Widerstand in Myanmar: Die Junta wackelt
Drei Jahre nach dem Putsch gerät die Militärregierung in Myanmar zunehmend unter Druck.
Das Militär von Myanmar stürzte am 1. Februar 2021 die demokratisch gewählte Regierung. Die ehemalige Staatsrätin und Regierungschefin Aung San Suu Kyi und viele Abgeordnete sind seither von der Aussenwelt isoliert im Gefängnis. Nach Angaben der Hilfsvereinigung für politische Gefangene Birma wurden seit dem Putsch mehr als 25 800 Regimegegner:innen festgenommen, von denen sich knapp 20 000 immer noch in Haft befinden und dort unmenschlichen Bedingungen und Folter ausgesetzt sind.
Mit unvorstellbarer Grausamkeit geht das Militär auch gegen den Widerstand vor, der drei Jahre nach dem Umsturz ungebrochen ist. Die Armee beschiesst und bombardiert wahllos Dörfer, buddhistische Tempel, Kirchen der Christ:innen, Lager der mehr als 1,8 Millionen Binnenvertriebenen, brennt ganze Dörfer nieder, begeht Massaker an der Zivilbevölkerung.
Chinesische Interessen
Bisher haben die Massnahmen ihr Ziel verfehlt. Zunächst gingen im ganzen Land täglich Tausende Menschen friedlich gegen die Militärdiktatur auf die Strasse, bis dann der bewaffnete Kampf allmählich zum Kern des Widerstands wurde. Viele der ethnischen Minderheiten Myanmars unterhielten in ihrem Kampf für politische, wirtschaftliche und kulturelle Autonomie schon seit Jahrzehnten gut gerüstete Armeen. Hinzu kamen dann spätestens ab Herbst 2021 die «Volksverteidigungskräfte» der demokratischen Schattenregierung «Nationale Einheitsregierung». Immer öfter sind die Widerstandsmilizen in Rakhaing im Westen, in den christlich geprägten Regionen Chin, Kachin und Karenni im Norden und Osten sowie den buddhistischen zentralmyanmarischen Regionen Magwe und Sagaing gegen die Bodentruppen der Armee erfolgreich, sodass die Junta verstärkt die Luftwaffe einsetzt.
Während die meisten Bomber und Kampfhelikopter der Luftwaffe aus Russland, dem einzigen wirklichen Verbündeten der Junta, stammen, liefert China Waffen an alle Kriegsparteien. Die Chines:innen handeln einzig nach ihren Interessen, die von der Sicherheit des Myanmar–China-Wirtschaftskorridors als Teil der Neuen Seidenstrasse bestimmt sind, der China einen Zugang zum Indischen Ozean sichert.
Lange konnte keine der Kriegsparteien einen Durchbruch erzielen. Das änderte sich schlagartig am 27. Oktober 2023 mit dem Beginn der militärischen Offensive der aus drei grossen ethnischen Armeen bestehenden Three Brotherhood Alliance in der nördlichen Verwaltungseinheit Shan-Staat an der Grenze zu China. «Das war lange im Voraus geplant», sagt David Mathieson, ehemaliger Human-Rights-Watch-Mitarbeiter.
Wenige Wochen später begannen alliierte Widerstandsmilizen eine Offensive in Karenni. Der militärische Kampf gegen die Junta hat inzwischen auf Rakhaing und Chin an der Grenze zu Bangladesch und Indien übergegriffen. Erfolgreicher Akteur in dieser Region ist die Arakan Army (AA), die auch der Brotherhood-Allianz angehört. Ein Armeestützpunkt nach dem anderen fällt. Immer häufiger ergeben sich demoralisierte Juntatruppen.
Gegen die Junta
Der Bürgerkrieg, westliche Sanktionen, der Rückzug von internationalen Investoren und die Inkompetenz der Militärjunta haben die Wirtschaft abstürzen lassen. Durch die Erfolge des Widerstands im nördlichen Shan-Staat ist die extrem wichtige Handelsroute nach China weitgehend blockiert und damit eine weitere Einnahmequelle der Junta versiegt. Im Nordwesten leidet durch die Offensive der AA der Handel mit Indien und Bangladesch.
Angesichts der grössten militärischen Niederlagen der Armee seit 1948 und des Kollapses der Wirtschaft äussern neuerdings sogar überzeugte Unterstützer:innen der Junta, die sich in der Hauptstadt Naypyidaw einbunkert, öffentlich harsche Kritik an Juntachef Min Aung Hlaing. «In naher Zukunft wird sich zeigen, ob die AA das Militär in Rakhaing schlägt», sagt der in Bangkok lebende Militärexperte Anthony Davis. «Eine zweite grosse Niederlage wie in Shan wird die Junta in massive Schwierigkeiten bringen.»
Niemals in der Geschichte Myanmars, des ehemaligen Birma, waren sich die Menschen über ethnische, religiöse und soziale Grenzen hinweg so einig wie jetzt in ihrer Entschlossenheit, der seit dem ersten Putsch 1962 mit kurzer Unterbrechung andauernden politischen Herrschaft des Militärs ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Eine politische Einigkeit zwischen den vielen Akteuren über die verfassungsmässige und politische Zukunft Myanmars existiert jedoch bestenfalls in zartesten Ansätzen. So wird die Debatte über die Nachkriegsordnung von der Frage bestimmt, ob Myanmar eine Föderation oder – wie es so manche der ethnischen Gruppen fordern – eine Konföderation werden soll. Letzteres bedeutet im Grunde, dass konföderierte Regionen weitgehend unabhängig von einer Zentralregierung wären und ihre eigenen Armeen unterhielten.
Toe Zaw Latt, Redaktor des im Exil produzierten myanmarischen Nachrichtenportals «Mizzima», sagt dazu gegenüber der WOZ: «Eine politische Einigung wird sehr schwierig werden.»