Schweizer Chauvinismus: Unter Partnern
Welche Interessen verfolgen die Milliardäre hinter der Kompass-Initiative? Und wie sind die Gründer der Partners Group so reich geworden? Ein Abend mit Urs Wietlisbach im Solothurner «Kronen»-Saal.
Zwei nachgebildete Fabriken aus Backstein sowie ein begrüntes Haus mit runden Formen und vielen Terrassen: Ende Oktober ist es so weit, nach drei Jahren Bauzeit bezieht die Partners Group ihren neuen, 250 Millionen Franken teuren Hauptsitz im zugerischen Baar. Was die Gebäude symbolisch ausdrücken sollen, bleibt rätselhaft, wie auch das Geschäftsmodell des Private-Equity-Unternehmens den wenigsten bekannt sein dürfte. Einer der drei Gründer der Partners Group, Urs Wietlisbach, hat in der «Schweizer Illustrierten» auf die Frage, wie er es einem Kind erklären würde, einmal so geantwortet: «Wir investieren in private Firmen, Immobilien und Infrastrukturanlagen wie Wind- oder Solarprojekte, machen diese besser und veräussern sie nach fünf bis zehn Jahren wieder. Das Geld dafür bekommen wir von Versicherungen, Pensionskassen und Staatsfonds rund um die Welt.»
Derzeit macht die Partners Group viel von sich reden. Nicht nur wegen des neuen Hauptsitzes und der im September präsentierten Halbjahreszahlen, die im Vergleich zum Vorjahr deutlich rückläufig sind («Partners Group enttäuscht auf ganzer Linie», schrieb «Finanz & Wirtschaft»). Im Gespräch ist die Firma vor allem wegen ihrer Gründer, zu denen neben Wietlisbach auch Alfred Gantner und Marcel Erni gehören. Sie hatten vor vier Jahren die Vereinigung «Kompass Europa» gegen ein Rahmenabkommen mit der EU gegründet und vergangene Woche nun die Kompass-Initiative lanciert, die eine dynamische Übernahme von EU-Recht verhindern und Staatsverträge dem Ständemehr unterstellen will. Obwohl die Verhandlungen in Brüssel noch gar nicht abgeschlossen sind, scheinen es die Partner eilig zu haben. In 33 Ortschaften quer durch alle Kantone veranstalten sie derzeit eine «Roadshow» für ihr Vorhaben.
Gut, besser, Schweiz
Am Montag dieser Woche, an einem unfreundlichen Herbstabend, gastiert man in Solothurn im Hotel La Couronne. Die schöne Altstadt, der breite Fluss – Solothurn erinnere ihn an seine Heimatstadt Schaffhausen, schwärmt Wietlisbach zu Beginn. Um dann mit schnarrender Stimme gleich zur Sache zu kommen: Man habe nichts gegen Verhandlungen mit der EU auf Augenhöhe, doch verhandelt werde derzeit kein bilateraler, sondern ein einseitiger Vertrag. «Die EU will, dass wir fremde Gesetze übernehmen.» Mit einer Ablehnung werde man kein Risiko eingehen. Wietlisbach zitiert spöttisch den Branchenverband Swissmem, laut dem der Schweiz ohne neues Abkommen die Luft ausgehe. «Wenn man wissen will, wem die Luft ausgeht, muss man nur über die Grenze schauen. Dort geht überall die Luft aus.»
In diesem Ton geht es weiter, quer durch viele Folien voller Zahlen, die eine einzige Botschaft unterstreichen: Die EU ist ein müdes Gebilde, ihre Mitglieder haben eine viel höhere Verschuldung als die Schweiz, die Universitäten sind mittelmässig und die Bürokratie überbordet. Überhaupt: «Das Schlimmste an einem Rahmenabkommen ist die Bürokratie, die wir uns aus der EU einkaufen.» Während des Vortrags macht sich im «Kronen»-Saal ein unangenehmer Chauvinismus breit. Die Schweiz als Insel der Glückseligen, die mit allen in der Welt Geschäfte macht und dabei auf alle ein bisschen herabblickt. Die fünfzig Gäste im Saal, zur grossen Mehrheit ältere Männer, applaudieren zum Schluss laut. «Sackstark», zischt es durch die Stuhlreihen.
In den meisten Berichten zu den Partner-Milliardären und ihrer Initiative wird kaum thematisiert, wie sie zu ihrem Reichtum gekommen sind. Dieser hat viel mit uns allen zu tun, beziehungsweise unseren Pensionskassengeldern, die möglichst rentabel angelegt sein wollen. Und mit den unzähligen Möglichkeiten für die Verwalter:innen des Kapitals, unterwegs Gebühren zu kassieren.
Kennengelernt haben sich die drei späteren Partner in New York, bei der Grossbank Goldman Sachs. 1996, da sind sie alle etwa um die dreissig, machen sie sich selbstständig, gründen ihre Firma in Zug. Kurze Zeit später wird der Private-Equity-Boom – der Handel mit Beteiligungen an nicht börsenkotierten Firmen – auch die Schweiz erreichen. Pensionskassen investieren immer mehr in sogenannte alternative Anlagen, zu denen neben Private Equity etwa auch Hedgefonds zählen. Im Durchschnitt, so schätzen Expert:innen, haben Schweizer Pensionskassen heute neben ihren Anlagen in Aktien oder Immobilien sechs Prozent ihrer Vermögen in solche alternative Anlagen investiert, das sind rund 72 Milliarden Franken.
Der Geldstaubsauger
Ende 2023 verwaltete die Partners Group gemäss Geschäftsbericht Vermögen im Wert von 149 Milliarden US-Dollar: von Pensionskassen, Banken, Versicherungen und Privatkunden. 17 Prozent stammen aus der Schweiz, das entspricht rund 25 Milliarden Dollar. Etwas mehr sind es aus Nordamerika. Auch aus Europa, aus Asien und Australien kommt das Kapital, als wäre die Partners Group ein globaler Staubsauger. Das Geld investieren die 1900 Mitarbeiter:innen weltweit in Firmen, Immobilien und Infrastrukturprojekte. 2023 etwa in die Stanser Rosen-Gruppe, die Inspektionsgeräte für Pipelines herstellt, oder in den deutschen Biogasproduzenten Biogeen. Bei der Partners Group lässt sich also auch gut beobachten, wie sich mit dem Umbau der Energieversorgung als Folge von Klimadesaster und Kriegen viel Geld verdienen lässt.
Die Partner kassieren von den Pensionskassen Verwaltungsgebühren und beim erfolgreichen Weiterverkauf einer Firma oder deren Börsengang zusätzlich Erfolgsgebühren. Knapp 2 Milliarden Franken strich die Gruppe 2023 an Gebühren ein, woraus ein Betriebsgewinn von 1,2 Milliarden resultierte. Ob die Erfolgsgeschichte von Private Equity auf ewig weitergeht, ist seit dem Ende der Tiefzinspolitik zwar infrage gestellt: Höhere Zinsen machen die Aufnahme von Fremdkapital teurer, was wiederum Firmenverkäufe erschwert. Die Gründer der Partners Group, immer noch je mit fünf Prozent an der Firma beteiligt, gehören aber sowieso längst zu den Schweizer Superreichen: Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» beträgt ihr Vermögen je 2,5 bis 3 Milliarden Franken. Genug, um sich auch exquisite Hobbys zu leisten: Wietlisbach kaufte sich mit seiner Partnerin das Nobelhotel Kulm in Arosa, Erni hat mit seiner Frau in Steinhausen ein Privatmuseum für moderne Kunst gebaut, Gantner eine Megavilla am Vierwaldstättersee. Warum da bloss der späte Gang in die Politik?
Anruf bei SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, die als Wirtschafts- und Steuerspezialistin allfällige Eigeninteressen der Partner schnell benennen könnte. «Ich habe das einige Male abgecheckt, aber es gibt keine solchen», sagt sie. Die international tätige Firma sei schon jetzt komplett den EU-Regulierungen ausgesetzt, unabhängig von den Schweizer Verträgen. Als Privatpersonen hätten sie auch keine steuerliche Mehrbelastung zu fürchten, weil darüber mit der EU nicht verhandelt werde. «Ich glaube, es ist eher eine Testosterongeschichte. Nach dem Motto: Wir bestimmen selbst, wo es langgeht», meint Badran, die Alfred Gantner schon öfter getroffen hat. «Sie haben eine fast schon romantische Vorstellung von der Schweiz, vom Sonderfall unseres Landes. Es geht ihnen um die vermeintliche Selbstbestimmung und um die direkte Demokratie.» Zumindest Letzteres kann Badran durchaus nachvollziehen: Die Volksrechte seien schliesslich auch die beste Waffe, um den gröbsten neoliberalen Unfug zu verhindern, ob er nun aus Bundesbern oder aus Brüssel komme.
Jeder ein Unternehmer
Im «Kronen»-Saal in Solothurn spricht mittlerweile ein weiterer Unternehmer, der im Bereich Klebstoffe tätig ist. Er wolle sich nicht von der EU erpressen lassen. «Da kommt der kleine Tell in mir nach vorne, der in uns allen steckt.» Aus dem Saal gibt es in der Fragerunde viel Zustimmung, wobei fast jeder Unternehmer ist und unter der Bürokratie ächzt: Schweizer Partner unter sich.
Im Gespräch meint Wietlisbach im Anschluss, es sei erfreulich, wie nervös die Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse seien, die ein neuerliches Rahmenabkommen unterstützten: «Sie spüren den starken Zulauf bei uns.» Er selbst verfolge keinen politischen Eigennutz mit der Initiative: «Ich bin ein sozialistischer Kapitalist, habe ein Versprechen abgegeben, dass neunzig Prozent meines Vermögens der Charity zugutekommen.» Ziel der Initiative sei es, Druck auf den Bundesrat zu machen, damit er ein allfälliges Abkommen dem Ständemehr unterstelle. Dass dieses das Resultat der Abstimmung verzerre, will er nicht gelten lassen. «Es gehört nun einmal zur DNA unseres Landes.» Da ist sie nochmals, die mythisch überhöhte Schweiz.