Rechtsextremismus: Ein heimisches Problem
Die Schweiz will ihre rechtsextremen Strukturen partout nicht wahrhaben.
Die Falle ist wieder einmal zugeschnappt. Fast alle Schweizer Medien berichteten über den angekündigten Vortrag eines rechtsextremen Aktivisten aus Österreich, den die Polizei am Samstag in letzter Sekunde verhindert hatte. In unzähligen Berichten wurde der Neonazi daraufhin mit Namen genannt und auch der bewusst verharmlosende Begriff wiedergegeben, mit dem dieser eine faschistische ethnische Säuberungsfantasie propagiert. Der Punkt ist: Der geplante Vortrag im aargauischen Tegerfelden war eigentlich bedeutungslos. Viel wichtiger ist, dass breit über den Naziaktivisten und seine Bewegung berichtet wird – mit konkreten Namen, Begriffen und Ideologien. Ihrem Framing. Genau das ist einmal mehr gelungen.
Nicht hinterfragtes Narrativ
Aber wie liesse sich das verhindern? Die Antwort ist simpel: indem endlich ein Problembewusstsein geschaffen wird. Auch in der aktuellen Berichterstattung kommen der Rechtsextremist und seine Ideologie von aussen, als importiertes Problem – eingereist über den Bodensee und polizeilich rasch wieder abgeführt. Diese Darstellung ist falsch. Vorbereitet – und gezielt auf Kamera festgehalten – hat die Inszenierung die rechtsextreme Schweizer Gruppe Junge Tat (JT), die mit neonazistischen Organisationen in Deutschland und Österreich im engen Austausch steht (siehe WOZ Nr. 50/22). Zudem waren gemäss Polizeiangaben rund hundert Personen vor Ort, um sich faschistisches Gedankengut anzuhören. Die braune Saat trifft auch hierzulande auf fruchtbaren Boden.
Die Schweiz hat ein Rechtsextremismus-Problem. Aber sie ignoriert es. Und hier kommt die SVP ins Spiel. Seit Jahrzehnten stellt sich die wähler:innenstärkste Partei als brave bürgerliche Kraft dar, patriotisch und eingemittet. Die meisten Medien und alle nichtlinken Parteien (inklusive GLP) übernehmen dieses Narrativ. Dabei tapeziert die SVP das Land regelmässig mit rassistischen Wahl- und Abstimmungsplakaten zu, und ihr designierter Parteipräsident will die Genfer Flüchtlingskonvention aufkündigen. Für viele extrem rechte Parteien in Europa gilt die SVP als grosses Vorbild, ihre rassistischen Sujets sind schon mehrfach praktisch unverändert übernommen worden. Aber noch immer wird die Partei im Schweizer Mainstreamdiskurs nicht dort verortet, wo sie programmatisch steht: extrem rechts.
Diese politische Verortung zeigt sich besonders deutlich an ihrem Umgang mit der Jungen Tat. In Hagenbuch, einem Dorf bei Winterthur, wo Teile der Gruppe leben und wo sie schon mehrmals Anlässe organisiert hat, traf sich erst letzte Woche der SVP-Gemeindepräsident mit der JT zu einer offiziellen «Aussprache», über die «Stillschweigen vereinbart» wurde. Letzten Herbst hat die JT den Nationalratswahlkampf der damaligen Winterthurer SVP-Präsidentin orchestriert.
Personelle und ideologische Nähe
Besonders eng sind die Beziehungen zur Jungen SVP. Ein führender JT-Aktivist war bis Ende 2023 Mitglied der Thurgauer Sektion. Die Aargauer Sektion wiederum schrieb am Wochenende auf Instagram von «einem schwarzen Tag für unsere Demokratie und die Meinungsfreiheit» und rief zur Solidarität mit dem österreichischen Neonazi auf, der in Grossbritannien und Deutschland wegen seiner Ansichten mit einem Einreiseverbot belegt ist. Eine Distanzierung der Mutterpartei blieb wieder einmal aus.
Die personelle und ideologische Nähe zur rechtsextremen Jungen Tat und ihren internationalen Verbündeten ist geduldet. Und solange die Mehrheit der Parteien und Medien diese Nähe und Zusammenhänge weiter ignoriert, bleibt die Schweiz jenes ruhige Hinterland, wo andernorts geächtete Neonazis offen unterstützt werden.