Myanmar: Die Erde bebt – und die Junta bombardiert weiter

Nr. 14 –

Nach dem verheerenden Beben in Myanmar treffen erste Rettungskräfte ein. Doch Oppositionelle warnen, dass das Militärregime Hilfsgelder veruntreuen könnte.

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Rettungskräfte in Mandalay suchen nach Überlebenden in Trümmern
Kaum noch Hoffnung auf Überlebende: In Mandalay, zwei Tage nach dem Beben. Foto: Imago

Um Punkt 12.59 Uhr gedachten am 1. April die Menschen in Myanmar der vielen Toten, Verletzten und Betroffenen des Erdbebens. Exakt zu dieser Uhrzeit erschütterte das Beben der Stärke 7,7 am 28. März die Millionenstadt Mandalay und weite Gebiete des südostasiatischen Landes. Das Beben war bis Yunnan in China, Neu-Delhi in Indien und Bangkok in Thailand zu spüren.

In Mandalay stürzten ganze Häuserblocks ein. Am Rand der Stadt jenseits des Flusses Irrawaddy kollabierten in den Sagaing-Hügeln mehr als 2000 buddhistische Tempel und Klöster. Viele Nonnen und Mönche wurden unter den Trümmern begraben. Überlebende berichten auf Facebook über den täglich schlimmer werdenden Gestank der Verwesung. Mandalay und Sagaing sind das religiöse und spirituelle Zentrum des Buddhismus in Myanmar.

Nach Angaben der Junta wurden bis Mittwochmorgen mehr als 2700 Tote gezählt. Allerdings muss mit deutlich mehr Opfern gerechnet werden. Bisher wurden 4500 Verletzte geborgen, mindestens 440 Menschen werden weiterhin vermisst.

Bereits vor dem Beben war Myanmar von Krisen geschüttelt. Michael Dunford, Vertreter des Welternährungsprogramms in Myanmar, sagte in einem Video auf X: «Myanmar ist ein Land, das sich durch den seit vier Jahren andauernden Bürgerkrieg schon in einer humanitären Katastrophe befindet. Diese wird jetzt durch das Erdbeben noch verschärft.»

Starke Zensur

In der 1,7 Millionen Einwohner:innen zählenden alten Königsstadt Mandalay gibt es kaum noch Hoffnung, Überlebende aus den Trümmern zu bergen, obwohl die Rettungskräfte bei Tagestemperaturen von vierzig Grad pausenlos im Einsatz sind. Videos in den sozialen Medien zeigen, wie Helfer oft mit blossen Händen in den Trümmern nach Verschütteten graben. Bilder von Zerstörung und Not, von denen die regierende Militärjunta eigentlich nicht möchte, dass sie zu sehen sind. Schon vor dem Erdbeben wurde das Internet immer wieder abgeschaltet; VPNs, mit denen sich der Standort verschleiern lässt, sind verboten; ausländischen Medien verweigert die Junta die Einreise zur Berichterstattung über die Folgen des Erdbebens.

Verhindern kann sie die Berichte aber nicht. Über das satellitengestützte System Starlink ist die Internetverbindung für die Menschen und Medien möglich. David Mathieson, im thailändischen Chiang Mai lebender Myanmarexperte, betont zudem: «Es gibt in Mandalay viele mutige Untergrund­journalist:innen, die für myanmarische Exilmedien wie auch für internationale Medien arbeiten.»

Verschlimmert wird die Lage durch die mangelhafte Gesundheitsversorgung. In Mandalay fehlt es an Spitälern und Ärzt:innen. Erst Anfang März schlossen die Militärmachthaber in Myanmars zweitgrösster Stadt elf Kliniken. «Die Junta hat private Krankenhäuser in Mandalay geschlossen und in den letzten vier Jahren Ärzt:innen verhaftet, weil sich diese ihrer Herrschaft heftig widersetzten. Viele sind immer noch im Gefängnis, wir fordern ihre Freilassung!», verlangte die oppositionelle «Bewegung des zivilen Ungehorsams» nach dem Erdbeben. Viele Ärztinnen und Krankenpfleger hatten sich nach dem Putsch vom 1. Februar 2021 einem Generalstreik angeschlossen.

Wenig Informationen gibt es über die Situation in den ländlichen Gebieten. Dabei leben in den vom Erdbeben am stärksten betroffenen zentralen Teilen Myanmars rund die Hälfte der 3,5 Millionen Menschen, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden. Mehr als das halbe Land wird derzeit vom bewaffneten Widerstand kontrolliert. Das hat Auswirkungen auf die humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer. «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Widerstandsgruppen Helfer:innen und Hilfstransporte der Junta in ihr Gebiet lassen und umgekehrt», sagt David Mathieson und fügt hinzu: «Leidtragende sind die Betroffenen. Das ist die traurige Realität.»

Waffenruhe der Rebellen

Gruppen der myanmarischen Zivilgesellschaft fordern Geberländer und Hilfsorganisationen auf, ihre Unterstützung nicht – wie von der Junta verlangt – über offizielle Kanäle zu leiten. Weil das gegenwärtige wie auch frühere Militärregimes nach Naturkatastrophen internationale Hilfsgelder veruntreut hatten, fordert die Karen National Union der Volksgruppe der Karen «die Einrichtung solider Überwachungsmechanismen, um zu verhindern, dass humanitäre Hilfe für politische Zwecke missbraucht wird».

Auch der Sonderbeirat für Myanmar (SAC-M) betont, die Nachbarländer, die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft müssten sicherstellen, dass Hilfe, Unterstützung und Ausrüstung direkt an die Nationale Einheitsregierung und ethnische Organisationen geleitet würden, «damit sie alle bedürftigen Gruppen erreichen». SAC-M ist eine unabhängige Berater:innengruppe internationaler Expert:innen, die der demokratischen Bewegung in Myanmar eine internationale Plattform bietet. Ihr gehört auch Yanghee Lee an, ehemalige Uno-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar.

Die Schattenregierung NUG hatte zwei Tage nach dem Beben in den Erdbebenregionen einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Tom Andrews, der aktuelle Uno-Sonderberichterstatter in Myanmar, forderte die Junta vergeblich auf, ebenfalls einen Waffenstillstand auszurufen. Das Gegenteil ist der Fall: Auch nach dem Erdbeben lässt die Junta ihre Luftwaffe weiter zivile Ziele, auch in der Nähe des Erdbebengebiets, bombardieren. Ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Free Burma Rangers sagt: «Es ist einfach unglaublich empörend! Welche Regierung bittet nach einem der schlimmsten Erdbeben aller Zeiten um internationale Hilfe und bombardiert dann weiterhin Menschen und tötet sie?»

Russland statt USA

Langsam rollt die internationale Hilfe in den von der Junta kontrollierten Erdbebengebieten an. Russland und China, die wichtigsten Verbündeten des Regimes, haben Rettungskräfte geschickt. Im Fussballstadion in Mandalay haben russische Helfer:innen ein Lazarett eingerichtet. Auch die USA haben Hilfe zugesagt, die aber laut Medienberichten zunächst nur aus ein paar Expert:innen und der Beteuerung der US-Regierung besteht, auch nach der Abwicklung von USAID, der Behörde für Entwicklungs- und Katastrophenhilfe, noch helfen zu können. Viele Länder und Institutionen wie die EU oder Swissaid haben Mittel für die Notfallhilfe bereitgestellt.

Allerdings behindert die Junta in Sagaing und den von ihr kontrollierten Gebieten die Erdbebenhilfe. Helfer:innen müssen sich nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom Militär die Einsätze genehmigen lassen sowie Listen der freiwilligen Helfer:innen und Spenden einreichen. Zudem würden die Rettungsbemühungen durch die seit der Coronapandemie geltenden Ausgangssperren behindert.

Unklar ist, ob und wie weit internationale Hilfsorganisationen in die vom Widerstand befreiten Gebiete gelassen werden. Uno-Sonderberichterstatter Andrews betonte am 1. April: «Der Fokus in Myanmar muss darauf liegen, Leben zu retten, nicht, sie zu nehmen. Die militärischen Angriffe der Junta müssen aufhören. Hilfsbeschränkungen müssen aufgehoben werden. Junge Menschen sollten keine Angst vor Verhaftung oder Wehrpflicht haben müssen.»