Serie: Morbide Spiele
Sie umfasse den «Plot des gesamten bisherigen 21. Jahrhunderts», schrieb die britische Feministin Laurie Penny einst über die Fantasyserie «Game of Thrones». Das blutrünstige, von Machtkämpfen besessene Spektakel funktioniere wie «eine Aversionstherapie für die brutale Willkür der aktuellen Politik». Von dieser haben wir auch Jahre später mehr als genug. Aber gibt es auch eine Serie, die mit der nervenaufreibenden Entwicklung der Weltgeschichte Schritt halten kann?
Wer sich hilfesuchend an das Prequel zu «Game of Thrones» wendet, dessen zweite Staffel soeben zu Ende ging, dürfte enttäuscht werden. «House of the Dragon» kann mit der Komplexität von «Game of Thrones» nicht ganz mithalten – mit der Willkür der aktuellen Politik aber zumindest ansatzweise: Der jahrelang mit maximalen Schaueffekten vor sich hin siechende König Viserys Targaryen (Ähnlichkeiten mit Joe Biden sind nicht ganz vom schütteren Haupthaar zu weisen) ist bereits gegen Ende der ersten Staffel gestorben. Der Machtkampf um seine Nachfolge wütet weiter, die Welt von Westeros balanciert am Abgrund eines höllischen Kriegs. Regeln gibt es keine, weder vor Inzest noch vor Mordanschlägen auf die nächste Verwandtschaft wird zurückgeschreckt. Königin Rhaenyra (Emma D’Arcy, die eigentliche Entdeckung dieser Serie) muss sich nicht nur gegen Aufstände und Anschläge verteidigen, sondern auch gegen ständige Attacken auf ihr Geschlecht und ihre Fähigkeit, zu regieren.
Wer mag, kann Verbindungen zu unserer Gegenwart ziehen; wer das nicht will, darf aber auch eskapistisch in die Drachenkämpfe abtauchen. Wie so viele Serien inszeniert «House of the Dragon» die morbiden Symptome, die gemäss dem Marxisten Antonio Gramsci bei der Ablösung einer alten durch eine neue Ordnung entstehen. Beim Zuschauen reift der Gedanke, dass die Zertrümmerung des furchterregenden, aus Schwertern geschmiedeten eisernen Throns ein viel wirksamerer Befreiungsschlag wäre als der angestrebte Machtwechsel.