Kost und Logis: Friede, Freude, Tofukuchen

Nr. 14 –

Karin Hoffsten über einen Ort, an dem Vernunft und Esoterik einträchtig koexistieren

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Was ich für vegan halte, ist es noch lange nicht. Das ist die wichtigste Lektion, die ich kürzlich beim Besuch der Veganmesse in Zürich gelernt habe. Denn auch das unschuldigste Rüebli kann in mit tierischer Gülle gedüngtem Boden gewachsen sein.

Auf dem Hinweg wird mir plötzlich bewusst, dass ich falsch oder, besser gesagt, missverständlich gekleidet bin. Die Jacke, die ich trage, löste nämlich schon öfter ein entzücktes «Was für eine schöne Lederjacke!» aus. Laut Etikett besteht sie aus Polyester und Polyurethan, also fucking Plastic, und hat ein Innenfutter aus Baumwolle. Aber nicht nur Plastik, sondern auch Baumwolle ist ja längst in Verruf geraten. Hoffentlich schaut niemand feindselig, sage ich zu meiner Begleiterin, doch die Befürchtungen sind unbegründet. Alle Aussteller:innen sind ausserordentlich freundlich.

Die Messe findet in der Giesserei Oerlikon statt, wo einst Metallteile für sanitäre Zwecke gefertigt wurden. Seit dreissig Jahren nutzt ein erfolgreicher Gastrobetrieb den Charme der alten Industriebauten, jetzt hat man die grossen und doch verwinkelten Räume der Veganmesse zur Verfügung gestellt. Nur schon die Kellergänge zum Damen-WC haben Thrillerpotenzial. Vor dem Eingang umringen uns «Food-Trucks für die vegane Verpflegung». Wir stärken uns mit Crêpes, gefüllt mit selbstgemachtem Apfelmus. Folglich fehlt uns beim anschliessenden Rundgang für die appetitlichsten Häppchen jeglicher Platz. Aber reden kann man ja auch, wenn man satt ist.

Nun versammeln sich an einem solchen Ort erwartungsgemäss Dinge und Themen, die ich ganz unterschiedlich beurteile. Also hoffe ich, dass die junge Frau, die mir die beglückende Wirkung des Bambusvitalpflasters mit «Wasserkristall-Zertifizierung» erklärt, nicht merkt, dass ich ihre Worte für blanken Blödsinn halte. Obwohl es mich schon ein winziges bisschen reizt auszuprobieren, ob nach einer Nacht mit dem Pflaster wirklich «schlackig braune» Substanzen an meinen Fusssohlen kleben – Folge der «Entgiftung».

Auch zu den Gewürzen der Fünf-Elemente-Küche finde ich keinen Zugang, was daran liegen mag, dass ich aufgrund eines elterlich erzwungenen Haushaltsschulbesuchs bis heute nicht gern koche. Und die «lichtvolle Bekleidung» – bio, Fairtrade, mit Rosenquarz (Geborgenheit) und schwarzem Turmalinpulver (Schutz) veredelt, «Bleibt beim Waschen!» – ist ebenfalls nicht mein Ding.

Dass es im Aargau die «Kaninchenhöhle», eine Auffangstation für ausgesetzte Kaninchen, gibt, rührt mich hingegen. Und ernst nehme ich auch Renato Werndli, den unermüdlichen Kämpfer fürs Tierwohl, den ich bisher nur aus Leserbriefen kannte. Wenn die im November neu eingereichte Initiative gegen Tierversuche zur Abstimmung kommt, werden wir «Ja!» sagen, versprechen ihm meine Begleiterin und ich. Und das werden wir halten – allein schon, weil das Gegenlager wieder aus allen Rohren ballern wird.

Karin Hoffsten nimmt erfreut zur Kenntnis, dass das Kleingedruckte bei der «lichtvollen Bekleidung» den Hinweis enthält, die Produkte gäben «kein Heilsversprechen» ab und seien kein «Ersatz für einen Besuch beim Arzt oder Heilpraktiker».