Ziemlich illegal: Oberstlt i Gst Vogel will Streumunition kaufen
Thomas Vogel ist Offizier im Generalstab der Schweizer Armee. Er hat sich Gedanken zur Aufrüstung gemacht, die alles andere als konform mit der Schweizer Gesetzgebung sind.

Tom Vogel hat ein Lebensmotto. Es steht auf seinem Linkedin-Profil ganz oben: «Stop discussing. Solve problems.» Tom Vogel diskutiert nicht gerne Probleme, er löst sie einfach. Doch manchmal schafft er auch ohne Not ganz neue Probleme.
Tom Vogel heisst eigentlich Thomas, er ist CEO des Zürcher IT-Unternehmens Yonder und Oberstleutnant im Generalstab. Was ziemlich weit oben ist im Organigramm der Schweizer Armee. Hin und wieder schreibt er Beiträge für die Mitgliederzeitschrift des Militärs, den «Schweizer Soldaten». Einmal erklärte er, weshalb er gerne «Military Guys» für sein Unternehmen anheuere (wegen der Denkweise und Haltung). Auch mit anderen Military Guys steht es geschäftlich ganz gut, seine Firma hat Software an die Ruag und Armasuisse verkauft. Der eine Auftrag war gar nicht ausgeschrieben, der andere wurde freihändig vergeben.
Kürzlich wagte sich Vogel publizistisch auf ziemlich unsicheres, gewissermassen vermintes Terrain. In der aktuellen Ausgabe des «Schweizer Soldaten» erörtert er unter Nennung seines Rangs Oberstlt i Gst unter dem eher komplizierten Titel «Kriegsmaterial einlagern statt ausbilden» die Aufrüstung der Schweizer Armee, neuerdings «Aufwuchs» genannt. Vogel habe sich den Krieg in der Ukraine angeschaut und gemerkt, dass es der Schweizer Armee an vielen Dingen fehle, die dort im Einsatz seien. Drohnen, Raketenartillerie oder Panzerabwehrminen zum Beispiel. Oder Streumunition.
«Das Undenkbare denken»
Komme der Krieg an die Schweizer Grenze, werde der Markt für Rüstungsgüter ausgetrocknet sein, prophezeit Vogel, darum solle die Armee kaufen, was sie kriegen könne. «Doch was tun wir stattdessen? Wir verfallen in die gefürchteten helvetischen Diskussionen.» Und Diskussionen, das sind nicht die Sache von Vogel. Er gerät in Wallung und macht sich sogar darüber lustig: «Streumunition? Um Gottes Willen, auf keinen Fall! Diese Munition ist international geächtet, und wir wollen doch nicht die humanitäre Tradition der CH für einen militärischen Vorteil aufgeben?»
Streumunition ist nicht nur international geächtet, sie ist in der Schweiz verboten – genauso wie biologische oder chemische Kampfstoffe. Artikel 8 im Kriegsmaterialgesetz verbietet den Erwerb, das Einlagern, die Weitergabe von Streumunition; der Artikel stellt sogar unter Strafe, was Vogel hier gerne tun würde: jemanden dazu verleiten, Streumunition zu kaufen.
Grundlage für das Gesetz ist die Osloer Konvention zur Streumunition, die von 112 Ländern unterzeichnet und 2012 von der Schweiz ratifiziert wurde. Die Schweiz hat gestützt darauf in den letzten Jahren grosse Bestände an Streumunition, die für die Artillerie gedacht waren, vernichtet. Oberstlt i Gst Vogel ist nicht der Einzige, der das bedauert. Vor einem Jahr wehrte der Bundesrat eine Anfrage von SVP-Nationalrat David Zuberbühler ab, der «gestützt auf die Erkenntnisse aus dem Krieg in der Ukraine» die Wiederanschaffung von Streumunition anregte. Deren Einsatz habe «wegen der unterschiedslosen Wirkung, der hohen Anzahl an Blindgängern, aber auch wegen der direkten oder indirekten Wirkung schwerwiegende humanitäre Folgen», so der Bundesrat. Nicht explodierte Geschosse würden auch noch Jahre nach Ende eines Konflikts Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern.
Was sagt Vogel dazu? Detaillierte Fragen beantwortet er nicht, stattdessen zieht er sich hinter eine generelle Stellungnahme zurück: «Als Generalstabsoffizier tue ich, was Generalstabsoffiziere tun und schon immer taten: Das Undenkbare denken.» Tatsächlich ist Vogel sogar Präsident der Gesellschaft der Generalstabsoffiziere, der elitärsten unter den vielen Bruderschaften der Schweizer Armee.
Aufruf zum Hamstern
Die Streubombe, die Vogel im «Schweizer Soldaten» gezündet hat, wird die Armeeführung bemerkt haben. Doch die Armee geht nicht auf Fragen zu dessen Beitrag ein. Sie verweist auf das geltende Abkommen und hält fest, dass die Armee die Forderungen nach Streumunition nicht unterstütze. Dass aber einer wie Oberstleutnant Vogel argumentativ derart frei dreht, ist schwer vorstellbar.
Der Aufwuchs der Armee scheint dunkle Triebe zu befördern. Auf seinem Linkedin-Profil beschwert sich Vogel immer mal wieder über die Politik, über ihre fehlende Weitsicht, ihr Zögern. Sein Misstrauen gegenüber dem Parlamentarismus zeigt sich in seinem Text im «Schweizer Soldaten». Er schliesst mit der Forderung, alles an Waffen zu hamstern, was zu haben ist. Am besten so, dass es niemand merkt: «Wenn wir ein derartiges Vorgehen nicht übertransparent der ganzen Welt kommunizieren, haben wir nach der Bevorratung alle Zeit der Welt, um über Einsatzverfahren, rechtliche Grundlagen und Reglemente zu diskutieren.»
Das klingt einigermassen beunruhigend. Was er genau damit meint, will er nicht sagen, bloss Folgendes: Ein aggressiver Gegner lasse sich leider nicht durch unterzeichnete Konventionen oder politische Diskussionen abschrecken, belehrt der Generalstabsoffizier die WOZ, «sondern nur durch nachweisliche Bereitschaft».
Wer nach den Regeln spielt, so der Tenor, verliert. Doch hat, wer nicht nach den Regeln spielen will, wirklich etwas verloren an der Führungsspitze der Schweizer Armee?