Trump und Südafrika: Apartheid forever
Donald Trumps Regierung verbreitet die Verschwörungserzählung eines Genozids an weissen Südafrikaner:innen. Das hat viel mit der sogenannten Paypal-Mafia zu tun.

«Das wird grossartiges Fernsehen», fasste US-Präsident Donald Trump Ende Februar das Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski zusammen, nachdem er diesen öffentlich vorgeführt hatte. Der südafrikanische Staatschef Cyril Ramaphosa scheint sich nun auf Trumps als Reality-TV ausgetragene Präsidentschaft vorbereitet zu haben. Er blieb letzte Woche bei seinem Besuch des Oval Office relativ gelassen, wenn auch zwischenzeitlich irritiert von Trumps Vorwürfen, sein Land begehe einen Genozid an weissen Farmer:innen.
Trumps Behauptung basiert auf der rechten Verschwörungstheorie, in Südafrika werde ein «white genocide» verübt. Er hat kürzlich eine Verordnung unterschrieben, die weissen Südafrikaner:innen Asyl in den USA gewährt. Öffentlichkeitswirksam inszenierte seine Regierung nur zehn Tage vor Ramaphosas Besuch die Ankunft einer Gruppe weisser Südafrikaner:innen. Zum Anlass passend trug Vizeaussenminister Christopher Landau bei ihrer Ankunft eine Krawatte in den Farben der alten Apartheidflagge.
Beeinflusst von Elon Musk
Doch woher kommt Trumps Fixierung auf die Regenbogen-Nation? Die Gründe dafür finden sich – wie so oft – in seinem Umfeld. Im Fadenkreuz der US-Regierung ist derzeit vor allem ein Gesetz, das in Südafrika die Enteignung von weissen Farmer:innen möglich machen soll. Elon Musk, bald Ex-«Berater» in einer im Weissen Haus eigens für ihn geschaffenen Kürzungsabteilung, sprach von einem «offensichtlich rassistischen Eigentumsgesetz». Es liegt nahe, dass der weisse Südafrikaner und Techmilliardär, für den Trump bisher stets ein offenes Ohr hatte, das Thema auf die Agenda des Präsidenten gesetzt hat.
Musk gehört neben anderen Figuren wie dem Investor Peter Thiel, David Sacks (ein weiterer präsidialer Berater) oder Roelof Botha (Enkel des letzten Apartheidaussenministers Pik Botha) zur sogenannten Paypal-Mafia, einer Gruppe von Techinvestoren, die die Bezahlplattform einst gemeinsam gründeten. Die Techmilliardäre teilen aber noch etwas: ihre Kindheit und Jugend in einem Land, in dem man als Angehörige der weissen Mittel- und Oberschicht von der Ausbeutung der Schwarzen Mehrheit profitierte.
Das Südafrika, in dem Musk aufgewachsen ist, war der letzte offiziell rassistische Staat der Erde. Bis 1994 hatte eine weisse Minderheit die politische und wirtschaftliche Macht. Die Schwarze Mehrheitsbevölkerung war einem rigiden rassistischen Regime, Apartheid genannt, unterworfen, das den gesamten Alltag durchzog. In der Regel lebte sie in sogenannten Homelands, kleinen Pseudostaaten innerhalb Südafrikas, die nur die rassistische Republik anerkannte. Schwarze Südafrikaner:innen waren in der weissen Gesellschaft fast rechtlos und dienten als billige Arbeitskräfte in den Minen des Landes. Das öffentliche Leben glich der entwürdigenden Trennung in den Südstaaten der USA bis in die sechziger Jahre.
Das Enteignungsgesetz der südafrikanischen Regierung adressiert eine systemische Ungleichheit, die trotz des Endes der Apartheid unangetastet blieb. In den dreissig Jahren seit dem Ende des rassistischen Regimes hat es auf dem Gebiet der Umverteilung keine Fortschritte gegeben. Immer noch besitzt eine weisse Minderheit (sieben Prozent der Bevölkerung) mehr als siebzig Prozent des Agrarlands.
Staat der Segregation
Musk ist in Südafrikas Hauptstadt Pretoria aufgewachsen – es ist die Stadt mit dem höchsten weissen Bevölkerungsanteil. Hier lebten während der Apartheid, aufgrund der Jobs im Staatsapparat, viele Weisse aus der gehobenen Mittelschicht. Der Historiker Stephan van Wyk bezeichnete die Stadt als «Zitadelle der Apartheid». Pretoria war die Modellstadt des Segregationssystems. Während die Weissen im Zentrum lebten, wurden die Schwarzen an den Rand gedrängt. Alles war darauf ausgelegt, die ungleiche Macht im Staat aufrechtzuerhalten.
Elons Vater, Errol Musk, arbeitete während der Apartheid als Ingenieur und Berater und handelte mit Immobilien – auch in den Handel mit Smaragden soll er involviert gewesen sein. Musk wuchs also in einer wohlhabenden Familie auf und besuchte eine prestigeträchtige Privatschule. Errol Musk wurde 1972 als Parteiloser in den Stadtrat von Pretoria gewählt. Zwischenzeitlich war er Mitglied der Progressive Party; sie galt als weisse bürgerliche Opposition gegen das Apartheidsystem. Doch verliess Musk die Partei nach zwei Jahren, weil er gegen die komplette Abschaffung der Apartheid war. Vor allem ein Wahlrecht für alle Einwohner:innen wollte er nicht.
Auch die anderen Mitglieder der Paypal-Mafia mit Bezug zu Südafrika kommen aus wohlhabenden Familien. So wurde der Vater des gebürtigen Deutschen Peter Thiel im Bergbau reich. Thiel, der in den USA, in Südafrika und im damaligen Südwestafrika – dem heutigen Namibia – aufgewachsen ist, besuchte dort eine Privatschule in der berüchtigten Stadt Swakopmund. Bis heute bietet der Ort vielen Fans des deutschen Kolonialismus eine Heimat. Während Thiels Kindheit in den siebziger Jahren veranstalteten Bewohner:innen Feiern zu Hitlers Geburtstag, einige pflegten sich noch in aller Öffentlichkeit mit erhobenem rechtem Arm zu grüssen, wie die «New York Times» damals schrieb. Namibia war lange militärisch von Südafrika besetzt, seine Bevölkerung ebenfalls dem rassistischen Apartheidsystem unterworfen.
Während Thiels Schulzeit zog seine Familie in die Vereinigten Staaten. Er nahm ein Studium an der Eliteuniversität Stanford auf. Laut einer Biografie soll er als Student die Apartheid als «wirtschaftlich solide» bezeichnet haben. 1996, als in Südafrika seit zwei Jahren an der Neuordnung des Landes unter dem Banner des Multikulturalismus gearbeitet wurde, veröffentlichten Thiel und sein späterer Investorenkumpel Sacks, ein gebürtiger Kapstädter, das Buch «The Diversity Myth». Zwar richteten sie sich darin an ein US-amerikanisches Publikum und behaupteten, «race» sei schon immer eine Obsession dieser Gesellschaft gewesen. Ihre Angriffe galten jedoch dem Multikulturalismus an sich sowie Versuchen, historische Ungerechtigkeiten aufzuarbeiten. Die Autoren übten sich darin, einen Gegensatz zwischen Freiheit und Antirassismus zu konstruieren – wie ihn die extreme Rechte heute erfolgreich behauptet.
Rechte Seilschaften
Dass Musks Kindheit in der Festung des weissen Rassismus spurlos an ihm vorbeigegangen ist, kann wohl ausgeschlossen werden, zumal er die Aufarbeitung der Apartheid als politisches Faustpfand einsetzt. Gerade verhandelt Südafrikas Regierung mit Musks Firma Starlink, damit diese dem Land schnelles Internet über Satelliten zur Verfügung stellt. Musk hat kürzlich die Gespräche unterbrochen, weil ihm ein Gesetz nicht passt. Es schreibt ausländischen Firmen, die in Südafrika aktiv sind, vor, Communitys, die unter der Apartheid benachteiligt waren, durch Anteile an der Firma zu beteiligen. Der Druck scheint zu wirken: Die Regierung in Pretoria arbeitet derzeit an einer Abschwächung des Gesetzes, in der Hoffnung, dass sich Musks Firma in Südafrika ansiedelt.
In der Causa Starlink bekam Musk öffentliche Unterstützung vom Afriforum. Diese rechte Gruppe weisser Südafrikaner:innen liess sich mit der «Kritik» zitieren, Südafrikas Politik blockiere Starlinks Zugang zum Land, weil das Unternehmen «zu weiss» sei. Die Gruppe sieht die Apartheid nicht als historisches Unrecht an und wendet sich gegen die «Verfolgung von Südafrikas Minderheiten», gemeint sind damit weisse Landbesitzer:innen. Diese Parteigänger:innen der weissen Vorherrschaft sind eine der lautesten Stimmen bei der Verbreitung der «White genocide»-Verschwörungserzählung – ein durchsichtiges Manöver, um die minimalen Landreformen gegen die Besitzverhältnisse aus der Apartheid zu diskreditieren. Musk findet die Genozidthese plausibel und verbreitet sie auch auf seiner Plattform X.
Schon 2018 wurde der Anführer des Afriforum, Kallie Kriel, in Washington vorstellig und versuchte, sein Anliegen der ersten Trump-Regierung schmackhaft zu machen. Er traf Trumps nationalen Sicherheitsberater und eine Reihe konservativer Thinktanks. Nun also scheint das Anliegen von Musk und den organisierten Apartheidfans in der US-Aussenpolitik angekommen zu sein. Den offensichtlichen Rassismus und das reaktionäre Besitzstandsdenken teilen die rassistischen Südafrikaner:innen und Trumps neue Regierung ohnehin, nun auch ganz offen.