Pop: Durch und durch paradox

Nr. 40 –

Albumcover «Greif» von Zeal & Ardor
Zeal & Ardor: «Greif». Redacted / The Orchard. 2024. Live: Sa, 5. Oktober 2024, Südpol Luzern.

Paradoxa begleiten die Basler Band Zeal & Ardor seit dem ersten Album 2017: Die so nie gehörte Verbindung von Black Music mit Black Metal begeisterte Musikfans weltweit, Zeal & Ardor wurden gleich an grosse Festivals eingeladen – dabei gab es noch gar keine Band. Der Multiinstrumentalist Manuel Gagneux hatte das Album allein aufgenommen. Wie er in Rekordzeit Musiker:innen sucht, um auf Tour gehen zu können, zeigt der unterhaltsame Dokfilm «Play with the Devil» (siehe WOZ Nr. 11/23; zurzeit auf Playsuisse).

Es ging paradox weiter: Für Gagneux war das Kombinieren von satanistisch gewendeten Sklav:innengesängen und stark verzerrten Gitarren erst nur eine Spielerei gewesen, doch das Resultat klang dermassen intensiv und dringlich, dass es ihn wohl selbst überraschte. Vor allem in den USA hörten viele Fans Zeal & Ardor als hochpolitische Musik. Unter dem Eindruck der Black-Lives-Matter-Proteste wurden Gagneux’ Songs dann tatsächlich politischer, vor allem auf der EP «Wake of a Nation». Doch eine gewisse Distanz blieb: «Ich sehe mich nicht als Protagonisten dieser Songs; ich habe das ja nicht erlebt», sagte er 2021 in einem Interview.

Das vierte Album, «Greif», inspiriert vom Kleinbasler «Vogel Gryff», erweitert das musikalische Spektrum nun stark: in Richtung Prog-, Post- und Powerrock. Manchmal wirkt das gelungen, manchmal überladen – wie man die Entwicklung der Band beurteilt, hängt letztlich davon ab, wie nahe einem diese neuen musikalischen Welten sind. Jedenfalls kommt Gagneux’ beeindruckende Stimme voll zur Geltung: Er kann schreien, raunen, grochsen, klingen wie ein grosser Soulsänger – oder auch verblüffend ähnlich wie Eddie Vedder von Pearl Jam.

Dass die Band ihr bisheriges Erfolgsschema durchbricht, ist mutig. Und führt zu einem weiteren Zeal-&-Ardor-Paradoxon: Gagneux bezeichnet «Greif» als bisher persönlichstes Album. Vermutlich singt er nun mehr über sich selbst, spielt weniger stark eine Rolle als früher. Die emotionale Intensität seiner Musik war grösser, als er es noch tat.