Sachbuch: «Umschliess meinen Schwanz!»

Scham, Unterdrückung und wie man sie überwindet: Wenn sich etwas durch die Kolumnensammlung «Fickt euch! Sex, Körper & Feminismus» zieht, dann ist es der Mut, mit dem die Autor:innen über Themen schreiben, die von anderen tabuisiert werden. In ihren Texten, die in den vergangenen Jahren im «Missy Magazine» erschienen sind, erinnern Queers und Frauen daran, dass die Scham, die sich um das sexuelle Begehren spannt, auch politisch ist.
Neben schonungslosen Selbstreflexionen finden auch konkrete Tipps ihren Platz: So erklärt Laura Méritt, Sexologin und Gründerin des ersten feministischen Sexshops Europas in Berlin, wie man aus den Fingern von Latexhandschuhen ein Zungenkondom basteln kann. Geschützt vor sexuell übertragbaren Krankheiten, kann so ein Anus geleckt werden. Die Kolumnist:in Isa Wreither gibt Ratschläge fürs Sexting und möchte Heteronormen aufbrechen, in denen die Frau dem Mann sagt «Nimm mich!» – stattdessen könnte der Mann auch schreiben: «Umschliess meinen Schwanz mit deinem Arsch!»
Lio Sitzberger veranschaulicht, dass patriarchale Normalität und queere Szene sich nicht so einfach trennen lassen. Wenn sich Queers in Butches, Mascs und Femmes unterteilen, reproduzierten sie in ihren alternativen Lebenswelten auch heteronormative Geschlechtsrollen.
Aus den in «Fickt euch!» versammelten Texten spricht vor allem das junge Berlin: Fomo, also das Gefühl, nichts verpassen zu wollen, Onlinedating, unverbindliche Beziehungen, der Durst nach Intensität und ein urbanes Setting bestimmen die Perspektiven, aus denen die Kolumnen geschrieben sind. Aber wie sieht sexuelle Befreiung dort aus, wo der Umzug in die anonyme Grossstadt finanziell gar nicht tragbar ist? Wie leben Queers und Menschen, die nicht in moralische Zwangsjacken gesteckt werden wollen, an konservativ geprägten Orten? Perspektiven aus der Provinz bleiben in dem Band unterrepräsentiert.