Was ist Private Equity?: Wie man fröhlich die Welt verschlechtert

Nr. 44 –

Von Fussballvereinen bis zur Wasserversorgung, von Musikkatalogen bis zu Pflegeheimen – Private Equity hat auf seiner endlosen Suche nach Gewinnmaximierung fast alle Bereiche des modernen Lebens infiltriert.

Illustration von Matthias Seifarth

Wann immer ich über die billionenschwere Industrie namens Private Equity nachdenke, stelle ich mir die opulenten Partys von Stephen Schwarzman vor – und dann kommen mir die Zahnwurzelbehandlungen in den Sinn. Schwarzman ist Milliardär und der Impresario von Blackstone, dem grössten Private-Equity-Unternehmen der Welt.

Im August veranstaltete er eine Einweihungsparty für 200 Personen in seinem 27-Millionen-US-Dollar-Anwesen in Newport, Rhode Island. Verglichen mit der Soiree anlässlich seines 70. Geburtstags, war es eine bescheidene Angelegenheit. Diesen feierte er 2017 mit venezianischen Gondeln, arabischen Kamelen, mongolischen Akrobat:innen und einer riesigen Torte in Form eines chinesischen Tempels. Gwen Stefani sang für Schwarzman, während Jared Kushner, Ivanka Trump und mehrere Mitglieder des damaligen Kabinetts von Donald Trump zusahen. Die Party war das perfekte Symbol für eine Form des Geldmachens, die fast jeden Aspekt des heutigen Lebens durchdrungen hat.

Kindergärten und Bestattungsinstitute, Autowaschanlagen und Kupferminen, Dermatologinnen und Datenzentren – Private Equity ist überall, wo Geld den Besitzer wechselt. Was sich in irgendeiner Weise vermarkten oder zu Geld machen lässt, haben Private-Equity-Firmen gekauft – von der kommunalen Wasserversorgung über europäische Fussballvereine bis hin zu den Rechten am Musikkatalog der Rockgruppe Queen. Schätzungen zufolge kontrollieren diese Unternehmen inzwischen mehr als dreizehn Billionen Dollar (eine Billion sind tausend Milliarden), die in über 50 000 Unternehmen weltweit investiert sind.

Mit der Ausbreitung von Private Equity ertönen auch düstere Warnungen vor dessen Auswirkungen. Die «Geier» und «Vampire» der Branche wurden in jenen Medien, die selbst nicht bereits im Besitz von Private Equity sind, fast durchgehend angeprangert. Private Equity sei «Gier, gehüllt in die amerikanische Flagge der Effizienz, Plünderung, gerechtfertigt durch solide Anlageerträge», schreiben die Autoren des Sachbuchs «Plunderers. How Private Equity Runs – and Wrecks – America»: «Die Plünderer sind fast niemandem Rechenschaft schuldig.»

«Buy, Strip and Flip»

Und hier kommen die Zahnwurzelbehandlungen ins Spiel, als groteskes Beispiel für das Vorgehen der Branche. Laut mehreren Medienrecherchen und einer Untersuchung des US-Senats haben von Private Equity kontrollierte Zahnarztketten Kindern unnötige Wurzelbehandlungen verordnet, um die Gewinne zu steigern. «Ich habe gesehen, wie sie jeden Tag mehrmals am Tag völlig gesunde Zähne aufbohren», sagte eine Zahnarzthelferin in einer von Private Equity gekauften Praxis gegenüber Reporter:innen. Ein Kind starb sogar an den Folgen. Für viele Kritiker:innen ist Private Equity ein glänzendes Beispiel für einen «Arschlochkapitalismus». Doch bei Milchzahnwurzelbehandlungen bekommt man das Gefühl, dass selbst diese Bezeichnung zu freundlich ist.

Es überrascht nicht, dass Private-Equity-Fachleute ihre Branche anders sehen. Ja, räumen sie ein, es gebe ein paar schwarze Schafe und, ja, ein paar schlechte Geschäfte. Aber im Grossen und Ganzen seien die Mitarbeiter:innen von Private-Equity-Firmen nicht einfach profitgierige Soziopath:innen, die fröhlich die Welt verschlechterten. Vielmehr seien sie der notwendige Dünger für Wachstum und Innovation, indem sie ihre überlegenen Talente einsetzten, um Unternehmen von schlechtem Management zu befreien, stagnierende Unternehmen wiederzubeleben und die Wirtschaft zu vergrössern, damit wir alle weiterhin den Wohlstand unserer entwickelten Gesellschaften geniessen könnten. Kapitalismus, der das tut, was er am besten kann. Sie nennen es «Wertschöpfung».

Auch behaupten sie, dass sie ihren Anleger:innen, zu denen wir alle gehören, die in eine Pensionskasse einzahlen, erstaunliche Renditen bieten. David Rubenstein, der milliardenschwere Gründer der Carlyle Group, einer der grössten Private-Equity-Firmen der Welt, drückt es so aus: «Private Equity ist die höchste Berufung der Menschheit.»

Die Private-Equity-Milliardäre

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Anfang Oktober im «Guardian» erschienenen Textes «Slash and burn: is private equity out of control?». Er schliesst an die WOZ-Recherche zur Partners Group an: jener Schweizer Private-Equity-Firma, die hinter der Kompass-Initiative steht (siehe WOZ Nr. 41/24).

Die Gründer der Partners Group haben mit dem Private-Equity-Geschäft Milliarden verdient. Mit der im Oktober lancierten Kompass-­Initiative bekämpfen sie ein Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU.

 

Was auch immer an Private Equity gut oder schlecht sein mag, es geht nicht nur um gierige Sünder:innen oder geschäftstüchtige Heilige. Ob beim Erwerb einer Bäckerei oder eines Pflegeheims: Private Equity beruht auf demselben grundlegenden Geschäftsmodell, dem «Leveraged Buy-out» – zu Deutsch: fremdkapitalfinanzierte Unternehmensübernahme. Diese Transaktionen – auf die etwa drei von vier US-Dollar aller Private-Equity-Geschäfte entfallen – werden häufig mit dem Verkauf von Häusern verglichen: Man kauft ein Unternehmen mit einer Menge Fremdkapital, so wie man ein Haus mit einer Hypothek kauft, und versucht dann, es mit einem ordentlichen Gewinn zu verkaufen, nachdem man die Tapeten ausgewechselt hat oder, besser noch, wenn die Kurse steigen. Anders als beim Hauskauf sind die Schulden jedoch nicht in der Verantwortung des Käufers, sie verbleiben vielmehr in der Bilanz des übernommenen Unternehmens. So seltsam es klingen mag: Es ist so, als ob man das Unternehmen zwingen würde, einen Kredit aufzunehmen, um sich selbst zu kaufen.

Ein Private-Equity-Unternehmen bündelt Bargeld von Investor:innen und nutzt diese Mittel zusammen mit einer aussergewöhnlich grossen Menge an Fremdkapital, um eine Firma zu erwerben. Nach der Übernahme kann die Private-Equity-Firma das Managementteam entlassen, neue Führungskräfte einsetzen, die Belegschaft stark reduzieren oder das Unternehmen ins Ausland verlagern. Sie kann auch die eigenen Vermögenswerte der Firma liquidieren, um die Investoren auszuzahlen und die Taschen der Partnerinnen der Firma zu füllen, bevor sie die Firma an neue Investoren weiterverkauft – eine Taktik, die manchmal als «Buy, Strip and Flip» bezeichnet wird. «Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht auf das Gemeinwohl, sondern auf die Bereicherung des Managements, der Übernahmepartner und ihrer institutionellen Geldgeber», schrieb Luke Johnson, der Mitbegründer der britischen Private-Equity-Firma Risk Capital Partners, im Jahr 2012. «So funktioniert das Spiel. Etwas anderes zu behaupten, ist Blödsinn.»

Der Ursprung von Private Equity liegt wohl in der Übernahme des US-amerikanischen Unternehmens Houdaille Industries Ende der siebziger Jahre, die zur Blaupause für den Rest der Branche wurde. Das florierende Produktionskonglomerat Houdaille wurde von der Firma Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) übernommen. Um das Geschäft abzuwickeln, belastete KKR den Hersteller von Autoteilen, Industriemaschinen und Baumaterialien mit mehr als 300 Millionen Dollar Schulden. Es handelte sich um den bis dahin bei weitem grössten Leveraged Buy-out der Geschichte und den ersten eines grossen börsennotierten Unternehmens. KKR verlagerte den Schwerpunkt Houdailles von der Herstellung hochwertiger Produkte auf das Generieren von Cash für die Partner und Investoren des Unternehmens. Innerhalb weniger Jahre war der gute Ruf des Unternehmens dahin. Die Kombination aus Schulden und schwindendem Ruf schwächte Houdaille zu sehr, um die Rezession von 1981 und die harte Konkurrenz aus Japan zu überstehen. Um weiterhin Geld aus dem Unternehmen abzuschöpfen, zerlegte es KKR und entliess mehr als 2000 Mitarbeiter:innen. 1987 verkaufte die Private-Equity-Firma das, was vom Unternehmen übrig blieb, für weniger als ein Drittel des ursprünglichen Kaufpreises.

Wirklich bemerkenswert war, dass die Firma KKR, obwohl sie Houdaille mit Hunderten Millionen US-Dollar Schulden übernommen hatte, durch verschiedene finanztechnische Strategien fast den gesamten Erlös aus dem Verkauf für sich und die Investor:innen einstreichen konnte. Aus der Sicht von KKR und auch der Wall Street war die Aushöhlung von Houdaille ein voller Erfolg.

Verletzliche Menschen im Visier

In den Annalen von Private Equity gibt es viele Horrorgeschichten. Firmen haben beliebte Einzelhändler aufgekauft und sie dann ausgeweidet und zerstört, zusammen mit den Lebensgrundlagen von Hunderttausenden von Menschen. Pflegeheime, die sich im Besitz von Private Equity befinden, wurden ihrer Ressourcen und ihres Personals beraubt und liessen Bewohner:innen in ihren Exkrementen sitzen. In den USA wurde ein Schlachthofreinigungsunternehmen im Besitz von Blackstone mit einer Geldstrafe belegt, weil es mehr als hundert Kinder beschäftigte. Einige der abscheulichsten Berichte stammen aus privaten Behandlungszentren für verhaltensauffällige Jugendliche, in denen Kinder misshandelt, vergewaltigt und getötet wurden. Diese Fälle sind extrem, aber keine Einzelfälle. Befasst man sich mit Private Equity, braucht man sich die Horrorgeschichten nicht herauszupicken – man muss sich durch sie hindurchwühlen.

Etliche Unternehmen misshandeln Arbeiterinnen, schröpfen Kunden und finden Profit wichtiger als Menschen. Aber die Flut an Gräueltaten im Bereich Private Equity ist nicht einfach ein aus dem Ruder gelaufener Kapitalismus. Nach Ansicht seiner Kritiker:innen ist es das Geschäftsmodell der Branche selbst, das sie besonders zerstörerisch macht.

Die Finanzierung von Übernahmen mit hohen Schuldenbeträgen führt nicht nur dazu, dass übernommene Unternehmen weit weniger in der Lage sind, Abschwünge zu überstehen, sondern schafft auch Anreize für die Firmen, der Rückzahlung von Gläubigern Vorrang vor sinnvolleren langfristigen Investitionen zu geben. «Die räuberischen Praktiken von Private Equity verschärfen die Ungleichheit und höhlen unsere Wirtschaft aus, indem sie produktiven Unternehmen – Einzelhändlern, Krankenhausketten, Produktionsbetrieben – Geld wegnehmen und es weitgehend unproduktiven Unternehmen zukommen lassen», meint Brendan Ballou, ein Kartellrechtsanwalt des US-Justizministeriums. Zuoberst stehen dabei die Private-Equity-Firmen selbst. Schlimmer noch: Die Private-Equity-Eigentümer können absurde Summen verdienen, unabhängig davon, ob die Unternehmen selbst erfolgreich sind – eine Entkopplung von finanziellem und wirtschaftlichem Erfolg, die den Grundgedanken des Kapitalismus ins Lächerliche zieht.

In den Jahren seit dem Houdaille-Deal hat Private Equity alle möglichen Tricks erfunden, um Renditen aus übernommenen Firmen zu schöpfen. Letztendlich bedeutet die «Effizienzsteigerung» von Unternehmen oft nicht viel mehr, als Preise zu erhöhen und die Qualität zu senken. Im Buch «Plunder» erörtert Ballou das Beispiel von US-Wohnmobilpärken. Die grossen Private-Equity-Firmen hätten diese mit der Gier eines achtjährigen Kindes aufgekauft, das Monopoly spielt. Sobald sie im Besitz dieser einkommensschwachen Wohngemeinschaften sind, treiben die Firmen die Grundmieten in die Höhe, wälzen die Versorgungskosten auf die Bewohner:innen ab und sparen bei der Instandhaltung lebenswichtiger Infrastrukturen wie der Kanalisation. Private-Equity-Firmen haben gelernt, dass es klug ist, arme und verletzliche Menschen ins Visier zu nehmen, die es sich nicht leisten können, einfach wegzuziehen. Ausserdem – das ist das Beste daran – sind die wenigsten dieser gefährdeten Personen in der Lage, sich zu wehren.

Investieren und zerstören

Private Equity ist heute nicht nur Teil unserer Wirtschaft im Allgemeinen – es ist auch eng mit unserer eigenen finanziellen Zukunft verflochten. Viele von uns, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, sind direkt oder indirekt in Private Equity investiert, sei es über unsere Pensionspläne oder, wenn wir wohlhabend genug sind, über Aktienportfolios und Investmentfonds. Viele Regierungen – Autokratien und Demokratien gleichermassen – verlassen sich ebenfalls auf Private Equity, um die Reserven ihrer Staatsfonds zu vergrössern.

Der weltweit grösste Investor in Private Equity war 2023 das öffentliche kanadische Rentensystem mit einem Engagement von fast 135 Milliarden US-Dollar. Es folgten zwei staatliche Investmentgesellschaften aus Singapur und zwei aus Abu Dhabi. In den Top Ten standen zudem öffentliche Pensionsfonds aus Quebec, den Niederlanden und Kalifornien. «Lehrer, Feuerwehrleute, Beschäftigte des Gesundheitswesens und andere Angestellte, die in Rentensysteme eingebunden sind, sind auf Private Equity angewiesen, damit die Rechnung für ihre Pension aufgeht», so Sachin Khajuria, ein ehemaliger Partner bei Apollo Global Management, einem Private-Equity-Unternehmen, das 2022 500 Milliarden Dollar an Vermögenswerten verwaltete.

In einigen Teilen der Welt können Private-Equity-Firmen Gutes tun. Beispielsweise indem sie einen Teil des Geldes von kalifornischen Lehrerinnen, kanadischen Pflegefachleuten und niederländischen Polizisten in grüne Technologien, ländliche Spitäler oder die lokale Produktion investieren. Aber viele der im Namen von Rentner:innen getätigten Investitionen folgen der gleichen Logik wie der Houdaille-Deal: Die Pensionsfonds investieren in Geschäfte, die Unternehmen zerstören, Arbeitsplätze bedrohen und Gemeinden schwächen, um die Renten anderer Menschen zu finanzieren.

Obendrein können Private-Equity-Firmen in den USA, in Grossbritannien und in vielen anderen Ländern das sogenannte «Carried Interest»-Schlupfloch ausnutzen. Das bedeutet, viele ihrer Gewinne werden als Kapitalgewinne oder Investitionsrenditen und nicht als Einkommen besteuert – und die Kapitalertragssteuern sind deutlich niedriger als die Einkommenssteuern.

Dieses ganze verrückte System konnte sich zum Teil deshalb halten, weil Private Equity nicht nur für sich selbst, sondern auch für Universitätsstiftungen und Pensionär:innen immer übergrosse Renditen versprochen hat. Aber in den vergangenen Jahren hinterfragen selbst Insider:innen, ob diese Renditen nicht nur ein weiterer finanzieller Taschenspielertrick sind. Was, wenn die Mathematik hinter Private Equity selbst nicht aufgeht?

Minus 1500 Milliarden

Zu was auch immer Private Equity sonst noch taugt, es scheint hervorragend dafür geeignet zu sein, einigen Menschen fantastischen Reichtum zu bescheren. In der Regel erhalten Private-Equity-Firmen zwei Prozent der verwalteten Gelder plus zwanzig Prozent der Gewinne aus jedem von ihnen verwalteten Fonds. Das bedeutet, dass ein Hundert-Millionen-Dollar-Fonds, der das Zweifache seiner Investition erwirtschaftet, der Private-Equity-Firma mindestens zwei Millionen Dollar an Gebühren pro Jahr und vierzig Millionen Dollar Gewinn einbringt. Zum Vergleich: Für den Kauf von Anteilen an einem Indexfonds, der in ein breites Spektrum von Aktien und Anleihen investiert, fallen fast keine Verwaltungsgebühren und keine Gewinnbeteiligung an. Was den Wert einer Private-Equity-Firma und ihren sozialen Status rechtfertigt, ist die Behauptung, eine weitaus grössere Rendite pro Risikoeinheit zu erzielen als fast jede andere Anlage auf der Welt.

Aber was, wenn das nicht der Fall ist? Nach Angaben der brancheneigenen Lobbygruppe übertraf Private Equity als Anlageklasse in den zehn Jahren zwischen 2010 und 2020 den S&P 500, einen Index der Aktien der grössten US-Firmen, nur um einen halben Prozentpunkt pro Jahr. Und die Private-Equity-Anlagen öffentlicher Pensionsfonds schnitten sogar schlechter als der Durchschnitt ab. Nachdem sie in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren enorme Renditen erzielt hatten, erreichten sie diese Performance in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr.

«Der Kaiser hat keine Kleider an», sagt Jeffrey Hooke. Er ist Dozent an der Carey School of Business der Johns Hopkins University in Maryland und Autor von «The Myth of Private Equity». Bevor er Professor wurde, arbeitete Hooke jahrzehntelang an der Wall Street und in der Private-Equity-Branche. «Es gibt keine unabhängige Überprüfung der Renditen von Private Equity, und es gibt keine wissenschaftliche Grundlage dafür, dass Private Equity einen einfachen Indexfonds aus Aktien und Anleihen übertrifft. Diese Leute liefern keine Renditen, sie sind völlig unreguliert, sie verstecken ihre Gebühren, und sie haben die Kunst gemeistert, ihre Steuern niedrig zu halten und alle hinters Licht zu führen.»

Eines der Probleme ist laut Hooke die Undurchsichtigkeit der Branche. Die besten Datenbanken, die die Branche abbilden, enthalten nur etwa sechzig Prozent der Private-Equity-Fonds. Was in den anderen vierzig Prozent steckt, bleibt Spekulation. Aber man kann davon ausgehen, dass es sich nicht um jene Investitionen handelt, die die Branche besser aussehen liessen. Es sind wohl eher die fehlgeschlagenen Anlagen und Fonds mit schlechter Performance, die die Gesamtrenditen nach unten ziehen. Darüber hinaus stammt ein grosser Teil des «Wertes», den Private-Equity-Firmen in ihren Fonds ausweisen, aus ihrer Schätzung des Preises, den sie für die unverkauften Unternehmen in ihren Portfolios erzielen könnten. Aber das sind genau die Unternehmen, die die Firmen aufgrund zu tiefer Bewertungen nicht losgeworden sind.

Tatsächlich wurden laut Hooke mehr als die Hälfte aller Private-Equity-Investitionen der letzten fünfzehn Jahre nicht verkauft und haben daher ihre prognostizierten Renditen nicht realisiert. Im Mai zeigte eine Analyse der «Financial Times», dass Private-Equity-Firmen den Anleger:innen in den vergangenen sechs Jahren deutlich mehr Geld abgenommen hatten, als sie ihnen in Form von Gewinnen zurückgezahlt hatten, sodass sich in diesem Zeitraum eine Gesamtlücke von 1500 Milliarden US-Dollar ergibt – ein beunruhigendes Zeichen dafür, dass die Renditen möglicherweise nicht ausreichen.

Die Argumente rund um die Renditen von Private Equity sind kompliziert, aber unter Wissenschaftler:innen scheint sich der Konsens abzuzeichnen, dass Private Equity im Vergleich zu anderen Anlagen bestenfalls neutral und möglicherweise negativ abschneidet. Statt Private-Equity-Fonds auf der Grundlage ihrer historischen Ergebnisse auszuwählen, hätten die Anleger «mehr Geld verdienen können, wenn sie mit verbundenen Augen Dartpfeile auf eine Liste von Buy-out-Managern geworfen hätten», schreibt Hooke. Selbst in guten Zeiten kämen die meisten Private-Equity-Renditen nicht aus der Effizienzsteigerung von Unternehmen, sondern weil der gesamte Markt wachse.

Wenn all das zutrifft, ist das immer wieder ins Feld geführte Argument, die Existenz von Private Equity sei notwendig, um die Renten von Millionen von Arbeitnehmer:innen zu sichern, nichtig. Wenn die Nettorenditen effektiv gleich oder sogar schlechter sind als bei einem gebräuchlichen Portfolio aus sechzig Prozent Aktien und vierzig Prozent Anleihen, dann gibt es überhaupt keinen sozialen Wert, der den Schaden ausgleicht, den Private Equity in der ganzen Welt angerichtet hat. Es ist einfach ein zynisches Mittel für die Wohlhabenden, immer mehr Reichtum vom Rest der Gesellschaft abzuschöpfen.

Kuschelig und symbiotisch

Warum also findet dieser enorme Vermögenstransfer von der Gesellschaft zu Private Equity weiterhin statt? Eine Handvoll Politikerinnen, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Gruppen setzen sich bei den Regierungen für Wege ein, die Gesellschaft vor den schlimmsten Auswirkungen von Private Equity zu bewahren. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehören die Abschaffung von Steuervergünstigungen und die Haftung von Private-Equity-Firmen für die Schulden ihrer Portfoliounternehmen. Aber wie so oft sind die Karten zugunsten von Private Equity gezinkt. Dutzende von Politikern, Beamtinnen und öffentlichen Verwalter:innen in den USA, Grossbritannien und anderen Ländern haben für Private-Equity-Firmen gearbeitet oder sie beraten.

Sowohl George Bush senior als auch George Bush junior waren in der Carlyle Group von David Rubenstein oder in deren Portfoliounternehmen tätig. Barack Obamas Finanzminister Timothy Geithner ist heute Vorsitzender und Präsident von Warburg Pincus. Für seine Dienste als «beratender Direktor» erhielt Richard Fuller, der Interimsvorsitzende der britischen Tories, mindestens 300 000 Pfund von der in Bahrain ansässigen Private-Equity-Firma Investcorp. «Auf beiden Seiten des Atlantiks sind die Beziehungen zwischen Private Equity und Gesetzgebern nicht nur kuschelig, sondern in einigen Fällen sogar symbiotisch», schreibt die auf die Branche spezialisierte Website «PitchBook».

In der Private-Equity-Branche gibt es ein Sprichwort: «An jedem Tag, an dem du nicht verkaufst, kaufst du.» Das bedeutet, solange man an einem Unternehmen oder einem anderen Vermögenswert festhält, ohne davon zu profitieren, wettet man auf dessen langfristigen Erfolg. Dahinter steht ein Prinzip, das an der Wall Street weitverbreitet ist: Es gibt bei jedem Handel nur zwei Seiten – den Gewinner und den Verlierer. Dasselbe könnte man über das Verhältnis der Gesellschaft zu Private Equity sagen: Jeden Tag, an dem wir es nicht regulieren, lassen wir es uns regulieren. Es ist klar, wer bei diesem Geschäft den Kürzeren zieht.

Aus dem Englischen von Enrico Kampmann.