Serie: Ordnung im Chaos
Die Romanvorlage von James Clavell stammt von 1975, die Geschichte spielt im Jahr 1600, und doch wirkt die Serie «Shōgun» fast unheimlich aktuell. In Japan herrscht Bürgerkrieg, das Land taumelt am Rand einer Zeitenwende. Der alte Herrscher ist tot, sein Sohn viel zu jung, um ihn zu beerben. Rund um das Führungsvakuum lauert ein machthungriger Bund aus lokalen Regenten. Einige von ihnen tragen Kreuze um den Hals, sind Alliierte der katholischen Kolonialmacht Portugal. Deren Gesandte wiederum falten fromm die Hände über der Mönchskutte. Vor allem aber kontrollieren sie den florierenden Überseehandel mit Argusaugen und geheimen Militärbasen.
Erzählt wird diese so komplexe wie explosive Gemengelage aus dem Blickwinkel des einfachen englischen Seefahrers John Blackthorne (Cosmo Jarvis), der mit einem holländischen Handelsschiff über die von Spanien lange geheim gehaltene Magellanstrasse angesegelt kommt. Weil «Shōgun» in enger Zusammenarbeit mit einem vielköpfigen japanischen Team geschickt von der Buchvorlage emanzipiert wurde, identifiziert man sich jedoch weniger mit ihm als mit den viel interessanteren Japaner:innen: dem Fürsten Yoshi Toranaga (Hiroyuki Sanada), vor allem aber mit seiner Übersetzerin und Vertrauten Toda Mariko (Anna Sawai).
Der «Barbar» Blackthorne wird zum Spielball von hochriskanten Machtspielen. Toranaga versucht, mit Täuschungsmanövern, Doppelagent:innen und Kanonen aus dem beschlagnahmten Handelsschiff die Oberhand zu gewinnen. Die europäischen Religionskriege werden dafür genauso in den Dienst genommen wie der strenge Ehrenkodex der einheimischen Samurai. Langsam schält sich eine bestechende strategische Logik aus dem Chaos des epochalen Machtkampfs in Osaka. Fast alle tragen wenigstens zwei Seelen in ihrer Brust. Zerrissen und doch meist gefasst, sind diese Figuren genauso unwiderstehlich wie die atemberaubenden Landschaften und aufwendig rekonstruierten Kulissen und Kostüme.
