Auf allen Kanälen: Augen im Exil

Nr. 40 –

Chiang Mai im Norden Thailands ist zum Zentrum für Journalist:innen aus Myanmar geworden. Sie nehmen gefährliche Reisen in die Heimat auf sich, um über den dortigen Bürgerkrieg zu berichten.

stilisierte Landkarte mit den Umrissen von Myanmar

Mar Naw reist immer wieder in seine Heimat Myanmar, verbringt Wochen an Brennpunkten des Bürgerkriegs, dokumentiert mit seiner Fotokamera den bewaffneten Kampf seiner Landsleute gegen die Junta. Der Journalist lebt im thailändischen Chiang Mai im Exil. Beim Gespräch in einem Café war er gerade zurück aus den Regionen Mon und Tanintharyi im Süden Myanmars. «Ich war mit Einheiten der revolutionären Kräfte am Highway Nr. 8 unterwegs», erzählt der bärtige 29-Jährige. Der Highway ist Teil der wichtigen Handelsroute zwischen Thailand und den Hafenstädten in Myanmars Süden.

Bis zum Putsch im Februar 2021 arbeitete Mar Naw als Fotoreporter für die «Myanmar Times». Als sich die Herausgeber:innen des englischsprachigen Blatts dem Befehl der Generäle beugten, das Regime nicht «Junta» zu nennen, kündigte er zusammen mit dreissig Kolleg:innen unter Protest.

Gefährliche Arbeit

Für das Magazin «Frontier Myanmar», wo er nun angestellt ist, begann Mar Naw, den Kampf gegen die Junta mit seiner Kamera an vorderster Front zu dokumentieren. Seine Basis für die Zeiten zwischen den Einsätzen ist Chiang Mai. Die Stadt im Norden Thailands ist ein Zentrum für Exilmyanmar:innen und für von den Behörden stillschweigend akzeptierte Exilmedien wie «The Irrawaddy», «Mizzima», «Democratic Voice of Burma», «Frontier Myanmar» sowie für Blogs und Podcasts.

Wie Mar Naw reisen viele Exiljournalist:innen von hier nach Myanmar, berichten unter schwierigsten Bedingungen über den Bürgerkrieg, die Gräueltaten der Armee, das Leid der Zivilbevölkerung. «Das ist sehr gefährlich. Sie können jederzeit verhaftet oder umgebracht werden», sagt der US-Journalist Danny Fenster. Er spricht aus eigener Erfahrung: Kurz nach dem Putsch 2021 wurde Fenster, als Redaktor von «Frontier Myanmar», in Yangon verhaftet. Gut acht Monate musste er unter menschenunwürdigen Bedingungen im berüchtigten Insein-Gefängnis verbringen. Wenige Tage nach seiner Verurteilung zu elf Jahren Haft wegen «Volksverhetzung» im November 2021 kam der Vierzigjährige durch die Intervention des ehemaligen Uno-Botschafters Bill Richardson frei.

Myanmar hat sich für Journalist:innen zu einem der gefährlichsten Länder der Welt entwickelt. Im Index für Pressefreiheit von «Reporter ohne Grenzen» liegt das Land aktuell auf Platz 171 von 180 Ländern. Gegen die Exilmedien führt die Junta einen Cyberkrieg: «Wir erleben immer wieder Cyberattacken, und seit Oktober 2023 haben sie zugenommen», sagt Aung Zaw, Chefredaktor und Gründer des ältesten Exilmediums «The Irrawaddy». Vor einem Jahr starteten die Widerstandskräfte eine Offensive, die das Militär in die Defensive gebracht hat. «Die Cyberattacken kommen über Tausende chinesische IP-Adressen», so Aung Zaw, und er fügt lächelnd hinzu: «Aber wir haben für die Abwehr ein sehr gutes IT-Team.»

Benzinbomben und Begräbnisse

In Myanmar blockiert die Junta immer erfolgreicher den Internetzugang zu den Exilmedien und deren Youtube-Kanälen. «Wir haben viele unserer User:innen verloren», sagt Mon Mon Myat, leitende Redaktorin der «Democratic Voice of Burma». Was die zwanzig Redaktor:innen im spacigen Redaktionsbüro in einer Lagerhalle am Stadtrand von Chiang Mai aber nicht davon abhält, weiter über ihre Website, über Facebook und in täglichen Nachrichtensendungen auf Youtube zu berichten. «Wir haben schon rund 200 Leute in Myanmar zu Bürgerjournalist:innen ausgebildet», sagt Mon Mon Myat.

Die Fotos von Mar Naw zeigen, mit welch einfachen Waffen die Widerstandsgruppen der ethnischen Minderheiten und der Exilregierung gegen die hochgerüstete Armee kämpfen: «Sie bauen aus Plastikflaschen Benzinbomben. Die befestigen sie an Drohnen, die eigentlich für den Einsatz in der Landwirtschaft bestimmt waren.» Gegen die Bombardements der Luftwaffe aber seien die Milizen und die Zivilbevölkerung machtlos. «Vor Bombenangriffen konnten wir uns nur in einfachen Erdbunkern schützen», so Mar Naw. Zum Alltag im Kriegsgebiet gehört auch der Tod von Kämpferinnen und Zivilisten. Auch das – die Trauer, die Begräbnisse – hält Mar Naw mit der Kamera fest.

Der in Chiang Mai lebende unabhängige Myanmar-Analyst David Mathieson hat höchsten Respekt vor den Journalist:innen im Exil: «Sie sind die Augen und Ohren des Widerstands.»