Rechtsextremismus : Mit Hass und Hellebarde

Nr. 20 –

Mit dem Rassemblement Romand Patriote hat die Westschweiz eine neue Partei. Ein jüngst geleakter Chat lässt keine Zweifel daran, dass deren Mitglieder nicht nur rechts, sondern rechtsextrem sind.

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Eine brachiale Waffe aus den Zeiten der alten Eidgenossenschaft hat gerade mediale Hochkonjunktur: die Hellebarde. Jüngst insbesondere als Accessoire in den Händen der Schweizergardisten im Vatikan präsent, dient die Allzweckwaffe auch dem Rassemblement Romand Patriote (RRP) als Logo. Die erst 2024 gegründete Westschweizer Partei machte in den vergangenen Wochen Schlagzeilen, von denen sie sich nur schwer erholen dürfte.

«Ich kannte einen Juden, der den Satanismus verteidigte.» – «Den hätte man verbrennen müssen.» Mit diesem Ausschnitt aus einem Whatsapp-Gruppenchat beginnt ein vor vier Wochen in der Zeitung «Le Courrier» veröffentlichter Artikel. Dieser stützt sich auf den Verlauf eines Chats von Mitgliedern des RRP, den das Recherchekollektiv Offensive Antifasciste der Zeitung zugespielt hatte. Das antisemitische Beispiel ist eines unter vielen.

Bezüge zu Frankreich

Im Chat unterhielten sich fast ausnahmslos junge Männer, von denen, das geht aus der Unterhaltung hervor, einige noch bei den Eltern wohnen oder sich in Ausbildung befinden. Sie tauschten sich über Alltägliches und Politik aus und teilten zwischendurch übelste rassistische, misogyne und antisemitische Inhalte. Journalistinnen und Politikerinnen wurden als «Huren» bezeichnet, Minderheiten mit Schädlingen verglichen, Gewaltfantasien und -aufrufe schamlos geteilt. Der Bericht im «Courrier» löste in der Westschweiz eine Welle der Empörung aus, insbesondere, weil zwei Mitglieder des RRP am 18. Mai in Biel und im Berner Jura als Regierungsstatthalter kandidieren. Regierungsstatthalter:innen vertreten die Berner Kantonsregierung auf Ebene der Verwaltungskreise.

Laut eigenen Angaben hat der RRP gut fünfzig Mitglieder in verschiedenen Regionen der Westschweiz. Auf seiner Website gibt er sich gemässigter als seine Mitglieder im Chat: Schweizer Fahnen, eidgenössische Symbolik, ein ausführliches Parteiprogramm. Abgesehen von einigen harmlosen bis durchaus sinnvollen Vorschlägen (Ablehnung des Autobahnausbaus) finden sich darin Passagen, die von der SVP stammen könnten («Wokismus» in der Schule bekämpfen), aber auch Forderungen wie die Umwandlung von Gefängnissen in Arbeitslager.

«Der RRP will sich ganz eindeutig rechts von der SVP positionieren», sagt Politologe und Extremismusforscher Oscar Mazzoleni von der Universität Lausanne. Während in der Deutschschweiz Gruppierungen wie die Junge Tat unter anderem versuchten, innerhalb der Jungen SVP Einfluss zu nehmen, hätten die RRP-Mitglieder in der Romandie mehr Potenzial in der Gründung einer eigenen Partei gesehen. «Das hat damit zu tun, dass die SVP hier schwächer ist.»

Der Rassemblement Romand Patriote stehe einerseits in der Tradition der heute bedeutungslosen Schweizer Demokraten (SD), andererseits seien auch Bezüge zur extremen Rechten in Frankreich erkennbar. Nicht nur dem Namen nach, der an Marine Le Pens Rassemblement National erinnert, auch in Form gewisser ökologischer und globalisierungskritischer Elemente im Parteiprogramm. Was den RRP von anderen rechtsextremen Gruppierungen unterscheidet, ist das Ziel, sich in politische Ämter wählen zu lassen. Ein Ziel, das in weite Ferne gerückt ist.

Kandidat wohnt nicht im Kanton

Eine Woche nach der Enthüllung im «Courrier» meldete sich das antifaschistische Recherchekollektiv, das der Zeitung die Informationen zugespielt hatte, auf der linksradikalen Plattform «Renversé» zu Wort. Der Beitrag enthielt ein Ultimatum: Sollte sich der RRP nicht innerhalb von 48 Stunden auflösen, würde Offensive Antifasciste den gesamten Inhalt des Chats sowie Telefonnummern und Namen der Mitglieder veröffentlichen. Genau das geschah, nachdem der RRP der Aufforderung nicht nachgekommen war. Die 200 Word-Seiten umfassende Konversation kann seither öffentlich eingesehen und darin etwa nachgelesen werden, was der Kandidat für das Bieler Regierungsstatthalteramt, Loïc Besançon, fleissig gepostet hat. Im Bieler Lokalfernsehsender Telebielingue damit konfrontiert, entschuldigt sich der Achtzehnjährige halbherzig, behauptet, die Stimmung im Chat sei geprägt gewesen von «schwarzem Humor».

Doch scheint es ihm nicht mehr wohl zu sein: Er empfiehlt der Wähler:innenschaft vor laufender Kamera, ihn nicht zum Regierungsstatthalter zu wählen. Zurückziehen kann er seine Kandidatur nicht mehr, da das Wahlmaterial bereits versandt wurde. Auch dank der Enthüllungen um den RRP ist die Bestätigung der bisherigen Bieler Regierungsstatthalterin Romi Stebler (FDP) praktisch sicher. «Viele Linke hätten normalerweise an der Wahl nicht teilgenommen», sagt Julian Meier von der Bieler SP. Die Regierungsstatthalterin torpediere regelmässig linke Politik. Angesichts der rechtsextremen Kandidatur empfiehlt die SP, leer einzuwerfen oder Stebler zu wählen. Auch im Berner Jura scheint die Wahl des RRP-Kandidaten Bruno Dupont, der im Whatsapp-Chat nicht dabei war, höchst unwahrscheinlich: Der 59-Jährige wohnt in Lausanne und müsste im Fall einer Wahl umziehen.

«Die Enthüllungen haben den RRP zwar sichtbar gemacht, gleichzeitig aber auch geschwächt», urteilt Oscar Mazzoleni. Zumindest im Hinblick auf die Teilnahme an Wahlen, bei denen sich die Partei als Alternative zur SVP habe positionieren wollen, habe ihr der Skandal mit Sicherheit geschadet.