Mobilitätspolitik: Ein Steuergeschenk für die Richtigen

Nr. 2 –

So einfach könnte Umverteilung sein: Seit Jahresbeginn fahren Menschen unter 25 Jahren im Kanton Genf gratis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln – vorausgesetzt, sie befinden sich im Kanton in Ausbildung oder sind dort wohnhaft und verdienen wenig. AHV- und IV-Bezüger:innen bezahlen zudem nur noch die Hälfte für ihr Monats- oder Jahresabonnement.

Bemerkenswert ist das gleich in mehrerlei Hinsicht: Denn die Vorstellung, dass etwas, das nichts kostet, auch keinen Wert hat, hält sich in der Schweiz noch immer hartnäckig. Hinzu kommt die weitverbreitete Ansicht, es gebe ohnehin nichts gratis. Oder, wie es etwa der Genfer SVP-Grossrat Stéphane Florey formulierte: «La gratuité n’existe pas.»

Bezahlen wird der Kanton die subventionierten Abonnemente aus der Staatskasse; rund 32 Millionen Franken sollen im ersten Jahr dafür aufgewendet werden. Dass er sich das leisten kann, liegt daran, dass er 2023 zum wiederholten Mal einen beachtlichen Steuerüberschuss erzielte. Der Vorschlag der Regierung, das positive Resultat in eine Einkommenssteuersenkung umzumünzen, war erwartbar. Überraschender kam dagegen die Idee der kostenlosen und vergünstigten Abonnemente. Es handle sich dabei um eine soziale Massnahme – und um eine ökologische, da sie die Verlagerung auf den ÖV fördere, sagte der zuständige Staatsrat Pierre Maudet (parteilos, ehemals FDP).

Im Kantonsparlament wurde das Vorhaben trotz Gegenwind aus den Reihen der SVP und der FDP im letzten Mai angenommen. Zwei freisinnige Grossräte versuchten daraufhin, die Einführung der Gratisabos zu verhindern: Sie zweifelten die Vereinbarkeit der Massnahme mit der Bundesverfassung an, blieben mit ihrer Beschwerde aber erfolglos. Tatsächlich hatte das Bundesgericht im März 2023 eine Initiative im Kanton Freiburg für ungültig erklärt, die einen kostenlosen öffentlichen Verkehr für alle forderte. Indem Genf den ÖV nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen vergünstigt, nutzt es nun den vorhandenen Spielraum – und inspiriert damit hoffentlich andere Kantone.