Film: Von Bildern erschlagen
Ein filmischer Stream of Consciousness: Menschen sind fasziniert von einer Camera obscura, Joseph Nicéphore Niépces erste fotomechanische Wiedergabe eines Hinterhofs von 1826 ist zu sehen, schliesslich der Übergang zum Bewegtbild mit Eadweard Muybridges chronofotografisch eingefangenen Pferden. Mit dem berühmten Zug der Brüder Lumière und mit Georges Méliès folgen zwei Pole der jungen Filmkunst: Während Erstere die Kamera als wissenschaftliches Instrument nutzten, verblüffte Letzterer mit Zaubertricks mittels Bildmanipulation.
In «And the King Said, What a Fantastic Machine» erzählen die Regisseure Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck eine Evolutionsgeschichte vom ersten Foto bis in unsere von (bewegten) Bildern erschlagene Gegenwart. Gelegentlich eingeordnet durch einen Off-Erzähler, funktioniert ihre irre assoziative Montage gerade in der ersten Hälfte als heraus- und überfordernder Bilderreigen.
Schnell verlieren die Bilder ihre Unschuld. «Der Mangel an Perspektiven kann zu einer verzerrten Darstellung der Welt führen», sagt jemand, und es wird deutlich, wie Inszenierungsstrategien die Wahrnehmung manipulieren und Filmbilder die Wirklichkeit gestalten. In einer Schlüsselsequenz erläutert Leni Riefenstahl begeistert die ästhetischen Tricks ihres NS-Propagandafilms «Triumph des Willens», und IS-Kämpfer basteln an einem Propagandavideo.
Mit Beginn des kommerziellen Fernsehens leitet «And the King Said, What a Fantastic Machine» in unsere Zeit von Instagram und Youtube über, in der nicht mehr nur Menschen Bilder formen, sondern Bilder Menschen. Gegenwärtig würden weltweit 500 Stunden Bildmaterial pro Minute veröffentlicht, heisst es. Daraus montiert das Regieduo ein Influencer:innengewitter mit Tiercontent und Livestreamern, die selbst schlafend online sind. Leider reflektiert der Film diese hochkomplexe Evolutionsstufe nicht, sondern kommt schliesslich selbst wie ein oberflächlicher Tiktok-Feed daher, der ebenjene inszenatorische Manipulation betreibt, die er kritisiert.