Wichtig zu wissen: Titel mit Taylor Swift

Nr. 28 –

Ruedi Widmer will, dass das gelesen wird

Die Strassensperrungen für Taylor Swift in Zürich erinnern mich an vergangene Zeiten. Nämlich an jene am letzten Wochenende in Moskau, als man dort die Strassen für Roger Köppels Staatsbesuch bei Wladimir Putin absperren liess.

Taylor Swift (zzt. Zürich) ist wie ein Delfin. Sie ist total beliebt, wird aber oft in kulturell akademisierten Bevölkerungssegmenten nicht ganz ernst genommen.

Der Fisch Delfin wird in gewissen Kreisen (bei Satirikern und Linken ist mir das schon aufgefallen) geradezu gehasst, was ich nicht verstehe, aber manche finden Delfine offenbar kitschig und nervig. Weil sie für kitschige Poster und Glasbläsereien posieren, sich in tierwohlfremden Delfinarien aufhalten oder sich an unmoralische Kreuzfahrtschiffe oder Jachten anhängen, um die gut betuchte Upperclass zu beglücken. Dann gibt es noch die Geschichten, Delfine seien eigentlich böse und ihr Lächeln falsch. Das erinnert mich an die neurobiologisch herausgeforderten Menschen, die behaupten, Taylor Swift sei eine Hexe. Aber manche sind wohl einfach neidisch, weil die gescheiteren Delfine um einiges intelligenter sind als die dümmeren Menschen.

Gerade das, mit verächtlicher Absicht zu sagen, der Delfin sei ein Fisch – was sogleich von den als «einfache Gemüter» geltenden Delfinfans wissend mit «stimmt eben genau nicht, er ist ein Säugetier» korrigiert wird –, ist typisch für die urbane Ironieska, die sich der ehrlichen Landbevölkerung überlegen fühlt («stimmt eben genau nicht», sagt nun die urbane Ironieska, ganz unironisch aufgebracht).

Die Ananas ist der Delfin der Früchte. Auch sie ist heute einer immerwährenden Hatz ausgesetzt, weil sie auf hawaiianischen Pizzen vorkommt, wo sie – augenverdreh – nicht hingehört, oder sich im Riz Casimir suhlt, und Riz Casimir ist ja nur eine schweizerische kulturelle Aneignung Asiens aus den siebziger Jahren. Doch die Ananas hat die Schweizer:innen mit einfacher Süsse gelehrt, dass es noch mehr als nur Kartoffeln gibt, dass die Welt hinter Lugano weitergeht. Ohne akademischen Dünkel – sondern mit einfacher Exotik. Und durch ihr etwas lustiges Aussehen wurde sie vom Volk sofort geliebt, ein bisschen wie Peach Weber.

Doch so wie dem wesentlich tiefgründigeren Peach Weber eine Oberflächlichkeit angedichtet wurde, so symbolisiert auch die Ananas für den modernen Achtsamkeitsgaumen bloss oberflächliches Sun and Fun. Wer wirklich etwas von Früchten versteht und heute trendet und nicht in den siebziger Jahren, isst Litschi, Stechpalmenfrucht, Durian, Vogelbeeren, noch knapp Mango.

Der Sekretär von Köppel, ein Ungar mit Namen Orbán, erinnert mich übrigens an Smithers, den Sekretär von Atomkraftwerkbesitzer Mister Burns in «The Simpsons».

Doch was wäre, wenn Köppel erfolgreich und dank ihm ein Frieden mit Putin möglich wäre? Vielleicht ist seine unkonventionelle Art erfolgversprechend, seine Freude und Begeisterung in Moskau ansteckend. Auch das Private ist politisch, heisst es doch. Die Politik zu privatisieren und dem Monopol des Staates zu entziehen, ist vielleicht der Weg der Zukunft.

Warum sollten nicht Privatpersonen wie Köppel bessere Abkommen erzielen als Bundesräte? Wenn ich einkaufen gehe, dann ist es einfacher, wenn ich das direkt mache, als wenn sich noch eine Politikerin einmischt. Oder wenn ich ins Bett gehe, muss ich auch nicht zuerst Präsident Biden oder so jemanden fragen, ob ich genug müde dafür bin. Nein, ich entscheide direktdemokratisch: Ich gehe jetzt ins Bett.

Die Welt könnte so einfach sein! Doch mir scheint, Köppel wird nicht zur Ananas. Die breite Schweiz wird seine Exotik nicht verstehen.

Ruedi Widmer isst die Ananas der Delfine.