zu den oberen Schichten gehören will, muss etwa distinguiert reden und speisen können. Ein Beispiel für Chancenhortung, wie sie Max Weber skizziert, wäre das Bemühen einer qualifizierten Mittelschicht, ihren Bildungsvorsprung zu behaupten, indem sie Kinder aus Arbeiter:innenfamilien von besseren Schulen fernhält. Der von Karl Marx geprägte Begriff der Ausbeutung hingegen verknüpft die Klassen in ihrer Existenz miteinander: Die einen sind oben, weil sie die anderen ökonomisch ausbeuten.
Wright plädiert in seinem Text dafür, die unterschiedlichen Ansätze zu kombinieren. Für die USA kommt er so zur Unterscheidung von fünf sozialen Klassen. Die beiden prekärsten setzen sich dabei vor allem aus «rassifizierten Minderheiten» zusammen.
Wer über Ungleichheit und Machtverhältnisse sprechen will, kommt um den Begriff der Klasse nicht herum. Doch die Debatten sind bis heute von holzschnittartigen Vereinfachungen dominiert. Wrights Buch vermittelt eine gute Grundlage, um differenziert erklären zu können, wie Gesellschaften sozial gespalten werden.