Auf allen Kanälen: «Tsüri» feiert

Nr. 48 –

Das Online-Stadtmagazin trotzt seit zehn Jahren dem Trend und baut seine Berichterstattung in der Kultur aus.

Ausschnitt aus dem Tsüri-Logo

Es gibt sie noch, die erfreulichen Nachrichten aus dem Lokaljournalismus. Nachdem die letzten Monate von Sparmassnahmen der grossen Verlage wie CH Media oder Tamedia geprägt waren, geht ein Zürcher Onlinemedium den umgekehrten Weg: Das Stadtmagazin «Tsüri» hat innert einer Woche 46 000 Franken gesammelt und eine neue Kulturredaktionsstelle geschaffen. Damit reagiert es auf den Beschluss des «Tages-Anzeigers», den «Züritipp» einzustellen, die Zeitungsbeilage, die seit vierzig Jahren Kultur und Stadtleben begleitet. «Tsüri» lanciert nun den «Tsüritipp» – einen wöchentlichen Kulturnewsletter, der nicht nur Agenda sein will, sondern auch aus dem Kulturleben der Stadt berichten wird.

Seit zehn Jahren gibt es «Tsüri» schon – eine lange Zeit für ein relativ kleines Onlinemedium, das sich in der Stadtzürcher Lokalberichterstattung neben den Schwergewichten «Tages-Anzeiger» und NZZ behaupten muss. Über die Jahre seien sie insbesondere für ein junges Publikum relevant geworden, sagen Lara Blatter und Simon Jacoby aus der «Tsüri»-Geschäftsleitung. In ihrem Büro in Zürich Altstetten sieht aktuell alles ein wenig improvisiert aus. Erst kürzlich hat das zehnköpfige Team den neuen Redaktionsraum bezogen und verschickt von hier aus sein ­«Züri-Briefing» an gut 15 000 Leser:innen – einen Newsletter, der werktags die wichtigen lokalen Medienereignisse zusammenfasst.

Urbane Brennpunkte im Fokus

Auf der «Tsüri»-Website erscheinen meistens kürzere Hintergrundartikel über Politik, Stadtleben oder Mobilität und Umwelt. Aber auch längere Geschichten und kritische Recherchen gehören zu «Tsüri», etwa jene vom vergangenen Juni, die der Frage nachging, ob die Zürcher Polizei mit der Gesichtserkennungssoftware Pim Eyes ermittelt. «Wir schauen dorthin, wo es gerade am meisten brennt», sagt Blatter. Seit einigen Jahren hat sich das Magazin deshalb konsequent dem Thema Wohnungsknappheit verschrieben.

«Tsüri» sei nicht immer so politisch gewesen, erinnert sich Jacoby. Angefangen habe alles mit einem Google-Drive-Ordner, einer Facebook- und einer selbstgebastelten Wordpress-Seite, auf der mehrheitlich über popkulturelle Themen geschrieben worden sei. Eine lose Gruppe angehender Journalist:innen wollte damals während zwei Jahren herausfinden, ob Lokaljournalismus auch online und für eine jüngere Zielgruppe funktioniert. Die Website verzeichnete schon in den ersten Monaten so viele Zugriffe, dass man sich bald dazu entschied, etwas Längerfristiges aufzuziehen.

Heute hat das Onlinemagazin zehn Vollzeitstellen, 2025 sollen noch mal zwei weitere dazukommen. Während die grossen Verlage sparen, ist «Tsüri» stetig gewachsen. Wie ist das möglich?

«Tsüri» funktioniert über ein Mitgliedssystem. Wer mindestens acht Franken pro Monat bezahlt, ist dabei. Laut dem eigenen Transparenzbericht stammt von den «Members» fast ein Drittel der Einnahmen. Weitere wichtige Einnahmequellen sind Veranstaltungen und Sponsoring (27 Prozent) sowie Werbung (26 Prozent). Das Magazin hat ein Modell entwickelt, mit dem über gesponserte Events Geld eingenommen wird, das wiederum in die redaktionelle Arbeit fliesst. Dafür hat «Tsüri» so etwas wie eine Zauberformel gefunden: Die Hälfte der Belegschaft arbeitet im Verlag und ist damit beschäftigt, Geld einzutreiben. Die andere Hälfte arbeitet redaktionell. «Dann sind wir einigermassen stabil», so Jacoby.

Geschichten als Spaziergang

Einer dieser gesponserten Events findet dieses Wochenende statt: An den «Züri Awards» werden Personen und Unternehmen in verschiedenen Kategorien für ihre Arbeit gewürdigt und ausgezeichnet. Das klingt erst mal eher nach Marketing als nach Journalismus. An vielen Veranstaltungen versucht das Magazin aber auch journalistische Inhalte zu vermitteln. «Wir erzählen Geschichten als Spaziergang oder organisieren Workshops und Diskussionen mit Expert:innen», erklärt Blatter.

«Natürlich wäre es wünschenswert, mehr auf die redaktionelle Arbeit fokussieren zu können. Aber woher soll das Geld kommen? In Momenten, wo überall gespart wird, ist es wichtig, darüber zu sprechen, wie sich Journalismus auch ohne staatliche Förderung finanzieren lässt», sagt Blatter. Und so werden die Grenzen zwischen redaktioneller Arbeit und Werbung bei «Tsüri» immer mal wieder aufgeweicht.