Auf allen Kanälen: Viele heikle Stellen
Am Anfang stand ein Impfgegner, der seinen Job verlor. Was danach passiert ist, wirft kein gutes Licht auf die Zürcher Justiz.
Die Coronapandemie hat eine Figur neu definiert, die bis dahin für politische Unterdrückung und den Widerstand dagegen stand: den Dissidenten. Verschwunden ist dieser bis heute nicht, auch wenn es längst keine Massnahmen zur Eindämmung des Virus mehr gibt. Es tauchen sogar neue Dissidenten auf, zum Beispiel der Webentwickler Milan Krizanek, der vor gut zwei Wochen auf Telegram und auf der Plattform X mehrere Videos veröffentlichte. Darin erzählt er von einem Gerichtsfall, in den er involviert war.
Krizanek sitzt auf den Aufnahmen in einem kahlen Raum vor einer schütteren Zimmerpflanze und schildert, wie er seine Stelle bei einer PR-Agentur verloren und danach wegen missbräuchlicher Kündigung geklagt hat. Sein Vorwurf: Er sei nicht wie vorgegeben wegen schlechter Leistung entlassen worden, sondern weil er sich nicht habe impfen lassen. Vor dem Zürcher Bezirksgericht einigten sich Krizanek und sein früherer Arbeitgeber auf eine Entschädigung von 1500 Franken und ein positiveres Arbeitszeugnis. Damit könnte die Geschichte erledigt sein – aber hier fängt sie erst richtig an.
Richterliche Drohgebärde
Denn Krizanek hat während einer Verhandlungspause heimlich Gespräche zwischen der Richterin und der Gerichtsschreiberin aufgenommen. In seinen Videos spielt er Ausschnitte davon ab. Tenor: Die Richterin spottet über Krizanek und seine Ansichten.
Was er da gehört habe, lasse ihm das Blut in den Adern gefrieren, kommentiert «Weltwoche»-Autor Alex Baur, der auf der Dissidentenpose eine ganze Karriere aufgebaut hat, die Aussagen der Richterin. Baur hat Krizaneks Geschichte aus den Kanälen der Coronaszene geholt und bewirtschaftet sie seither. Sein Artikel wurde nach der Veröffentlichung auf Antrag der Richterin vom Bezirksgericht Meilen per superprovisorischer Massnahme gestoppt. Zuvor hatte schon die Pressestelle des Zürcher Obergerichts – das in den Fall gar nicht involviert ist – interveniert und die Löschung des Artikels verlangt. Ein übermotivierter Eingriff der Behörde. Aber nur eine heikle Stelle in der ganzen Angelegenheit.
Nicht zu bestreiten ist, dass sich Krizanek mit Aufnahme und Veröffentlichung der richterlichen Unterhaltung strafbar gemacht hat. Das Strafgesetz ist dazu eindeutig. Er kann auch schwerlich behaupten, durch die Aufnahme ein Komplott oder eine Straftat aufgedeckt zu haben und damit Whistleblower zu sein. Zwar wirkt die Richterin in den – selektiv ausgewählten – Gesprächsmitschnitten tatsächlich voreingenommen, aber letztlich hat sie eine Entschädigung zu seinen Gunsten vorgeschlagen, also ein Fehlverhalten des Arbeitgebers identifiziert – und Krizanek hat dem Vorschlag zugestimmt.
Anders zu bewerten ist der Durchgriff der Justiz auf die Medien, in diesem Fall auf die «Weltwoche». Problematisch ist, dass Baur die Richterin, wie er selber angibt, erst nach Publikation seines Artikels um eine Stellungnahme bat. Noch problematischer ist allerdings die superprovisorische Massnahme. Verhängt werden darf diese nur bei einem drohenden «besonders schweren Nachteil» für die Betroffene durch die Veröffentlichung.
Doch da hatte die Geschichte längst die Runde gemacht. Als das Bezirksgericht die «Weltwoche» zur Löschung zwang, hatte etwa Baurs alter Kollege Rico Bandle bei der «SonntagsZeitung» ausführlich über den Fall berichtet. So bleibt der Eindruck einer Strafaktion gegen die «Weltwoche» – und einer richterlichen Drohgebärde gegen andere Medien.
Mehr Transparenz
Bleibt die Frage, ob die Beratungen des Gerichts nicht generell ans Licht der Öffentlichkeit gehören. Die Antwort: unbedingt. Wer Urteile fällt (oder Vergleiche vorschlägt), soll seine Argumente transparent und nachvollziehbar machen müssen. So handhabt es übrigens das Bundesgericht, das wichtige Urteilsberatungen sogar filmisch festhält. Das dient auch dem Schutz derjenigen, über die gerichtet wird.
Erinnert sei an die «Nazifrei»-Prozesse, wo das Basler Strafgericht verdeckt eine einheitliche Straflinie festgelegt hatte. Nachdem die WOZ die illegalen Absprachen publik gemacht hatte, ordnete das Bundesgericht die Aufhebung zahlreicher Urteile an. Die «Weltwoche» und all die anderen rechten Justizkritiker:innen interessierte dieser veritable Gerichtsskandal übrigens nicht.
Kommentare
Kommentar von jk001WOZ
Fr., 24.05.2024 - 09:37
Ist die Richterin jetzt vom BG Zürich oder vom BG Meilen. Eine kleine Unschärfe im Text !
Kommentar von renatobeck
Mo., 27.05.2024 - 18:55
Die Richterin ist Richterin am BG Zürich, aber die Massnahme kam vom BG Meilen. Ganz herzliche Grüsse!
Kommentar von bruno weideli
Mo., 27.05.2024 - 18:37
In anbetracht der nicht belegten vorwürfe des arbeitgebers ist dieser vergleich nur ein lächerlicher kompromiss zu gunsten des arbeitgebers.
Das verhalten des AG ist eine schande.
Die äusserungen der richterin während der beratung zu diversen punkten sind mehr als fragwürdig.
Das urteil ein geschenk an den AG
Die zensurversuche seitens der justiz eine frechheit.
Das OG müsste eigentlich anhand der äusserungen der richterin auch zu bundesgerichturteilen mal das gespräch mit dieser richterin suchen