Trumps Zollpolitik: Mitten im Handelskrieg

Nr. 11 –

Die Zollpolitik des US-Präsidenten hat nichts damit zu tun, die Ungerechtigkeiten des Freihandels beseitigen zu wollen. Sie ist eine Machtdemonstration, die schon bald scheitern könnte.

Diesen Artikel hören (9:41)
-15
+15
-15
/
+15

So hatte sich das US-Präsident Donald Trump wohl nicht vorgestellt. Sieben Wochen nach seiner Amtseinführung fallen die Kurse am US-Aktienmarkt immer weiter, und immer mehr Finanzanalyst:innen nehmen das Wort «Rezession» in den Mund – es droht ein Ende des Wirtschaftswachstums in den USA. Trump selbst, der sonst eins ums andere Mal das Blaue vom Himmel verspricht, schloss am Wochenende in einer TV-Sendung eine Rezession nicht aus und behauptete, dass seine Handelspolitik sich eben in einer Übergangsperiode befinde, «denn das, was wir tun, ist sehr gross».

Doch Zeitpunkt und Dauer der Aktienbaisse sind ein klares Signal einer allgemeinen Verunsicherung. Auch das Finanzestablishment ist besorgt: Trumps «goldenes Zeitalter beginnt mit einem brutalen Handelskrieg», klagt dessen Leitmedium «Wall Street Journal» und stellt fest, der US-Präsident sei gerade dabei, die Weltordnung zu zerschlagen, die die USA vor achtzig Jahren in Bretton Woods aufgebaut hätten. Damals, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, einigten sich die späteren Siegermächte auf ein neues Handelssystem unter US-Führung.

Einschüchterung als Ziel

Trump hatte schon in seiner ersten Amtszeit Handelskriege angezettelt. Doch damals hatte er noch Minister und Beraterinnen um sich geschart, die ihn etwas bremsten. So handelten sie mit den beiden grössten US-Handelspartnern, den Nachbarstaaten Mexiko und Kanada, eine Reform des gemeinsamen Freihandelsvertrags Nafta aus, der seither USMCA heisst, aber in vielem dem ursprünglichen Vertrag entspricht.

Doch nun will Trump diesen Vertrag pulverisieren. Die Intention bleibt unklar: Ein grosser Teil seiner Rhetorik scheint darauf angelegt, die Handelspartner möglichst einzuschüchtern. So etwa durch die Forderung gegenüber Kanada, sich den USA als 51. Bundesstaat anzuschliessen. Zugleich scheint Trump damit bei seiner Wähler:innenbasis punkten zu wollen.

Inzwischen erheben die USA von Kanada und Mexiko Zölle von 25 Prozent für Waren, die nicht durch das USMCA abgedeckt sind. Und es gibt ein neues Ultimatum per 2. April, das auch Zölle etwa auf Fernseher, Avocados oder Rindfleisch nach sich ziehen würde. Gegenüber China hatte Trump bereits in seiner ersten Amtsperiode Zölle auf bestimmte Güter wie Solarpanels und Aluminium erhoben, sein damaliger Nachfolger Joe Biden hatte diese gar ausgeweitet. Mit der erneuten Machtübernahme durch Trump haben die USA nun generelle Zölle von zunächst 10 und seit Anfang März 20 Prozent in Kraft gesetzt. China hat seinerseits mit Gegenzöllen reagiert. Seit Mittwoch wird zudem generell 25 Prozent auf Stahl und Aluminium erhoben, egal aus welchem Land. Ebenfalls schon angekündigt hat Trump, dass er als Nächstes die EU ins Visier nehmen werde. Diese wiederum will wegen der Stahl- und Aluminiumzuschläge ab Anfang April Zölle auf US-Whiskey, -Boote und -Motorräder erheben. Ein Ende dieses globalen Handelskriegs ist nicht absehbar.

Letztlich scheint Trump der Welt eine neue, chaotische Handelsordnung aufdrücken zu wollen. Die Staaten sollen sich den USA beugen und ihnen im Austausch für Zollerleichterung freie Hand lassen – etwa bei der Ausbeutung von Rohstoffvorkommen durch US-Konzerne oder beim Abbau von Regulierungen (wie zum Beispiel Konsument:innen- und Datenschutzbestimmungen der EU, über die sich US-Techkonzerne beklagen).

Das alles ist jedoch voller Widersprüche. Die vielen günstigen Produkte, die die USA etwa aus Mexiko und China importieren, sind ja nur deshalb so günstig, weil die Arbeitskosten dort viel tiefer sind als in den USA. Davon haben auch die US-Konzerne jahrzehntelang profitiert und eine kleine Schicht US-Amerikaner:innen immer reicher werden lassen. Die Konsument:innen wiederum konnten sich die importierten Produkte leisten, auch wenn ihre Löhne in den vergangenen Jahrzehnten kaum angestiegen sind. Das System basierte auf dem alten liberalen Dogma, wonach Güter dort produziert werden sollen, wo es am billigsten und effizientesten ist. Ob das auch für normalsterbliche Menschen gut ist, interessiert in dieser Optik nicht. So führte der Nafta-Vertrag weder in den USA noch in Mexiko oder Kanada zu einer allgemeinen Wohlstandsvermehrung, sondern begünstigte nur wenige.

Trump gibt nun vor, dieses Wirtschaftsmodell ersetzen zu wollen. Doch seine Zölle verteuern die Produkte zum Nachteil der Konsument:innen. Dafür soll es wieder mehr gut bezahlte Jobs in den USA geben; die höheren Arbeitskosten sollen durch günstigere heimische Energie kompensiert werden. Erdöl, Kohle und Gas will Trump auf Teufel komm raus fördern lassen, ungeachtet der Klimaerhitzung. Es ist eine Art Rückkehr in die scheinbar heile Welt der fünfziger und sechziger Jahre, ins fordistische Zeitalter, als die vornehmlich weissen Arbeiter in den Autofabriken genug verdienten, um sich die neusten von ihnen produzierten Automodelle samt einem Eigenheim leisten zu können.

Diese Vision ist aus der Zeit gefallen. Der türkisch-amerikanische Ökonom Dani Rodrik hat es vorgerechnet: Demnach hat sich die Produktivität von Fabrikarbeitsplätzen seit 1980 versechsfacht. Das heisst: Heute produziert ein:e Arbeiter:in in einer Fabrik sechsmal so viel wie vor 45 Jahren. Deshalb arbeiten immer weniger Menschen in den Fabriken, ihre Zahl ist unter Trumps erster Amtszeit wie auch in den folgenden Jahren unter Biden zurückgegangen. Wenn Firmen nun ihre Produktion in die USA verlagern, werden sie Fabriken bauen, in denen vor allem Roboter stehen.

Arbeitsplätze entstehen derweil im Dienstleistungssektor, etwa in der Pflege – sind aber oft schlecht bezahlt. Gleichzeitig vernichtet Trump mit Massenentlassungen im öffentlichen Dienst Zehntausende gut bezahlte Jobs und schwächt Dienstleistungen, die für eine prosperierende Wirtschaft essenziell wären: So etwa sind 750 Beschäftigte bei der Seuchenbekämpfung entlassen worden – und das, während sich die Vogelgrippe in den USA gerade immer weiter ausbreitet. Zudem plant die Regierung grossflächige Steuersenkungen und enorme Kürzungen bei der Altersvorsorge und bei Medicaid, der staatlichen Gesundheitsversicherung für Bedürftige. Auch die Ernährungshilfe für Arme soll stark gekürzt werden. Der linksdemokratische Senator Bernie Sanders spricht vom «umgekehrten Robin-Hood-Prinzip».

«Ruhig, aber radikal»

Trumps Zollpolitik sowie seine vorgesehenen Kürzungen im Sozialbereich werden viele US-Amerikaner:innen ins Mark treffen. Dazu kommen die Gegenmassnahmen jener Staaten, die mit Trumps Zöllen belegt werden. Auf jeden Fall schweisst Trumps Zollpolitik die Bevölkerungen der betroffenen Länder zusammen. So demonstrierten am vergangenen Wochenende Zehntausende in Mexikos Hauptstadt gegen Trump und für die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum. In Kanada wächst derweil eine Art neuer Patriotismus. Der liberale Premierminister Mark Carney machte in seiner ersten Rede als neuer Regierungschef deutlich, gegen wen sich Trumps Handelskrieg richtet: «Er attackiert kanadische Arbeiter, Familien und Unternehmen.» Er werde Trump damit nicht durchkommen lassen. Kanada werde seinerseits Zölle auf US-Güter erheben, «mit maximalen Auswirkungen in den USA, bis die Amerikaner uns Respekt zeigen».

Kanada hat Anfang Woche klargemacht, was das heisst: Doug Ford, konservativer Premierminister von Ontario im Südosten des Landes, belegte am Montag die Stromlieferungen aus seiner Provinz an rund 1,5 Millionen Haushalte der USA mit einem 25-prozentigen Aufschlag. Das könnte bis zu hundert US-Dollar höhere Stromkosten pro Haushalt und Monat nach sich ziehen. Sollte Trump seinen Handelskrieg weiter ausweiten, werde man den Strom ganz abstellen.

Inzwischen hat Ford den Aufschlag wieder aufgehoben. US-Handelsminister Howard Lutnick habe ein Friedensangebot gemacht. Trump hatte zuvor angekündigt, den Zoll auf kanadischem Stahl und Aluminium ab Mittwoch nicht auf 25, sondern gar auf 50 Prozent zu erhöhen. Die Situation ändert sich fast stündlich – die Verunsicherung nimmt weiter zu.

Der französische Ökonom Gabriel Zucman schreibt in einem Aufsatz, der Handelskrieg könne auch eine Gelegenheit sein, internationale Handelsbeziehungen «ruhig, aber radikal» zu überdenken – und dazu dienen, ein neues globales Rahmenwerk zu erarbeiten, das Steuerdumping eliminiere, Ungleichheit bekämpfe und den Planeten schütze. Eine schöne Idee. Allerdings: Damit die Regierungen tatsächlich etwas so Vernünftiges angehen, bräuchte es wohl mehr Druck aus der ganzen Gesellschaft.