Wichtig zu wissen: Im peripheren Dunstkreis
Ruedi Widmer über die berufliche Gefahr, in die Politik abzusteigen

Der «Tages-Anzeiger» fragt, wie es zusammengeht: Immer mehr SUVs fahren, aber die Autobahnen ablehnen? Es geht gut, nämlich 4 × 4 querfeldein.
Vielleicht haben wirklich ein Gymnasiast und eine US-Präsidentschaftskandidatin im Alleingang den Autobahnausbau in der Schweiz verhindert. Mein innerer Michael Hermann sagt mir, dass Röstis Parteiergreifung für Trump in der Fragestunde einer Gymnasialklasse der Tropfen war, der den Topf mit dem Kartoffelwasser zum Überlaufen brachte. Macht sicher das 51. Prozent aus.
Dazu hat die Nichtwahl von Kamala Harris in Europa zu einer Zukunftsangst geführt. Da fragte sich das 52,7. Prozent, weshalb man den russischen Panzern auf ihrem Weg nach Lissabon noch schöne Autobahnen bereitstellen sollte beziehungsweise ob die Zukunft mit der US-Zollwut Wirtschaftskrisen und damit weniger Berufs- und Transportverkehr bringt.
Derweil zeigen sich die Auswirkungen von KI immer deutlicher. Sie vernichtet die geistigen Berufe. Während der Pflegebereich händeringend nach Leuten sucht und allerorten gute Sanitärfachleute fehlen, stehen Journalisten, Anwältinnen, Newsmoderatoren, Satirikerinnen oder Musiker vor einer Zukunft ohne Arbeit.
Für sie gibt es nur noch die Rettung in die Politik (oder die US-Regierung), oft bequemlichkeitshalber nicht in die parlamentarische Politik (Sitzbeschränkung), sondern in jenen peripheren illiberalen Dunstkreis (Hiltl State), der jüngst auch in Zürich zum Staatsbesuch von Alice Weidel führte. In diese wie eine Sterngeburt um sich selbst drehende Gaswolke, die sich zunehmend verkumpelt.
Neustes Beispiel dafür ist Dieter Bohlen. Der TV-Juror und Discomusiker möchte die nächste deutsche Regierung «beraten», sei sie nun von Friedrich Merz geführt, von der AfD oder gar der Memoirin Merkel, und zwar so, wie er es bei Elon Musk sieht. Bohlen («Geronimo’s Cadillac») fühlt sich dazu befähigt, sich einen Kanzler zu suchen. Der Sänger («Cheri Cheri Lady») ist nicht der Einzige, den es ins Business mit Politik treibt. Julian Reichelt, Ex-«Bild»-Chef, betreibt auf nius.de politische Agitation. Trump werde die Olympischen Spiele 2028 persönlich vom Mond aus eröffnen – ernsthaft gemeint, verbunden mit einer Tirade gegen das «abgehängte Deutschland» (zum Glück; ich würde Scholz oder Merz nicht gerne auch noch auf dem Mond zuhören müssen).
Ebenso der demokratisch gewählte deutsche PARTEI-Chef und Europaabgeordnete Martin Sonneborn – einer der besten Satiriker überhaupt, der sich bezüglich Ukraine und Russland strikt neutral verhält (wie die Schweiz) und dem auf X deswegen auch jene AfD-affinen Menschen zu Füssen liegen, über die er sich früher in seiner «Titanic»-Rubrik «Telefonterror» noch lustig gemacht hatte. Inhaltlich hat er zwar meist recht, wenn er Korruption in der EU benennt. Bei ihm dient das allerdings vollumfänglich der Stärkung kaum weniger korrupter antieuropäischer Kreise.
Ich fand Beppe Grillo immer ein gutes Beispiel dafür, dass man als Komiker nicht in die Politik sollte, vor allem auch nicht in dem Alter (selbst Marco Rima ist zu dieser Einsicht gekommen). Grillo ist inzwischen so zerstritten mit seiner Partei, dass er abgesetzt wurde.
Es sind ja vornehmlich zu 97,9 Prozent Männer, die finden, sie könnten es besser als der «Politfilz». Zynismus, Bedeutungsverlust und Sendungsbewusstsein sind sicher wichtige Mitbringsel, ebenso Freude an der Dekonstruktion. Und eben formal auch immer wieder Elemente der Satire wie Übertreibung und Verdrehung; leider gehört deren wichtigstes Element, die Selbstironie, nicht dazu.
Frauen sind in dieser Showpolitik deutlich untervertreten, weil sie inzwischen besser gebildet und durch den Genderstern auch besser geschützt sind. Und wissen, wie man etwas tut.
Ruedi Widmer (Winterthur) wird sich davor hüten, je in die Fänge der Politik zu geraten.