Johannesburg: Wo aus Wasser Politik wird Wochenlang kein Tropfen, lebensgefährliches Wasser in Armenvierteln: In den südafrikanischen Metropolen spitzt sich die Problematik zu.

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Vororte von Joannesburg aus der Luft
leibt der Strom heute aus? Halten die Wasserpumpen durch? Vororte von Joannesburg aus der Luft. Foto: Tambako the Jaguar, Getty

Johannesburg im vergangenen Februar. 34 Grad, der Asphalt glüht. In Parkwood, einem Vorort im Norden der Millionenmetropole, ist man froh über schattenspendende Alleen. Einzig sie sorgen noch für Abkühlung, nachdem seit Tagen kein Wasser mehr aus dem Hahn geflossen ist. «Wir sind auf Tanklaster oder andere Notlösungen angewiesen», sagt Stuart Norman, der im Quartier wohnt.

Die Wasserrohre in seiner Nachbarschaft seien gut achtzig Jahre alt, sagt er. Geflickt würden sie jeweils nur notdürftig. Beim 15. Versuch, sie zu reparieren, habe man mit dem Zählen aufgehört. Die Wasserverschwendung, die das mit sich bringe, sei ein Desaster: «Es kann Tage dauern, bis ein Rohr repariert wird. Dabei sind wir eh schon ein wasserarmes Land. Viele Südafrikaner:innen haben keinen eigenen Anschluss – da wird Wassersparen schnell zur existenziellen Angelegenheit.»

Es ist ein südafrikanisches Paradox: Zur Arbeit gelangen viele Johannesburger:innen mit dem Schnellzug, zu Hause kommen die TV-Sendungen via Stream durch das Glasfaserkabel – einzig um das Grundlegende müssen sie täglich bangen. Bleibt der Strom heute an, oder kommt es erneut zu Abschaltungen, um das Netz vor einem Kollaps zu bewahren? Werden dadurch wieder die Pumpen des Wasserreservoirs versagen? Kann ich heute Abend duschen – oder muss ich erneut Fünfliterkanister mit Mineralwasser aus dem Supermarkt nach Hause schleppen? Das sind Fragen, die sich Südafrikas Mittelschicht immer wieder stellen muss.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Weit schlimmer noch ist die Situation für die Millionen Menschen, hauptsächlich People of Color, die dreissig Jahre nach dem Ende der Apartheid immer noch in Townships leben – etwa in Hammanskraal, einer Armensiedlung nördlich der Verwaltungshauptstadt Pretoria, die immer mehr mit Johannesburg zusammenwächst. Hier fragt man sich seit über einem Jahr: Überlebe ich diesen Schluck Wasser?

Zwischen Wellblechhütten, vermüllten Quellen und einem Fluss, in den sich ungefiltertes Abwasser ergiesst, ist im Mai 2023 eine längst tot geglaubte Seuche wiederauferstanden: Cholera. Staatspräsident Cyril Ramaphosa und seine Partei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) machten «schlechte Regierungsführung» und «schwache Verwaltung» der Hauptstadtregierung dafür verantwortlich, die seit 2016 in den Händen der oppositionellen Demokratischen Allianz (DA) liegt. Diese wiederum schiebt die Schuld auf den ANC, der Pretoria und sein Umfeld «jahrelang vernachlässigt» habe.

«Es ist typisch, dass die Regierung die Schuld jemand anderem zuschiebt. Mal ist es das Erbe der Apartheid, mal sind es die Bewohner:innen, die angeblich zu viel Wasser verbrauchen.» Die Analyse stammt nicht von einem frustrierten Wähler, sondern vom Universitätsprofessor Anthony Turton, einem der führenden Wasserbauexperten Südafrikas. Und sie kommt eineinhalb Monate vor den historischen Parlamentswahlen Ende Mai, bei denen der ANC erstmals seit dreissig Jahren die Mehrheit verliert. Nun ist er auf die Oppositionsparteien angewiesen, um weiter zu regieren. Einiges deute darauf hin, so Turton, «dass die Parteien im politischen Wettbewerb Wasser als Waffe benutzen».

Die Herausforderung der kommenden Jahre bestehe darin, das eigentlich reichlich verfügbare Wasser in Schulen, Restaurants, Kliniken und Haushalte zu bringen, sagt Jay Bhagwan, Executive Manager der staatlichen Wasserforschungskommission: Von zehn Litern, die Johannesburgs Wasserwerk in die Rohre pumpt, kommen derzeit bloss knapp fünf Liter bei den Leuten an. Der Rest wird illegal abgezapft – oder versickert durch die porösen Rohre. Dabei lägen, so Bhagwan, die Lösungen auf der Hand. Seine Vorschläge kommen einem Katalog gleich, der die Versäumnisse der letzten zwanzig Jahre zusammenfasst: «Lecke Stellen reparieren, Betrieb und Instandhaltung verbessern, alte Infrastruktur ersetzen, Fachkenntnis und Kompetenzen nutzen, mehr investieren – und besser regieren.» Für Tausende Johannesburger:innen jedoch, die im vergangenen März zwei Wochen ohne Wasser auskommen mussten, bleibt das bis auf Weiteres eine Illusion.

Ein nationaler Krisenstab?

«Die Realität ist, dass es dem ANC dreissig Jahre lang nur darum ging, sachkundige Leute durch ihre Kader zu ersetzen», klagt Bennie van Zyl. Als Geschäftsführer der Transvaal-Landwirtschaftsvereinigung bekommt er täglich die Sorgen von Bäuer:innen zu hören. Immer noch ist die Landwirtschaft überwiegend in den Händen weisser Südafrikaner:innen. Sein Agrarbund sei bereit, gemeinsam mit den Regierenden an einer Lösung zu arbeiten, betont van Zyl. Aber dafür müsse die Regierung erst einmal Expert:innen zulassen – «unabhängig von Volkszugehörigkeit oder Geschlecht».

Einen Verbündeten könnte er ausgerechnet im Vizepräsidenten Paul Mashatile gefunden haben. Im April erklärte dieser Südafrikas Wasserkrise zur Chefsache. So soll sich ein nationaler Krisenstab um die Wasserverschwendung und -verschmutzung kümmern und auch mit Farmer:innen zusammenarbeiten. Dabei sollen alle Regierungsebenen und wichtigen Akteure eingebunden werden – zumindest war das der Plan, bevor der ANC auf vierzig Prozent abstürzte. Können drei Jahrzehnte nach dem Ende der Rassentrennung erneut ideologische und ethnische Gräben überwunden werden, um Südafrika vor dem Austrocknen zu retten?