Auf allen Kanälen: Was ist eigentlich eine Pressingfalle?

Nr. 27 –

Während Schweizer Fussballpodcasts eher plaudernde Männerrunden sind, zeigt der «Rasenfunk», wie sich das Phänomen von links aus angehen lässt.

stilisiertes Logo des Fussballpodcast «Rasenfunk»

Fussball ist eine zwiespältige Angelegenheit: einerseits Big Business inklusive korrupter Verbandsfunktionär:innen, grössenwahnsinniger Investoren und Vereinspräsidenten, die Sportswashing betreiben und noch aus jedem Quadratmillimeter Rasen Profit pressen wollen. Andererseits weist Fussball als Spiel in seinen besten Momenten den Weg aus der Misere: Eine Ballstafette, kollektiver Organisation und individueller Klasse entsprungen, lässt in ihrer Ästhetik aufscheinen, was in einer solidarischen Gesellschaft möglich wäre.

Dieser Ambivalenz nimmt sich auch der deutsche Fussballpodcast «Rasenfunk» an, der 2014 vom Sportjournalisten und Germanisten Max-Jacob Ost gegründet wurde. Ost und seine Gäste (gut die Hälfte davon weiblich) leuchten die Auswüchse der Kommerzialisierung und Gentrifizierung des Fussballs kritisch und in aufklärender Absicht aus. In der aktuellen Folge der Rubrik «Tribünengespräch» erfährt man zum Beispiel von den Knebelverträgen, die die Spielstätten bei der Europameisterschaft in Deutschland mit der Uefa abschliessen mussten. Überhaupt ist das «Tribünengespräch» der Ort im «Rasenfunk», wo über den Spielfeldrand hinausgeblickt wird: In einer Folge beleuchtet Ost die strukturellen Voraussetzungen von häuslicher Gewalt im Profifussball, in einer anderen wird über die Schattenwirtschaft im Amateurbereich gesprochen.

Fussball als ganzheitliches System

Bei den Spielbesprechungen stehen die deutsche Frauen- und die Männerbundesliga im Fokus. Auch bei internationalen Grossturnieren des Frauen- und Männerfussballs – auf allen Kontinenten – geht es im «Rasenfunk» hoch her. In der Rubrik «Ligatour» wiederum kommen Fans internationaler Ligen auf ihre Kosten: Expert:innen analysieren die Lage von Vereinen abseits des Scheinwerferlichts. Wer die immer gleiche Leier über Grosskonzerne wie Real Madrid hören will, ist beim «Rasenfunk» definitiv auf der falschen Frequenz.

In den Analysen wird das einzelne Spiel als etwas Systemisches begriffen, das in seinen Verflechtungen weit über die individuelle Leistung hinausreicht. Dementsprechend unterhält sich der wortspielvernarrte Ost mit seinen Gästen vor allem über Taktik. Gegenstand der Kritik ist dann etwa der zu tiefe Spielaufbau des einen Teams, gelobt wird das konsequente Verschieben im Block im Angriffsdrittel des anderen.

Hinter dem «Rasenfunk» steht kein Medienhaus; auf Werbung oder eine Paywall verzichtet Ost. Der Podcast finanziert sich einzig über Beiträge aus der Community. Mittlerweile ist das Spendenaufkommen so hoch, dass Ost allein von seiner Sendung leben und seinen Gästen anständige Honorare bezahlen kann. Auch Ansätze von Graswurzeljournalismus finden sich: Ost hat ein Forum eingerichtet, in dem er um Inputs bittet und aus dem er immer wieder einzelne Beiträge von Hörer:innen in die Sendungen einfliessen lässt.

Bürgerliche Schweiz

Im Gegensatz zum «Rasenfunk» geht es in der Schweizer Männerwelt der Fussballpodcasts bürgerlich zu und her. Ob bei «Sykora Gisler» (SRF), «Dritte Halbzeit» (Tamedia) oder im «Zweikampf»: «Bromance»-Vibes überall, es wird polemisch kritisiert oder überschwänglich gelobt. Das Heitere kippt zuweilen ins Selbstgefällige, gelegentlich blitzen aber auch punkige Momente auf: Vor allem in «Sykora Gisler» werden tradierte Stammtischparolen zur Fussballwelt subversiv unterlaufen, der «Zweikampf» besticht durch reflektierte Einschätzungen zur Subkultur der Fankurven. Längst etablierte Begrifflichkeiten aus der Taktikanalyse wie «Pressingfalle», «Halbraum» oder «Deckungsschatten» hingegen scheinen bei den meisten hier noch immer Fremdwörter zu sein. Stattdessen wird personalisiert und psychologisiert – als wäre Fussball ein Einzelsport. Das ist zwar meistens amüsant und unterhaltsam, aber neue Einsichten über das Spiel als solches stellen sich partout nicht ein.

In Sachen Frauenfussball hat sich hierzulande in den vergangenen Monaten eine Alternative etabliert: Der Podcast «Steilpass» (Moderation: Sarah Akanji) hat illustre Gäste – zuletzt etwa die siebzehnjährige Nationalspielerin Noemi Ivelj –, widmet sich Themen wie «Fankultur» oder «gesundheitliche Aspekte des Spitzensports» und bietet vertiefte Einblicke in den Schweizer Frauenfussball. Und das alles herrlich unaufgeregt.