Film: Wie die Liebe, wie der Tod

Nr. 42 –

Filmstill aus «All Shall Be Well»
«All Shall Be Well». Regie und Drehbuch: Ray Yeung. Hongkong 2024. Jetzt im Kino.

Pat und Angie waren über dreissig Jahre zusammen, und Angies Eltern sprechen immer noch von Pat als der «guten Freundin», die damals bedauerlicherweise auch keinen Mann gefunden habe. Homosexuelle Beziehungen, wenn auch geduldet, entsprechen in Hongkong (noch) nicht dem Protokoll. Die Folgen davon variieren zwischen belanglos und unerbittlich – weil sich die Welt, wenn es hart auf hart kommt, nach ebendiesen Protokollen richtet. Alles war gut im Leben von Pat und Angie: die überdurchschnittlich schöne Wohnung, das von Grosszügigkeit bestimmte Verhältnis zur Verwandtschaft, der soziale Umgang mit anderen lesbischen Paaren.

Weil aber die Freundschaft angeblich beim Geld aufhört und eine «gute Freundin» eben nicht dasselbe ist wie eine eingetragene Lebenspartnerin, sollte man es in einer Situation wie jener von Pat und Angie nicht versäumen, ein gültiges Testament zu verfassen. Sonst geschieht es, dass das Wort des von der Schwägerin hinzugezogenen Feng-Shui-Meisters schwerer wiegt als der nur mündlich gegenüber der Partnerin geäusserte Wille, was den letzten Aufenthaltsort betrifft. Der Geist müsse entsprechend seinem Horoskop (dem Protokoll) zur Ruhe kommen, sonst drohe den Nachkommen Unglück. Und es geschieht, dass die Verwandten bei der Nachlassverwaltung den Eigennutz über fast alles stellen, was gut und richtig wäre – sogar wenn ihnen dies bewusst ist. Alle Akzeptanz hilft nichts, wenn sich jene, die etwas zu gewinnen haben, hinter Sitte, Gesetz oder «dem Protokoll» verstecken können. Auch die Bankangestellte, die der trauernden Angie den Zugang zum gemeinsamen Schliessfach verwehrt, entschuldigt sich: Sie wisse, dass das unangenehm sei, aber das Protokoll lasse ihr «keinen Spielraum».

Das kommende Gute, das «All Shall Be Well» im Titel verspricht: Es ist womöglich schon geschehen. Was aber nicht heisst, dass der Titel eine Lüge wäre. Denn Ray Yeungs Film, schön wie die Liebe und traurig wie der Tod, ist ein von Herzen kommender Aufruf, endlich die Protokolle zu ändern.