Licht im Tunnel: Rote Geister

Nr. 47 –

Michelle Steinbeck über Muskiavelli in Italien

Die Satelliten stehen günstig für den reichsten Mann der Welt. Seit in den USA sein Präsidentschaftskandidat gewählt wurde, ist sein politisches Fieber gestiegen wie eine Rakete. Elon Musk deliriert den European Dream: Die Faschisten stehen in den Startlöchern und warten nur auf sein Kommando.

So etwa seine gute Freundin Giorgia Meloni. Die italienische Ministerpräsidentin erlitt kürzlich eine Schlappe, als ein Gericht in Rom einmal mehr die Abschiebung von Geflüchteten in ihr Vorzeigeprojekt, das Lager in Albanien, untersagte. Elon Musk postete daraufhin wenig geistreich: «these judges need to go». Ähnlich dumpfbackig fiel die zustimmende Replik von Minister Salvini aus, der sich in letzter Zeit gern in roter Trump-Krawatte zeigt. Meloni schwieg, liess aber ihre Partei Fratelli d’Italia sofort einen Antrag stellen, um den Richter:innen die Befugnis zu entziehen, über Internierungen in Albanien zu entscheiden. Journalist Lorenzo Tosa vergleicht sie daraufhin mit Viktor Orbán, nennt sie den «Butler eines Milliardärs» und schreibt: «Alles nur, um das auf allen Linien scheiternde Albaniendesaster nicht zugeben zu müssen.»

Die meisten Medien verbieten sich selbst derart auf der Hand liegende Analysen und beschränken sich auf unkritische Reproduzierung der Hetze. Statt Polemik als solche zu kennzeichnen und analytisch einzuordnen, werden rechtsextremes Gedankengut und entsprechende Handlungen weiter normalisiert. In der FAZ wird Musks plumpe Provokation zu «scharfer Kritik» an der Justiz. Im Text häufen sich kommentarlos stehen gelassene Behauptungen rechter Politiker, es handle sich um einen politischen Coup von «ein paar Richtern».

Dass die sich schlicht an die geltenden Gesetze halten, wird ebenso ausser Acht gelassen wie die in Italien gängige rechtspopulistische Diffamierung von Unliebsamen als «kriminelle Kommunisten», «rote Zecken» oder im Fall der Jurist:innen «rote Togen». Dieses absurd anmutende Heraufbeschwören kommunistischer Geister steht in einer langen Tradition der strategischen Schwächung der italienischen Linken, die bis in die 1980er in Terroranschlägen gipfelte, die den damals noch starken Roten Brigaden in die Schuhe geschoben wurden.

In diesem Kontext steht auch das kursierende Meme, das Salvini auf Sigmund Freuds Liege zeigt: «Ich sehe überall Kommunisten.» Die Philosophin Donatella Di Cesare schreibt: «Ich bin stolz, eine ‹rote Zecke› zu sein, lieber Salvini. Es sind die Schwarzhemden, die sich in diesem Land ausserhalb der Verfassung befinden.» Wie viele postete auch sie: «Ich stehe für die italienischen Richter:innen ein.»

Ein weiterer Social-Media-Trend ist der Boykott von X. Nach dem Berliner Filmfestival, der Polizei North Wales und dem «Guardian» melden sich auch prominente Italiener:innen von der Plattform ab. «Wir halten Musk für eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit und wir wollen nicht weiter Teil seiner Propagandamaschine sein», steht da etwa in einem letzten Post der Band Elio e le Storie Tese.

Musk hetzt derweil ungerührt weiter: «Unakzeptabel», poltert er. «Leben die italienischen Leute eigentlich in einer Demokratie oder entscheidet eine ungewählte Autokratie?» Gute Frage. Ob sich die «italienischen Leute» von «Muskiavelli» aufstacheln lassen zu einem Sturm auf ihre Gerichte und ob der Exodus von X weiter anhält, ist derzeit noch offen.

Michelle Steinbeck ist Autorin und selbsternannte Italienkorrespondentin. Mehr zum Terrorismus unter falscher Flagge in Italien steht in ihrem Roman «Favorita» (S. 346–349).