«The Apprentice»: Der junge Trump und seine Lehrmeister

Nr. 42 –

Kann dieser Film die Wahl beeinflussen? Ein Biopic zeichnet Donald Trumps assistierten Aufstieg zum New Yorker Immobilienhai nach. Und reizt ihn an der empfindlichsten Stelle seiner Eitelkeit.

Filmstill aus «The Apprentice»: Donald (Sebastian Stan) und Ivana Trump (Maria Bakalova)
Oben und unten: Die Rollen sind auch in der Ehe von Donald (Sebastian Stan) und Ivana Trump (Maria Bakalova) klar verteilt. Foto: Pief Weyman, Apprentice Productions Ontario

Ali Abbasi macht Filme mit Monstern. Schon sein Erstling, «Shelley», handelte von einem dämonischen Kind, das den Nachnamen der «Frankenstein»-Autorin als warnenden Vornamen trägt. Dann kam «Gräns» mit seinem merkwürdigen Trollpaar, das sich in eine eher gutmütige und eine gnadenlos rächende Hälfte aufspaltet. Zuletzt erzählte der iranisch-dänische Regisseur in «Holy Spider» die verstörende, wahre Geschichte eines sechzehnfachen Frauenmörders, der zum Tod verurteilt und hingerichtet wird, bei seiner Familie und Teilen der Öffentlichkeit aber als Held gilt.

Und jetzt also Donald Trump zur Zeit seines ersten grossen Durchbruchs als New Yorker Immobilienmogul in den Siebzigern. Trump in seinen Lehrjahren, wie es auch im Filmtitel steht; wobei dieser zugleich auf die gleichnamige Realityshow verweist, die Trump – Jahrzehnte später – endgültig berühmt machen sollte. Doch warum sollte uns dieser junge Trump überhaupt interessieren?

Widersprüchliche Reaktionen

Als «The Apprentice» im Mai in Cannes seine Weltpremiere hatte, stürzte sich die Presse vor allem auf eine Szene: Trump (Sebastian Stan) vergewaltigt seine damalige Ehefrau Ivana (Maria Bakalova) auf dem Boden ihrer Luxuswohnung, nachdem er sie zuvor in einer auffallend hinterhältigen Attacke verbal erniedrigt hat. Der Autor des Drehbuchs, der US-Politjournalist Gabriel Sherman, stützt sich dabei auf eine eidesstattliche Erklärung von Ivana Trump. Sie hatte die Vergewaltigung im Scheidungsverfahren zu Beginn der neunziger Jahre zu Protokoll gegeben, im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2016 dann aber widerrufen. Man darf vermuten: gegen Geld.

Wer sich Abbasis Film Monate nach der Aufregung in Cannes anschaut, ahnt, dass letztlich auch diese mutmassliche Vergewaltigung Trump kaum ernsthaft schaden kann – was einiges über die kaputte Situation verrät, in der wir uns befinden. Trotzdem schickte Trump seine Anwälte los, um ­«The Apprentice» zu stoppen. Wie im Magazin «Vanity Fair» weiter nachzulesen ist, versuchte auch einer der Produzenten des Films, diesen zuerst zu zensieren, dann die Aufführung in Cannes zu verhindern – sein Schwiegervater und Geldgeber ist Trump-Unterstützer.

Angesichts solcher Störmanöver ist es beachtlich, dass der Film nun doch noch vor den Wahlen in die US-Kinos kam, zumal auch Stimmen zu vernehmen waren, die warnten, «The Apprentice» könnte Trumps Chancen gar erhöhen: Würde dieser zunehmend aalglatte, in seiner Rücksichtslosigkeit äusserst durchsetzungsstarke Jungunternehmer nicht auf viele gefährlich attraktiv wirken in diesem Land der Selfmademythen und kapitalen Grossmäuler? Die allgemeine Verunsicherung, die sich in diesen widersprüchlichen Reaktionen spiegelt, wirkt unangenehm gross.

Diätpillen im Minutentakt

Doch was steckt sonst noch in diesem Film, dem man zutraut, die Entscheidung vom 5. November zu beeinflussen? Das erste Drittel von «The Apprentice» ist dicht und kurzweilig – was allerdings nur in zweiter Linie mit dem vorerst konturarmen Lehrling Trump zu tun hat. Zum Einstieg dominiert eindeutig sein Mentor: der Anwalt Roy Cohn, von Jeremy Strong («Succession») einmal mehr mit ganzem Einsatz verkörpert.

Cohn, einst Chefberater des skrupellosen Kommunist:innenverfolgers Joseph McCarthy, zelebriert sein Leben als New Yorks schillerndster Fixer: als Mann für Hinterzimmerdeals und Anwalt für die Gauner aus den Teppichetagen. Er ist schwul, was er nie zugibt, feiert wilde Partys mit Andy Warhol und eben auch Donald Trump. Als Trump und sein Vater wegen Diskriminierung afroamerikanischer Mieter:innen in ihren Liegenschaften angeklagt werden, steht Cohn ihnen bei. Einer seiner «Tricks»: Er erpresst Beamte mit ihrer heimlichen Homosexualität.

Von Cohn soll Trump auch die drei Merksätze haben, die sich wie ein Minidrehbuch für seine Politikerkarriere lesen: attackieren ohne Unterlass, Vorwürfe stets abstreiten, niemals eine Niederlage eingestehen. Mit eingespielten Aussagen der beiden US-Präsidenten Richard Nixon («Ich habe mich nie bereichert, nie die Justiz behindert») und Ronald Reagan («Make America great again») erinnert Abbasi zudem an Trumps Wegbereiter im Weissen Haus. Er zeigt Trump aber nicht nur als Produkt von Cohn und anderen Vorbildern, sondern taucht lustvoll ins etwas heruntergekommene, raue New York der siebziger und achtziger Jahre ein, wo Trump rasch immer reicher wurde, indem er es nach Möglichkeit vermied, Steuern zu zahlen oder sonst staatlich «gesteuert» zu werden.

Parallel zu seinem Aufstieg nabelt sich Trump von seiner Familie ab. Auch der an Aids erkrankte Ersatzvater Cohn tritt etwas in den Hintergrund. Das Biopic verliert an Spannkraft, wird bruchstückhaft. Man schaut das nicht ungern, zumal Abbasi auch unsere niederen Instinkte bedient, etwa wenn Ivana ihrem Mann ein Buch über den G-Punkt schenkt, Trump Diätpillen im Minutentakt einwirft und sich zum Fettabsaugen und zur Verkleinerung seiner Glatze unters Messer legt. Der Schluss von «The Apprentice» bleibt so ungemütlich offen wie alle von Abbasis Filmen. Seine Monster sind in Spielfilmlänge nicht zu bändigen.

«The Apprentice». Regie: Ali Abbasi. USA/Dänemark/Kanada 2024. Jetzt im Kino.