UNRWA: Fürsprecherin in Bedrängnis
Die israelische Kampagne gegen das Uno-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge schadet der geschundenen Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Erneut ist das Hilfswerk der Uno für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) scharfer Kritik seitens der israelischen Regierung ausgesetzt: Unter dem Hauptquartier der UNRWA in Gaza ist ein Tunnelsystem entdeckt worden, das der Hamas als Kommunikationszentrale gedient haben soll. Die UNRWA habe von diesem Tunnelsystem gewusst und es geduldet.
Bereits im Januar hatte Israel einzelne UNRWA-Mitarbeiter:innen beschuldigt, in das Massaker vom 7. Oktober verwickelt gewesen zu sein. Verschiedene Staaten wie die USA, Deutschland und Grossbritannien hatten daraufhin die Unterstützungszahlungen an die UNRWA sistiert. Nach der Entdeckung der Schächte fordert Israel nun weitreichende Restriktionen gegen die Organisation – unter anderem die Absetzung des UNRWA-Generalkommissars Phillippe Lazzarini sowie finanzielle Beschränkungen. Das wäre fatal: Eine Verknappung der Ressourcen der UNRWA käme einer weiteren Verschlechterung der humanitären Situation der Palästinenser:innen gleich, die aktuell ohnehin schon desaströs ist.
Zeitgleich mit den neusten Anschuldigungen gegenüber der UNRWA hat die israelische Armee zu Beginn dieser Woche eine Offensive im Süden des Gazastreifens gestartet, den sie bis vor kurzem noch als «Safe Zone» deklariert hatte. Damit setzt sie ihre Angriffe fort, bei denen laut dem Gesundheitsministerium Gazas inzwischen über 28 000 Menschen getötet und mehr als 67 000 verletzt wurden. Laut der Uno drohen der Zivilbevölkerung Seuchen und eine Hungersnot. Die verbliebenen wenigen Hilfslieferungen, die generell von der UNRWA koordiniert werden, erreichten die Zivilbevölkerung bis vor kurzem noch über die Stadt Rafah. Ausgerechnet diese hat die israelische Armee mit der aktuellen Offensive nun ins Visier genommen.
Die UNRWA wurde 1949 von der Uno mit dem vorläufigen Ziel installiert, Hilfeleistungen für vertriebene Palästinenser:innen zu koordinieren. Der Begriff Hilfswerk trifft deren Bedeutung aber längst nicht mehr. In den letzten Jahrzehnten hat die UNRWA unzählige parastaatliche Aufgaben innerhalb der palästinensischen Gesellschaft übernommen: von Schulbildung und medizinischer Grundversorgung bis hin zu humanitärer Hilfe oder der Vergabe von Krediten für Unternehmen. Die Arbeit der UNRWA beschränkt sich also längst nicht mehr auf das Errichten und Instandhalten von Camps für geflüchtete Palästinenser:innen, sondern reicht bis tief in das alltägliche Leben der Menschen.
In ihrer täglichen Arbeit im Gazastreifen kommt die Organisation so unweigerlich in Berührung mit der Hamas, die ja nicht alleine aus einem militärischen Arm besteht, der Terroranschläge verübt: Die Hamas ist im Gazastreifen politische Macht und gesellschaftliche Instanz, ist verantwortlich für die Schulbildung und soziale Dienste, präsent mit Medien und in den Moscheen. Als Verwaltungsbehörde ist sie entsprechend auch Ansprechpartnerin für die UNRWA. Die Vorstellung, diese dürfe nicht in einem Austausch mit der Hamas stehen, ist angesichts der gesellschaftlichen und örtlichen Verhältnisse realitätsfern.
Klar ist: Es braucht die UNRWA angesichts der fortdauernden israelischen Angriffe dringender denn je. Denn die grundlegenden Rechte der palästinensischen Zivilbevölkerung werden von allen beteiligten Kriegsparteien missachtet und mit Füssen getreten. Auch für Staaten, die sich gerne als Freund:innen der Palästinenser:innen inszenieren, wie beispielsweise der Iran oder die Türkei, sind die tatsächlichen Interessen der Palästinenser:innen zweitrangig. Die UNRWA ist dagegen eine der wenigen Fürsprecherinnen der Palästinenser:innen. Sie setzt sich für deren fundamentale Rechte ein und versucht, mit ihren knapp 13 000 Mitarbeitenden dafür zu sorgen, dass die existenziellsten Bedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden.
Das Mandat der UNRWA wird seit 1949 alle drei Jahre erneuert. Der Status der UNRWA ist also schon seit Jahrzehnten bloss vorläufig. So gesehen geht es ihr wie der palästinensischen Zivilbevölkerung: Sie befindet sich in stetiger Unsicherheit.