Medien: Tatort Luzern
Die SRG kauft sich die Meinung der anderen Medien. Schon vor der Abstimmung entfaltet die Halbierungsinitiative eine fatale Wirkung.
Es geschah, um einen Schweizer Krimiklassiker zu zitieren, am helllichten Tag. Fast alle Deutschschweizer Medien waren an den Tatort geladen, ans Swiss Media Forum in Luzern. Kameras und Mikrofone liefen, als sich die Täter:innen ans Werk machten: Es waren die Medien selbst, die ihre Unabhängigkeit opferten.
Gemeinsam verkündeten die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG und der Verband Schweizer Medien (VSM) letzte Woche eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit. Feierlich lobte SRG-Generaldirektorin Susanne Wille die Einigung: «Sie stärkt die Demokratie.» Lobend sollten auch die Berichte über den Anlass ausfallen, eine Brückenbauerin sei Wille. Kritische Worte fielen kaum. Wie auch? Fast alle grossen Medienhäuser – SRG, CH Media, NZZ, Ringier – sind Teil der Übereinkunft. Nur TX-Chef Pietro Supino scherte aus: weil ihm die Mittäter:innen zu wenig ruchlos vorgegangen waren und nicht noch mehr Vorteile rausholten.
Werbezahlungen, Sportrechte und Infrastrukturbeteiligung wirft die SRG den privaten Verlagen hinterher. Und sie will sich selbst digital beschränken, bei Textlängen, auf sozialen Kanälen, bei der KI-Auswertung. Alles für ein Zugeständnis: dass die Privaten die Halbierungsinitiative der SVP ablehnen. Das Problem ist nicht die politische Positionierung – sondern dass sie aufgrund einer Gegenleistung erfolgt.
Ausgerechnet die Medien, die Garanten der Meinungsvielfalt, für die Unabhängigkeit über allem stehen müsste, lassen sich vor dem Abstimmungskampf von einem anderen Medium kaufen. «Der Vorgang hinterlässt den Beigeschmack von Bestechung und von Sich-bestechen-Lassen»: Der SP-Medienpolitiker und Gewerkschafter David Roth benennt das Delikt von Luzern in dieser WOZ-Ausgabe in wohltuend unschweizerischer Deutlichkeit.
Selbstverständlich werden sich die meisten Medien darauf berufen, es gebe eine unsichtbare Trennwand zwischen Verlag und Redaktion. Gerade bei der Medienberichterstattung ist diese aber meist inexistent. Wenn Medienkritik überhaupt noch erlaubt ist, erfolgt sie selten gegen die Interessen des eigenen Verlags.
Der Meinungskauf zeigt, welche fatale Wirkung die SVP-Halbierungsinitiative entfaltet, bevor die Stimmbevölkerung überhaupt über sie abstimmen konnte. Schon im letzten Sommer hatte Medienminister Albert Rösti, der das Vorhaben als SVP-Präsident einst lanciert hatte, das SRG-Budget auf dem Verordnungsweg um fast ein Fünftel gekürzt. Bei dieser Kürzung handle es sich um ein «Gegenprojekt» zur Initiative, behauptet Rösti gerne. Dabei ist es ein Bestätigungsargument, dass der Service public auch mit deutlich weniger Geld auskommen kann.
Wie stark die Pressefreiheit weltweit unter Druck geraten ist, zeigt sich nicht nur in autoritär regierten Staaten wie Russland oder Ungarn. Auch in Österreich, Deutschland oder Grossbritannien gehört es zum Standardrepertoire rechtspopulistischer Parteien, den öffentlichen Rundfunk anzugreifen – und seine Funktion als Bollwerk gegen Propaganda zu unterhöhlen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg definiert wurde.
Umso wichtiger ist es, die Halbierungsinitiative in diesen Zusammenhang zu stellen. Der Angriff auf die SRG bedeutet eine nächste Eskalationsstufe, nachdem in den nuller Jahren die Milliardäre Tito Tettamanti und Christoph Blocher Medientitel wie die «Weltwoche» oder die «Basler Zeitung» nach rechts drehten (und viele andere Medien und Journalist:innen dieser Ausrichtung folgten).
SRG und private Verlage mögen denken, sie würden mit der Vereinbarung einen Beitrag gegen die SVP-Initiative leisten. Zur Ablehnung hätte es mutmasslich aber weder ein «Gegenprojekt» noch ein Stillhalteabkommen gebraucht, wie das deutliche Nein zur No-Billag-Initiative 2018 zeigte. Umso fataler, wurde mit der Preisgabe der Unabhängigkeit nun das Mediensystem als Ganzes beschädigt.