Rechter Medienmogul: Stinktiere aus der «Bollosphäre»

Nr. 19 –

Redaktionen auf eine rechte Linie bringen, Rassismus schüren und den Kulturkampf anheizen: die Machenschaften des französischen Medienmilliardärs Vincent Bolloré.

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Portraitfoto von Vincent Bolloré
Vincent Bolloré. Foto: Vincent Isore, Imago

Seit 2005 hat sich der französische Spekulant und Industriepirat Vincent Bolloré zum Medientycoon gewandelt. Heute besitzt er Radio- und Fernsehsender, eine Wochenzeitung sowie Magazine zuhauf: von «Fourchette & Bikini» für körperbewusste Köchinnen über «Geo» und «National Geographic» bis hin zu «Harper’s Bazaar». Ausserdem das Videoportal Dailymotion und die Werbeagentur Havas, den Konzertsaal L’Olympia sowie die Verlagsgruppe Hachette.

Bei der Übernahme etablierter Informationsmedien wie i-Télé (2017 in CNews umbenannt), Europe 1 oder «Le Journal du Dimanche» brachte Bolloré jeweils die Redaktion auf Linie. Dabei kam zur Anwendung, was in Frankreich als «stratégie du putois» bekannt ist: Den Journalist:innen wird ein «Stinktier» vor die Nase gesetzt – wem davon übel wird, der oder die kann gehen. Bei i-Télé streikte 2016 die ganze Redaktion 31 Tage lang gegen die Einstellung eines Moderators, der inzwischen wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde. Doch Bolloré sass am längeren Hebel: Am Ende verliessen 95 Journalist:innen den Sender, die Redaktion stand fast leer.

Ein ähnliches Szenario spielte sich im Sommer 2023 beim «Journal du Dimanche» ab: Nach einem langen Streik gegen die Einstellung des vormaligen Chefredaktors einer rechtsextremen Zeitschrift verliessen neunzig Prozent der Schreibenden das Blatt. Und beim angesehenen Fayard-Verlag setzte Bolloré Mitte 2024 ein «Stinktier» als Geschäftsführerin ein: Die Ernennung von Lise Boëll, der «Verlegerin der Reaktionäre» (namentlich von Jordan Bardella, Philippe de Villiers und Éric Zemmour), wirft bis heute hohe Wellen.

Verschiedene Geschmäcker

Bei der Übernahme von Canal+ kam die «stratégie du putois» 2014 nicht zur Anwendung. Doch mussten Journalist:innen den Hut nehmen, und die kultverdächtige Satireshow «Les Guignols de l’info» sowie die Recherchesendung «Spécial Investigation» wurden eingestellt. Bolloré griff auch selbst zum Telefon, um einen Beitrag über einen seiner Geschäftsfreunde abzusetzen. Als Gruppe ist Canal+ heute ein schizophrenes Gebilde: Auf der einen Seite bietet die Plattform Mycanal einen Sender mit LGBTQ+-Inhalten, und sie finanziert über die Produktionsfiliale Studiocanal Kinofilme mit, die für Diversität, Inklusion und Progressivität einstehen. Bis auf Kritik am Katholizismus scheint hier vieles möglich – Bolloré ist auch ein Geschäftsmann, der verschiedene Geschmäcker zu befriedigen sucht.

Doch auf der anderen Seite führten beziehungsweise führen die Canal+-Sender C8 und CNews einen eigentlichen Kulturkampf. So zeichnet CNews regelmässig das Bild eines Frankreich, das von «Islamisten» und «Wokisten» verheert wird. 2023 ging es in den über den Bildschirm flackernden Infobannern von CNews an 335 von 365 Tagen um Muslim:innen und Immigrant:innen, wie das Kollektiv Sleeping Giants recherchierte, das gegen die Finanzierung von Hassinhalten durch Werbung kämpft.

Schreiend parteiisch

Obsessiv gräbt CNews jede noch so nichtige Nachricht aus, die sich gegen Muslim:innen und/oder Einwander:innen instrumentalisieren lässt. Dabei macht der Sender aus einem psychisch Kranken christlicher Konfession auch gern einmal einen islamistischen Terroristen – wie Fakten ganz generell in den Medien der «Bollosphäre» oft verbogen werden. Weitere ideologische Merkmale sind die einseitig proisraelische Linie, das Totschweigen sexueller Übergriffe, das Herunterspielen von Polizeigewalt und das systematische Schlechtmachen von Demonstrant:innen.

Auf C8 wiederum wütete bis vor kurzem Cyril Hanouna, ein im Lauf der Jahre zum Scharfmacher mutierter Spassmacher. Doch war dieser bloss das schillerndste Rädchen in einer viel umfassenderen Propagandamaschinerie. So bot die C8-Sendung «Face à l’info» ab Ende 2019 einem lauten Leitartikler des «Figaro Magazine» ein Podium für seine reaktionären, rassistischen Tiraden – und baute damit Éric Zemmour als Alternative zu Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2022 auf.

Wie stark sich der «Unterhaltungssender» C8 einer politischen Agenda verschrieben hatte, zeigte sich vergangenen Sommer, als Hanouna zwischen den beiden Runden der Parlamentswahlen vor laufenden Kameras sein Handy zückte, um die rechte Hand Zemmours mit der rechten Hand Le Pens in Verbindung zu setzen. «Union der Rechten» lautete damals die von Bolloré propagierte Losung zwecks Machtergreifung: Der Milliardär höchstselbst empfing den Chef der einst bürgerlichen Partei Les Républicains zum Tête-à-Tête, bevor dieser am Folgetag seinen Bündnisschluss mit den Rechtsextremen bekannt gab.

Die «Bollosphäre» bildet keine Partei, aber sie ist schreiend parteiisch. Für den französischen Staat stellt sich die Frage nach dem Umgang mit einer solchen Lobby. Sender, denen die öffentliche Hand einen Fernsehkanal zur Verfügung stellt, sind an Auflagen gebunden. CNews und C8 haben ihre Verpflichtung zu Pluralismus und Berufsethik aufs Gröbste verletzt, wofür es Dutzende von Mahnungen der Medienaufsichtsbehörde Arcom hagelte, in deren Folge die Geldstrafen auf insgesamt 7,6 Millionen Euro anwuchsen.

Am Ende riss den Zuständigen der Geduldsfaden: Mitte 2024 entzogen sie C8 die Lizenz. Die «Bollosphäre» stilisierte den Sender zum Märtyrer der Meinungsfreiheit, aber angesichts der hohen Verluste (368 Millionen Euro seit 2016) dürfte Canal+ insgeheim nicht unfroh gewesen sein über den propagandistisch ausschlachtbaren Vorwand für die Schliessung des Kanals Ende Februar.

Französische Trollfabriken

Neue Publikationen wie das Büchlein «Le péril Bolloré» der Journalistin Marie Bénilde und der Ende April veröffentlichte Bericht «Le système Bolloré, de la prédation financière à la croisade politique» von Attac und dem Observatoire des multinationales mahnen bereits in ihren Titeln vor der «Gefahr», die Bolloré darstellt, beziehungsweise vor dem «politischen Kreuzzug», den der Bretone führt.

Seine kulturkämpferische Pose fällt auf in einem Land, in dem Milliardäre als Besitzer von Mediengruppen die Regel sind. Bernard Arnault, Martin Bouygues, Patrick Drahi, Xavier Niel und andere nehmen über ihre Blätter und Sender gern Einfluss, sie verteidigen darin ihre Interessen wie auch jene von Geschäftspartnern. Aber sie propagieren nicht Fremdenhass und Muslimfeindlichkeit. Sie sehen sich nicht als Kreuzritter unter dem Banner einer bedrohten katholisch-weissen Nation.

Für Vincent Bolloré scheint der vermeintlich hehre Zweck jedes Mittel zu heiligen. So zögert der CNews-Moderator Pascal Praud nicht, namentlich genannte Unbekannte, die angeblich konservative Stimmen zum Schweigen zu bringen suchten, dem Zorn des rechtsextremen Fussvolks auszuliefern. Viele der Betroffenen erhielten Todesdrohungen, eines der Opfer musste gar unter Polizeischutz gestellt werden.

Gegen nichtstaatliche Organisationen bringt der Milliardär das französische Pendant zu Wladimir Putins Trollfabriken ins Spiel: Ein Kommunikationsunternehmen mit dem irreführenden Namen «Progressif Media» publizierte falsche Websites, um die NGOs Reporters sans frontières und Sleeping Giants zu diskreditieren. Dieses Unternehmen, an dem der Milliardär Anteile hält, ist im Pariser Sitz einer Filiale von Vivendi untergebracht – einem weiteren Konzern, dessen Hauptaktionär Vincent Bolloré heisst.