Das gute Leben: Happy Birthday, «bolo’bolo»!

Nr. 46 –

Ich fand das Buch in der Gemeindebibliothek. Klein, schwarz, voller unbekannter Wörter und seltsamer Zeichen. Es schien sich um einen Geheimplan zu handeln – inklusive Geheimsprache. Ich begann zu lesen, war irritiert, aber konnte nicht mehr aufhören. Ich war vierzehn und hasste meine Kleinstadt leidenschaftlich. Dass auch der Autor des Buches hier aufgewachsen war, erfuhr ich erst viel später.

Ein Plan ist «bolo’bolo» tatsächlich – für ein besseres Leben in selbstorganisierten Kollektiven, die Geld, Staat, Kapitalismus hinter sich gelassen haben. Aber es fehlt ihm der naive, verkrampfte Optimismus vieler solcher Pläne. Der anonyme Zürcher Autor P. M. hält die «ibus» (Menschen) für «unzuverlässig, paradox und pervers». Das Beste wäre es, «sich sofort ins wohlige Nichts zurückzuziehen». In «bolo’bolo» hat denn auch jede:r Anrecht auf eine Selbstmordpille. Man merkt, dass das Buch 1983 erschien, als die Achtzigerbewegung am Ende war.

Aber gerade weil P. M. die Welt nicht versimpelt, um sie einer Ideologie anzupassen, ist «bolo’bolo» so gut. Ein klug durchdachter Plan, der aber immer wieder abschweift, sich in verspielten Details verliert, etwa zu kulinarischen Genüssen oder den Philosophien, die in den «bolos» gelebt werden (von «Les-bolo» über «Marl-bolo», «Paläo-bolo» und «Maso-bolo» bis «Sparta-bolo»).

Er habe eine eigene Sprache und Symbolik erfunden, «weil die Terminologie der europäischen Linken nicht mehr brauchbar war», sagte der Autor später in einem Interview. «Bolo’bolo heisst ja eigentlich nichts anderes als Kommunismus.» P. M. schrieb noch viele Abenteuerromane über seine Zukunftsvision. Und outete sich irgendwann als Hans Widmer, Gymnasiallehrer. Er initiierte die Zürcher Wohnbaugenossenschaft Kraftwerk 1 und den Verein Neustart Schweiz mit – zwei Versuche, die «bolo»-Welt konkret werden zu lassen.

Am Mittwoch, dem 22. November, wird «bolo’bolo» vierzig Jahre alt. Die Feier der Jubiläumsausgabe findet in der Zürcher Buchhandlung Paranoia City statt.