Ausstellung: Raven wie am Schnürchen

Nr. 17 –

Das Landesmuseum Zürich feiert und erklärt die Schweizer Technokultur. Wie technoid könnte eigentlich eine solche Ausstellung sein?

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Diskokugel mit Einhorn-Dekoration
Techno ist eher wuchernde Vielfalt und Vergänglichkeit als formuliertes Programm. Das in einer Zürcher Partyreihe immer wiederkehrende Einhorn war da schon fast eine Ausnahme. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum, © Privatsammlung N. Brunner, A. Egle, M. Lamora

Der Akt wirkte irgendwie gewichtig, als stehe er für den Tod von Techno im Museum. Wer in der Zeit vor der Schliessung des Zürcher Clubs Zukunft dort den Gorilla im Foyer vor den Toiletten vermisst hatte, konnte die von Clubgänger:innen über die Jahre abgegriffene Plastik kurze Zeit später im staatlichen Landesmuseum wieder antreffen: Das Tier war dorthin transportiert worden, um als eines von Hunderten Objekten die Geschichte der Schweizer Technokultur zu erzählen. Aber sie wäre definitiv zu rund für Techno, diese grosse Erzählung von der Musealisierung.

Wer sich in den Wochen vor dem Ende der «Zukunft» Ende März im Zürcher Internet bewegte oder am Samstag vor der Schliessung in der Menschenmenge, die sich in der Dienerstrasse vor den Club quetschte, konnte sich wundern über dieses überschwängliche Trauern. Es machte fast den Eindruck, mit dem zwanzig Jahre alten Lokal würden gleich auch die Tanzlaune und der Hedonismus in dieser Stadt untergehen. Dabei erlebte man dort doch längst eher ein Allerweltsprogramm fürs etwas ältere Laufpublikum an der Langstrasse als wirklich aufregende oder gar zukunftsweisende Clubkultur.

Jetzt, wo es die «Zuki» nicht mehr gibt, kann sie getrost zum Mythos werden. Letzte Woche konnte man im Netz 333 Gegenstände aus dem Club ersteigern, von Lampenschirmen über Wanddekorationen bis zu Teilen einer Bar. Der Spiegel mit den im Kreis angeordneten Glühbirnen aus der Frauentoilette brachte es auf 3706 Franken. Die Objekte erinnern an lange, flüchtige Nächte, wollen ein Stück geronnene Technogeschichte sein. Doch wie gut lässt sich Techno anhand von Objekten erzählen? Im Landesmuseum fragt man sich das unweigerlich.

Requisiten und Posen

Denn diese Ausstellung ist erstaunlich leise. Musik gibts aus einem Gerät, mit dem man sich an einem Bildschirm aus bekannten Beats einen eigenen Beat modellieren kann. Eine unterhaltsame und treffende Veranschaulichung dieser abstrakten Musik. Kurz darauf betritt man einen Plattenladen. Das Vinyl ist hier zwar nur zum Anschauen, aber auf digitalen Abspielgeräten sind Beispiele verschiedener Genres zu hören, die hier unter Techno im weitesten Sinn figurieren. Und im letzten Teil dröhnt ab und zu ein bodenloser Bass durch die Räume. Aber grundsätzlich dominiert die visuelle Ebene.

Sich an Objekte zu halten, ist hier erst einmal konsequent: Techno, diese zumeist wortlose Musik, dazu eine Kultur, die darauf abzielt, sich im Moment zu verlieren. Auch hat sich Techno immer eher der wuchernden Vielfalt und der Vergänglichkeit verschrieben als einem formulierten Programm. Die Kurator:innen haben sich vorgängig mit Leuten aus der Szene ausgetauscht. Viele der (oft erstmals) ausgestellten Objekte stammen aus privaten Sammlungen. Statt sich an Thesen oder einer übergeordneten Erzählung zu orientieren, gruppiert die Ausstellung ihre Artefakte, Quellen und Kultobjekte anhand von losen thematischen Blöcken.

Zunächst geht es um historische Vorbedingungen, die Deindustrialisierung der Städte, legendäre Synthesizer und Drumcomputer. Nach dem Plattenladen erinnern raumhohe Fotos an die Nischen, die sich die Raver:innen während der neunziger Jahre eroberten: ein Fabrikgelände im bernischen Roggwil, wo sich Tausende aus dem In- und Ausland versammelten; die einstige Unterführung des Escher-Wyss-Platzes in Zürich, wo illegal gefeiert wurde; eine Wiese auf dem Sustenpass, wo das Vision-Festival stieg. Als Nächstes passieren die Besucher:innen wartende Partygänger:innen, betreten den Club. Hier entfaltet sich der ganze visuelle Zauber des Techno: Requisiten für die mobile Party, Modedesigns, unzählige Styles und Posen, Flyer.

Masken und Raketen

Die Wand mit den Flyern ist einer der Orte, an denen man am liebsten verweilt. Anfang des Jahrtausends florierte der Techno in der Schweiz und vor allem in Zürich, die Clubs hatten Geld – und steckten es in aufwendig gestaltete Werbemittel. Man bestaunt die überbordende Vielfalt an grafischen Stilen, Materialien, Techniken. Sucht Verbindungen: wiederholte Verweise auf die Luft- und Raumfahrt (die Eckdaten einer Party sind auf eine kleine Feuerwerksrakete gedruckt), Bastelbögen (am liebsten für Masken), liebevolle Provokation (zwei Männer haben Sex auf einer Tausendernote).

Auf der visuellen Ebene wird dieser Reichtum ausgiebig und zu Recht gefeiert. Die begleitenden Tafeln bleiben allgemein gehalten. Die Schau ist in erster Linie eine Einführung fürs breite Publikum (im Vergleich etwa zur deutlich komplexeren «Kolonial»-Ausstellung am selben Ort). Hat man an Schulklassen und Zufrühgeborene gedacht, als man entschieden hat, Drogen und Sex nur am Rand zu verhandeln? Der eher didaktische, weniger ins Material eingreifende Ansatz ist für ein Nationalmuseum sicher angemessen, aber er geht auch auf Kosten einer kritischen Perspektive gegenüber dem Gegenstand und den vereinfachten Geschichten, die ihn begleiten.

Techno sucht Befreiung auf dem Dancefloor – aber was ist mit denen, die sich ausgeschlossen fühlen oder belästigt werden? Techno ist faszinierend vielfältig – aber was ist mit der Standardisierung, den weichgespülten Formen elektronischer Musik, die nirgendwo stören und niemandem wehtun? Techno bevölkert Freiräume und dunkle Ecken – aber was ist mit der Kommerzialisierung? Die Street Parade, die von Kulturministerin Elisabeth Baume-Schneider an der Vernissage im Landesmuseum als «lebendige Tradition» der Schweiz gewürdigt wurde, hat mit dem «Züri Fäscht» längst mehr zu tun als mit dem Umzug verstrahlter Gestalten aus dem Untergrund von damals.

Flirten und Ketaminnehmen

Wer kritische Perspektiven von innen sucht, wird in der lesenswerten Publikation zur Ausstellung fündig. Die Grafikerin und DJ Viola Zimmermann erinnert in einem der Interviews mit Zeitzeug:innen an eine witzige Anekdote: 1992 wurde die erste, als Demonstration bewilligte Street Parade, an der nur einige Hundert Leute teilnahmen, von einer kleinen Gruppe Hausbesetzer:innen gestört. Diese waren wütend, weil sie kurz zuvor selber keine Demobewilligung erhalten hatten. Aber im Hinblick auf die Geschwindigkeit, mit der Techno in den Jahren danach kommerzialisiert wurde, gibt Zimmermann ihnen auch ein bisschen recht. Ein anderes Beispiel: In seiner Einleitung stellt Kokurator Bjørn Schaeffner fest, dass die hiesige Ravekultur bei allem Schalk und Exzess auch etwas sehr Schweizerisches hatte: «In diesem wohlhabenden Land lief Techno wie am Schnürchen.»

Eine Freude ist ein Text von McKenzie Wark, Kapitalismus- und Kulturtheoretikerin und Autorin von «Raving», einer Studie über das queere Partyleben in New York. Wark schrieb das als eine Art Reportage, sehr nahe dran an der eigenen Erfahrung als trans Frau und Raverin, durchsetzt mit Reflexionen zu Stadtentwicklung, Anziehung, Tanzstilen, Drogen, Gender und Beziehungen. Im Band zur Ausstellung schreibt sie einfach weiter, als hätte jener Text nie aufgehört. Es geht auf weitere Raves, sie denkt übers Flirten, Auflegen, Ketaminnehmen, Rollenspielen nach, manchmal schält sich Sinn aus den Gedanken, manchmal nicht: «Schlittschuhlaufen auf dem dünnen Eis des Symbolischen. Ein knisterndes Geräusch des Realen. Zeitverschiebungen.»

Wark schreibt, wie ein Rave sich anfühlen kann: wie ein Kontinuum neuer Verbindungen, eine Verschiebung in eine parallele Zeit. Ihr Schreiben ist so selbstverständlich gegenwärtig wie die queeren Raves und das Schreiben darüber eine Notwendigkeit. Wenn man das liest und die technoide Ästhetik begreift, die Warks Texte verkörpern, kommt einem ein Gedanke: dass Techno in diesem Nationalmuseum vielleicht doch ein bisschen lebloser aussieht, als er müsste.

«Techno» in Zürich, Landesmuseum, bis 17. August 2025.

Schweizerisches Nationalmuseum (Hrsg.): «Techno. Einblick in die Technokultur der Schweiz mit internationalen Bezügen». Christoph Merian Verlag. Basel 2025. 160 Seiten.